Von Petitionen und musikalischen Jugend-Treffen.
Vor 100 Jahren
... resumiert Maria Leo (Berlin) die mangelnde Ausbildung der Musiklehrer. „Unter den Berufs-Musiklehrern finden wir noch heute vorwiegend zwei typische Erscheinungen: den Künstler, dessen Ausbildung auf die Künstlerlaufbahn zugeschnitten ist. Die anderen haben nie an eine Künstlerlaufbahn gedacht, wählten das Musiklehrfach, vielleicht aus Liebe zur Musik, als Broterwerb. Aber auch sie erhalten in den meisten Fällen keine pädagogische, sondern eine virtuose Ausbildung … Schließlich haben sich die Musiklehrer zusammengeschlossen, um dem musikalischen Lehrstand aus seinen Nöten zu helfen“ – es entstand der Verband der deutschen Musiklehrerinnen. „Es war kein Zufall, dass die Anregung von pädagogischer Seite aus erfolgte“, doch deren erste Petition schon 1902 an den preußischen Kultusminister um Einführung einer staatlichen Musiklehrerprüfung blieb erfolglos.
Wegen der „Anstellung von Fachlehrerinnen zur Erteilung des Gesangsunterrichtes in Mädchenschulen sowie des Musikunterrichts in Lehrerinnenseminaren ging eine erneuerte Petition an das preußische Kultusministerium … Der Ministerialerlass vom 18.08.1908, der die Reform der höheren Mädchenschulen in Preußen regelte, habe alle Wünsche erfüllt. Mit dem Grundsatz: ‚Der Gesangunterricht der Schule hat den Grundstein für die allgemeine musikalische Erziehung zu legen‘ sei dieses bisher so stiefmütterlich behandelte Fach aus seiner untergeordneten Stellung emporgehoben worden.“
Neue Musik-Zeitung, Heft 1, 1909/1910, Seite 7ff.
Vor 50 Jahren
... berichtet Chefredakteur Ludwig Wismeyer von den deutsch-französischen Freundschaftstagen in Colmar und Strassburg unter der Schirmherrschaft von Staatspräsident Robert Schumann und Bundeskanzler Konrad Adenauer: am Mikrophon die 85-jährige Marguerite Long, vom Jubel der Jugend aus Frankreich und Deutschland begrüßt, „Ich bin glücklich, wenn die Jugend durch das Klavier den Kontakt zur Musik findet“, dann musizieren je drei Pianisten beider Länder, ausgewählt in Jugendwettbewerben. Zwei Tage saßen die Delegierten beider Länder gegenüber und fanden in direktem Gespräch in vielen offen gestellten und ebenso beantworteten Fragen den freundschaftlichen Kontakt, deutscherseits unter anderem MJD-Präsident Fritz Büchtger, Klaus Bernbacher, Ludwig Wismeyer, Eckart Rohlfs gegenüber dem JM de France-Präsidenten René Nicoly, JMF-Redakteur Jacques Lonchampt und JMF-Tournee-Organisator Lavigne. Sie erläutern die nationale Organisation: MJD föderalistisch aufgebaut, JMF dagegen zentralistisch.
Hier Eigenleben der Gruppen, dort Durchorganisation nach den Direktiven der Pariser Zentrale. Verschiedene Voraussetzungen: in deutschen Schulen Musik als Fach viel mehr gepflegt als in Frankreich, weshalb die JM in gewissem Sinn die Funktion des Musikunterrichts übernommen hat. Verschiedene Arbeitsstrukturen: In Frankreich ein außerordentlich reiches Konzertprogramm bis in die letzte Stadt, ausgezeichnet durch sogenannte Kommentare. Deutschlands Gewicht liegt auf aktivem Musizieren. Beide Seiten könnten voneinander profitieren. Fazit: Austausch soll gefördert werden, sowohl von Künstlern wie von Mitarbeitern, die die jeweilige Organisation und Strukturen studieren, Tournee begleiten und davon lernen können, und JM-Delegierte werden gegenseitig Gäste sein bei künftigen JM-Veranstaltungen.
VIII. Jahrgang, Nr. 4, 8/9-1959, Seite 4