Magdeburg/Nürnberg - Die lange und traurige Geschichte einer möglicherweise in der NS-Zeit geraubten Geige könnte nun ein glückliches Ende finden: Junge Musiker sollen mit dem Instrument Konzerte zu Ehren der früheren jüdischen Besitzer geben. Doch dafür ist noch ein hoher Preis zu zahlen.
Im Fall einer möglicherweise von den Nazis geraubten wertvollen Geige hat die Schlichtungsstelle vorgeschlagen, dass die Erben des früheren Besitzers 100 000 Euro erhalten sollen. Das gab am Mittwoch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg bekannt. Das Instrument des italienischen Geigenbaumeisters Giuseppe Guarneri hatte dem jüdischen Instrumentenhändler Felix Hildesheimer aus Speyer gehört.
Er und seine Familie seien durch die rassistische Verfolgung während des Nationalsozialismus in den Tod bzw. in die Emigration getrieben worden, heißt es in der Empfehlung der beratenden Kommission für die Rückgabe von Kulturgütern, die ihren jüdischen Besitzern von den Nazis geraubt worden waren. Es liege nahe, dass das Instrument der Familie durch Zwangsverkauf oder Beschlagnahmung genommen worden sei. Somit hätten die Erben Hildesheimers einen Anspruch auf Entschädigung.
Derzeit ist die Geige im Besitz der Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung mit Sitz in Nürnberg, die das Instrument hochbegabten Studenten der Nürnberger Hochschule für Musik zur Verfügung stellen will. Die Nachwuchsmusiker sollen verpflichtet werden, mit Konzerten in Speyer an die Geschichte der Familie Hildesheimer zu erinnern.
Die Kommission empfiehlt, dass die Geige in der Stiftung bleibt und diese zum Ausgleich 100 000 Euro an die Erben Hildesheimers zahlt. Denn der Marktwert des Instruments liege bei etwa 150 000 Euro. Davon seien aber noch die dringend nötigen Reparaturkosten von etwa 50 000 Euro abzuziehen. Ob die Stiftung dieser Lösung zustimmt, war nach Angaben einer Sprecherin zunächst unklar. Voraussichtlich am Freitag werde die Entscheidung des Vorstands dazu bekanntgegeben.
Die Stiftung hatte großen Aufwand betrieben, um die früheren Besitzer der Geige aus dem Jahr 1706 zu finden. Hildesheimer hatte das Instrument im Jahr 1938 gekauft. Im Jahr darauf nahm er sich das Leben. Seine Frau Helene wurde 1940 nach Gurs in Südfrankreich deportiert, ihr Eigentum wurde von der Gestapo beschlagnahmt. 1941 gelang es ihr, in die USA zu flüchten.
Im Jahr 1974 kaufte dann die Nürnberger Geigerin Sophie Hagemann das Instrument in Köln. Wo die Geige in der Zwischenzeit war, ist unbekannt. Noch dem Tod Hagemanns 2010 ging die Violine in den Besitz der Stiftung über. Anfang 2014 trat nach internationaler Berichterstattung über den Fall eine der Töchter von Hildesheimer mit der Stiftung in Kontakt - die damals 100 Jahre alte Martha Strauss, die in den USA lebte. Auch sie ist inzwischen gestorben. Die rechtmäßigen Erben sind ihre Kinder und ihre Schwester.
[update, 9.12.]
Stiftung will 100 000 Euro zahlen
Nürnberg (dpa/lby) - Nach einer entsprechenden Empfehlung will eine Nürnberger Stiftung 100 000 Euro an die Erben des früheren Besitzers einer möglicherweise von den Nazis geraubten wertvollen Geige zahlen. Die Frank Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung teilte am Freitag in Nürnberg mit, sie werde alles daran setzen, die Summe aufzubringen.
Trotz intensivster Nachforschungen gebe es bis heute keine Belege dafür, dass die Geige tatsächlich Raubkunst sei, teilte die Stiftung mit. Dennoch wolle sie der Empfehlung der Kommission folgen. Damit sei die Hoffnung verbunden, die Geige als Instrument der Versöhnung dauerhaft hochbegabten Musikstudenten der Hochschule für Musik in Nürnberg zur Verfügung zu stellen. Die Stiftung hatte großen Rechercheaufwand betrieben, um die Erben zu finden