Tutzing - Der wegen ihrer NS-Vergangenheit umstrittenen Pianistin Elly Ney (1882-1968) wird die Ehrenbürgerwürde in Tutzing nicht posthum aberkannt. Dies beschloss der Tutzinger Gemeinderat am Montagabend in einer Sondersitzung. Allerdings gehe man davon aus, dass die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod von Ney im Jahr 1968 ohnehin «erloschen» sei, begründete Bürgermeister Stephan Wanner (parteilos) am Dienstag den Beschluss. In einer Erklärung distanzierte sich der Gemeinderat von den nazistischen und antisemitischen Äußerungen Neys.
Posthum aberkannt wurde die Tutzinger Ehrenbürgerwürde dem früheren Münchner Gauleiter und Gründer des Konzentrationslagers Dachau, Adolf Wagner. «Im Vergleich zu Ney liegt hier ein unterschiedlicher Unrechtsgehalt vor», sagte Wanner. Wagner sei einer der Haupttäter des NS-Regimes gewesen, Ney nur eine «aktive Mitläuferin». Adolf Hitler war die Ehrenbürgerwürde in Tutzing schon vor einigen Jahren aberkannt worden.
Der Gemeinderat beschäftigte sich auch mit weiteren Formen des Gedenkens an Ney. Der Bürgermeister wollte erreichen, dass Neys Ehrengrab auf dem Tutzinger Friedhof nicht mehr auf Gemeindekosten gepflegt wird. Diesem Ansinnen folgte der Gemeinderat nicht. Auch Neys Büste an der Seeuferpromenade verbleibt, anders als von Wanner gewünscht, an ihrem jetzigen Ort. An der Skulptur soll jedoch eine Tafel angebracht werden, die auf die Nazi-Verstrickungen der Pianistin hinweist.
Zudem hatte Wanner vorgeschlagen, eine nach Ney benannte Straße umzubenennen. Der Gemeinderat lehnte dies ab. Auf einem Zusatzschild zu dem Straßenschild wird aber die Bezeichnung «Ehrenbürgerin von Tutzing» gestrichen. In Zukunft soll auf dem Schild nur noch das erklärende Wort «Pianistin» stehen.
Der Bürgermeister hatte bundesweit Aufsehen erregt, als er kurz nach seinem Amtsantritt im März 2008 ein Ney-Porträt im Rathaus abhängte. Er begründete seine Entscheidung damit, dass die Künstlerin eine überzeugte Hitler-Anhängerin und Antisemitin gewesen sei und heutigen Bürgern nicht zum Vorbild tauge. Darauf entbrannte im Ort eine heftige Diskussion über das Gedenken an Ney, in die sich auch die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, einschaltete.
Die Entscheidungen des Gemeinderats empfindet Wanner nach eigenen Angaben nicht als politische Niederlage: «Es ist mir gelungen, eine dringend nötige Diskussion anzustoßen und in Tutzing eine Erinnerungskultur zu begründen.» Bislang sei in der Gemeinde nur über die positiven Seiten Neys gesprochen worden, beispielsweise ihr soziales Engagement nach dem Krieg. Ihre Schattenseiten seien jedoch unter den Teppich gekehrt worden.
Ney galt in den 20er und 30er Jahren als bedeutende Pianistin. Die gebürtige Düsseldorferin lebte seit 1929 in Tutzing, wo sie 1968 auch starb. 1952 wurde sie zur Tutzinger Ehrenbürgerin ernannt. In der Nazizeit hatte sie aus ihrer Unterstützung für das NS-Regime nie ein Hehl gemacht. Sie wurde 1937 von Hitler zur Professorin ernannt und 1944 in die «Gottbegnadetenliste» aufgenommen. Ney hielt Reden an die Jugend, in der sie Beethoven und die «nordische Musik» im NS-Geist deutete. Außerdem polemisierte sie gegen zeitgenössische Musik.