Es fiele schwer, für das, was Klaus Bernbacher sein Leben lang getan hat und heute noch tut, eine einzige Berufsbezeichnung zu finden. Gewiss: Er hat viel dirigiert, dann war er Dirigent. Im selben Augenblick aber strahlte Radio Bremen, wo er jahrzehntelang an der Seite Hans Ottes und später alleinverantwortlich die Belange der Musik vertrat, ein Konzert mit Neuer Musik aus, gestaltet vom Musikredakteur Bernbacher. Er war von Beginn an am Aufbau der deutschen Sektion der „Internationalen Jeunnesses Musicales“ beteiligt und deren Bundesvorsitzender von 1963 bis 1983. Er war auch an anderer Stelle mehrfach Vorsitzender: in der Satzungskommission des Präsidiums des Deutschen Musikrates, im Hauptausschuss für die „Konzerte des Deutschen Musikrates“, später im Landesmusikrat Bremen.
Er war auch Gründer: Gemeinsam mit dem Freund Klaus Hashagen rief er 1958 die „Tage Neuer Musik Hannover“ ins Leben, die immerhin bis 1998 existierten. Auf Schloss Weikersheim, dem ständigen Sitz der deutschen „Jeunnesses Musicales“, richtete er 1965 einen ständigen Opernkurs ein, zu dessen Aufführungen in den Sommerwochen ein zahlreiches Publikum aus nah und fern herbeiströmt. Zum Politiker und Parlamentsabgeordneten avancierte er schließlich nach seiner offiziellen Pensionierung bei Radio Bremen in der Hansestadt. Für die „AFB – Arbeit für Bremen“ zog er in die Bremische Bürgerschaft (den Landtag) ein, war dort stellvertretender Sprecher der Deputation für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport, in gleicher Funktion im Ausschuss „Medienpolitik“ sowie im Ausschuss für Bundes-und Europaangelegenheiten. Besonders stolz ist Klaus Bernbacher darauf, dass sein Antrag, die „Kultur als Staatsziel“ in die Bremische Verfassung aufzunehmen, einstimmig angenommen wurde.
Dirigent, Musikredakteur, Vorsitzender, Gründer, Organisator und schließlich Politiker – das alles ist Bernbacher gewesen. Und doch beschreiben alle diese Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen nicht die Persönlichkeit Klaus Bernbachers. Vor dem in unseren Zeiten so geschätzten „Funktionär“ schützten Bernbacher Temperament, Engagement, kreative Fantasie. Seine Wutausbrüche waren (und sind?) gefürchtet und inzwischen sozusagen berühmt. Sie dienten aber in der Regel nur der Sache, um die es gerade ging. Er streitet gern, diskutiert leidenschaftlich, setzt sich rückhaltlos für alles ein, was er für wichtig erkannt hat. Seine Heftigkeit wird gemildert durch Humor, sanften Spott und durch die sinnliche Freude an guter Musik und noch besserem Wein. Und so könnte man nach einem halben Jahrhundert rastlosen Engagements für die Musik und das Musikleben doch noch die passende Berufsbezeichnung für Klaus Bernbacher finden. Er war und ist die Unruhe für das deutsche Musikleben der Jahre zwischen 1951 und nunmehr 2001: Prof. unruh. Klaus Bernbacher – den Professorentitel trägt er ohnehin schon.
Klaus Bernbacher und seine Mitstreiter in der Musik, zu denen sich in aller Bescheidenheit auch die neue musikzeitung gesellen möchte, haben für den Aufbau des deutschen Musiklebens nach dem Krieg große, in vielen Fällen sogar entscheidende Verdienste erworben. Die Leistung basierte primär auf der Erkenntnis, dass ohne eine gezielte, intensive Jugend-und Nachwuchsarbeit ein lebendiges Musikleben mittelfristig zum Untergang verurteilt ist.
„Jeunnesses Musicales“, die effektive, kontinuierliche Arbeit in Weikersheim, die „Tage Neuer Musik“ in Hannover mit ihrer wunderbaren Verbindung aus Neuer Musik und jungen Interpreten, die engagierte Arbeit im Deutschen Musikrat – das waren einige und entscheidende Impulse, die der drohenden Verkümmerung des deutschen Musiklebens entgegenarbeiteten. Bernbachers Fähigkeit, die berechtigten Ansprüche der Musik und ihrer Künstler auch politisch durchzusetzen, notfalls dadurch, dass man sich einfach in die entsprechenden Gremien hieinwählen ließ, dürfen als individuelle Begabung gewertet werden.
Für Bernbacher bilden Musik, Kunst, Gesellschaft und politische Organisation eine untrennbare Einheit. Er hat, oft mit Erfolg, es allen Beteiligten, vor allem der gern ignoranten Politik, gleichsam einzuhämmern versucht. Er weiß aber auch, dass zu einem florierenden Musikleben zugleich die ständige Erneuerung und Weiterentwicklung der schöpferischen Substanz gehört. In diesem Sinne hat er sich sein Leben lang, als Dirigent und Redakteur bei Radio Bremen, als Leiter der Hannoverschen „Tage Neuer Musik“, in den Konzerten des Musikrates und an anderen Orten für die Komponisten der Neuen Musik unermüdlich eingesetzt. Es klingt wie ein Märchen aus alten Tagen, wenn man hört, dass am Bremer Sender einmal die Möglichkeit bestand, in der Woche einhundertzwanzig Stunden „Klassik“ zu gestalten, von der Musik aus Renaissance und Barock bis zu den damaligen Avantgardisten. Und die Nordwestdeutsche Philharmonie, die bis 1961 von keinem geringeren als Hermann Scherchen geleitet wurde, hat Bernbacher als Nachfolger Scherchens rund sechshundert Mal dirigiert – das Orchester fungierte für den kleinsten Sender der Republik als Rundfunksinfonieorchester.
Für alles gebührt Klaus Bernbacher, nicht nur am Tag seines siebzigsten Geburtstages am 25. Januar 2001, der Dank aller, die wissen, wie wichtig Musik für den Seelenhaushalt des Menschen ist.