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Eindrücke vom Festkonzert in Hamburg. Foto: DSM/Tobias Gloger
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Sich selbst durch sein Instrument kennen lernen

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Folgenschwere Förderung: Zwanzig Jahre Deutscher Musikinstrumentenfonds
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Ketzerisch zitiert Igor Levit einen seiner Lehrer mit dem Satz: „Es gibt keine schlechten Klaviere, nur schlechte Pianisten.“ Anlässlich des 20. Geburtstages des Deutschen Musikinstrumentenfonds, der seit 1. Juli 1993 stolze 184 hervorragende Streichinstrumente angesammelt hat und nach den einmal jährlich stattfindenden Wettbewerbsrunden leihweise an den Spitzennachwuchs vergibt, schwingt da einige Ironie mit. Für seine Streicherkollegen, mit denen der russisch-deutsche Pianist jetzt anlässlich des Festkonzertes zum Jubiläum des Fonds in den Hamburger Deichtorhallen auftrat, liegen die Dinge natürlich anders: Eine junge Geigerin oder ein junger Cellist entfalten das eigene künstlerische Potenzial erst vollends mit einem adäquaten Instrument, durch dessen Persönlichkeit sich auch der Charakter des Nachwuchsinterpreten wirklich ausprägen kann. Anne-Sophie Mutter drückt den Sachverhalt ökonomisch aus. „Ohne eine gute Geige spielt man nicht gut genug, um jene großen Gagen zu erhalten, die man braucht, um eine erstklassige Geige zu kaufen.“

Im Gespräch vor dem Konzert der Preisträger und Stipendiaten ging es freilich weniger um musikalische Marktwirtschaft. Die Künstler bestätigten vielmehr, wie wichtig diese ganz konkrete Form der Nachwuchsförderung ist. So beschreibt Cellist Gabriel Schwabe, wie sehr ihn sein Instrument fordere: „Ich lerne mich selbst durch mein Instrument kennen – jeden Tag erneut.“ Der 1988 geborene Berliner spielt ein Violoncello von Francesco Ruggeri, das 1674 in Cremona entstand und als treuhänderische Eingabe aus Hamburger Familienbesitz in den Fonds gelangte. Der französischen Geigerin Solenne Païdassi steht eine Storioni von 1779, ihrer Kollegin Lea Birringer eine Violine von Giovanni Battista Ceruti zur Verfügung, die um 1800 in Cremona entstanden ist. Die koreanische Bratscherin Sara Kim spielt eine Testore-Viola, die in Mailand um 1740 gebaut wurde.

Bemessen nach dem Euro-Gesamtwert des Fonds im unteren zweistelligen Millionenbereich sind 60 Prozent Treugaben von Privatbesitzern, die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Stiftung Musikleben, die den Instrumentenfonds verwaltet und immer wieder Geld einwirbt, um ihrerseits Instrumente ankaufen zu können, halten jeweils einen Anteil von zwei Prozent. Unter den 11 Violinen, 26 Bratschen, 40 Celli und 7 Kontrabässen finden sich historische Meisterinstrumente von Gagliano, Guadagnini, Guarneri und Stradivari. Ein musikalisches Stück deutscher Wiedervereinigung wurde 1997 durch die Zusammenführung mit den 20 Instrumenten der einstigen DDR vollzogen. Nicht die museale Sammlung steht aber natürlich auf den Fahnen des Fonds, sondern die Vergabe an den Spitzennachwuchs, die immer Ende Februar im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe stattfindet und von einer wechselnden, prominent besetzten und ehrenamtlich arbeitenden Jury verantwortet wird – ein Ansatz, der durch die Auszeichnung „365 Orte im Land der Ideen“ gewürdigt wurde.

Unweit des Museums war nun zu überprüfen, welche Folgen diese Förderung haben kann. Vorangegangen war dem Gipfeltreffen des Nachwuchses eine intensive kammermusikalische Probenwoche jenseits jedweder „locker-unverbindlicher Musikfreizeit“, wie Igor Levit schmunzelnd betonte. Da habe es Lachen und Streiten, gemeinsames Wachsen und konstruktive Reibung als „wirklich gleichwertige Unterhaltung“ gegeben. Zunächst auf dem Programm: Beethovens sträflich vernachlässigtes Klaviertrio op. 121a mit seinen zehn Variationen über das Lied „Ich bin der Meister Kakadu“. Herrlich humorig vorgeführt wurde hier der Rollenwechsel zwischen kapriziös figurierender Violinistin, brav sekundiertem Cellisten und dem um delikate Durchhörbarkeit bemühten Pianisten. In den überakustischen Deichtorhallen ließ sich indes die echte Beethoven-Beherztheit nicht mit maximalem Ungestüm ausspielen. Hernach beim Klavierquintett op. 57 von Dmitri Schostakowitsch, jenem in einer unbeschwerten Traurigkeit das Überleben des Sowjetmeisters sichernden Rehabilitationsstück, stimmte dann der emphatische Nachdruck, mit dem zumal Solenne Païdassi in ihrer gestalterischen Reife begeisterte: Selbst ein vibratolos gerader Ton hat bei ihr noch volle Tonsubstanz. Das achtsam respektvolle, gleichsam sozial geschulte feine Aufeinanderhören der fünf herrlichen Künstler entbehrte allenfalls der allerletzten Schostakowitsch-Zügellosigkeit, dem sich das Quintett in einem klassischen Konzertsaal zweifellos hingegeben hätte.

Irene Schulte-Hillen, als Präsidenten der Deutschen Stiftung Musikleben die unermüdlich für die gemeinsame gute Sache klangvoll trommelnde starke Frontfrau des Fonds, konnte fürwahr zufrieden mit ihren Schützlingen sein. Nur: Was kommt eigentlich nach dem Auslaufen der Förderung mit der Altersgrenze von 30 Jahren – und der schmerzlichen Rückgabe des eigenen Instruments in den Fonds und der Weitergabe an die nächstjüngere Generation? Nicht jedes Spitzentalent verfügt dann schließlich bereits über den Marktwert einer Anne-Sophie Mutter. Die Stiftung regt für die aus der Förderung fallenden Musiker den Neubau von Instrumenten durch bedeutende europäische Geigenbauer an. Deren Ankauf ist freilich zu oft ein Problem: Denn Banken haben sich aus der Finanzierung von Instrumenten längst zurückgezogen. 

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