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Wir wollen nach vorne sehen

Untertitel
Ulrich Rademacher zu Jugend musiziert
Vorspann / Teaser

Die öffentliche Debatte, die seit Wochen über Jugend musiziert geführt wird, nimmt der Vorsitzende von Jugend musiziert zum Anlass für eine Stellungnahme und einen Ausblick in die Zukunft.

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Ja, die Jugend-musiziert-Familie hatte es nicht leicht miteinander. Wenn sich Begeisterung für neue Wege, Not um den Verlust von Werten, die Jumu stark, glaubwürdig und erfolgreich gemacht haben, wenn sich Ressourcen-Knappheit und das in unserer föderalen Verfassung ganz „normale“ Bund-Länder-Kompetenz-Gerangel mit der Sorge um Verlust von Bedeutungshoheit und Wirkungsmacht verbinden, sind Verletzungen und Blockaden vorprogrammiert.

So hatte sich bei denjenigen, die sich leidenschaftlich für Jugend musiziert engagieren, eine Gemütslage zusammengebraut, die – je nach Veranlagung der Handelnden – als explosiv, aggressiv oder auch ratlos und depressiv wahrgenommen werden konnte. Und eine Gemütslage, die – nach außen getragen – sowohl Teilnehmende, Lehrkräfte, Eltern als auch Förderer von Jugend musiziert extrem verunsichert hat.

Jetzt aber, auf der Zielgeraden zum Bundeswettbewerb, spüre ich Licht am Ende des Tunnels, und zwar ein Licht, das nicht von den Scheinwerfern des entgegen kommenden Zuges stammt! Fehler, und zwar sowohl in der Kommunikation als auch im Handwerk werden eingeräumt, Bitten um Entschuldigung werden kommuniziert.

Ein Stimmungswandel deutet sich an im Sinne von: 

Es ist genug! 
Wir wollen nach vorne sehen.Wuppertal wird wunderbar!

Halten wir also für möglich, dass sich – auch spät – etwas bewegt, dass sich Verhärtungen lösen, dass sich Einsichten durchsetzen.

Wir alle wissen um den Wert und die Energie des Ehrenamtes, gerade bei den vielen Akteuren in den Regionen, auch um den Wert und die Energie der Lehrkräfte, die oft weit über die tariflich vereinbarte Zeit hinaus mit Extra-Unterricht und Extra-Proben in die Wettbewerbsvorbereitung investieren, um den Wert künstlerischer und pädagogischer Expertise in den Beiräten, um die Professionalität, den Überblick und die Service-Orientierung in Projektleitung und Team.

Wir – und das sind in diesem Falle Regionen, Länder, der DMR mit e.V. und gGmbH, die Beiräte und Projektleitungen – haben neue Werkzeuge entwickelt, die dem immensen Beratungs-,­ Beteiligungs-, und Entscheidungs-Bedarf endlich gerecht werden können. Diese Werkzeuge werden uns weiterbringen, wenn wir sie klug nutzen. Eine neue „Länderkonferenz“ soll in engem Kontakt mit den Regionen die Erfahrungen, Kompetenzen und Anliegen der Bundesländer bündeln und für die Landesebene verbindlich regeln. Darüber hinaus sollen dort Vorschläge entwickelt werden, die alle drei Wettbewerbsebenen betreffen. Die neue „Bund-Länder-Konferenz“ wird das Entscheidungsgremium für alle drei Ebenen von Jumu sein. Über den dort vollständig vertretenen Projektbeirat, der alleine für den Bundeswettbewerb Verantwortung trägt, fließt hier auch die Kompetenz der für Jumu so bedeutenden Netzwerke wie VdM, DTKV, BMU, Jeunesses Musicales und BMCO mit ein.

Bremsen oder loslösen

Wir müssen uns jetzt entscheiden, ob wir unsere auf den ersten Blick kompliziert erscheinende föderale Struktur als Bremse wahrnehmen, als Bremse beklagen und damit zur Bremse machen, oder ob wir die Vielfalt der Geschwindigkeiten in den Bundesländern beim Loslösen von Überkommenem und Verbrauchtem oder beim Ausprobieren von Neuem und Vielversprechendem als Chance nutzen, Jumu als lernendes System zu gestalten. Die aus dem Geist der Zentralkonferenz 2022 entstandenen Arbeitsgruppen können dabei helfen.

Jumu baut auf die Regionen mit ihren Möglichkeiten, Musikfeste zu veranstalten, die die musizierende Jugend vor Ort feiern, die das vielfältige, pralle Musikleben vor Ort erlebbar machen, Musikfeste, die motivieren, dabei zu sein, die eigene Leidenschaft zu teilen, den eigenen Standort zu erkennen, nicht nur um „weiterzukommen“.

Die Landeswettbewerbe zeigen uns, was eine engagierte und gezielte Landesförderung bewirken kann, sie ermöglichen es den Besten der Regionen, erstmals über den Tellerrand ihres vertrauten Umfeldes hinauszuschauen und die eigene Leistung besser einschätzen zu können. Hier gibt es durch Meisterkurse, die Möglichkeit zur Mitwirkung in Landesensembles, den Kontakt zu den Hochschulen des Landes, die Möglichkeit zur Anerkennung einer „besonderen Lernleistung“ durch die allgemeinbildende Schule und weitere Förderinstrumente wichtige Wegweisungen und Hilfestellungen.

Hörfenster der Exzellenz

Der Bundeswettbewerb wird jedes Jahr zum nationalen Schau- und Hörfenster der Exzellenz und der Vielfalt unseres musikalischen Nachwuchses. Die Attraktivität der Beratungsgespräche, Workshops, Open Stages und sonstigen Informations- und Begegnungsmöglichkeiten kann und soll dazu verführen, die Verweildauer beim Wettbewerb so weit wie möglich auszudehnen und sich dann vollgetankt mit neuer Kraft und Motivation, mit neuen Ideen, vielleicht auch neuen Freundschaften wieder in den Alltag zu begeben – oder in die Vorbereitung auf den nächsten Wettbewerb.

Wuppertal bietet dazu einen perfekten Rahmen. Ich möchte jetzt nicht mit Superlativen um mich werfen, um hier Gründe für Vorfreude und Stolz zu liefern. Aber so ein perfektes Netzwerk von Regionalausschuss Jumu, Bergischer Musikschule, Kommunal- und Landespolitik, Sparkasse, lokalen Stiftungen und privaten Förderern habe ich bisher sehr selten erlebt. Gut, dass der netzwerkknüpfende Leiter der Bergischen Musikschule, Raphael Amend, kurz vor seinem Abschied nach Bonn als Obernetzwerker des Verbandes Deutscher Musikschulen noch sein Meisterstück hingelegt hat!

Hier wird eine bis in die Haarspitzen motivierte Gastgeberstadt alles aufbieten was sie zu bieten hat! Und die Teilnehmenden, das sind nicht nur die Kinder und Jugendlichen, dazu gehören auch Eltern, Lehrkräfte, mitreisende Fans, Preis-Stiftende. Nicht zu vergessen die über 120 Jurorinnen und Juroren: junge und alte, aktiv Musizierende, deren zu Hause das Podium ist, Lehrkräfte, freie, und solche von Musikschulen und Musikhochschulen, aus allen Teilen der Republik und den deutschen Schulen in Europa und am östlichen Mittelmeer. Ich bin mir sicher, dass der Bundeswettbewerb der Stadt eine ganz besondere Würze, einen ganz besonderen Zauber verleihen wird. Lassen wir uns davon anstecken!

  • Prof. Ulrich Rademacher ist Vorsitzender des Projektbeirates und der Gesamtjury von Jugend musiziert

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