Chopin-Heft, eine moderne Musikhochschule und Albert Schweitzer
Vor 100 Jahren
Im Chopin-Heft würdigt Raoul von Koczalski Chopin als „unstreitig zu den größten Genies“ gehörig, der „bei Lebzeiten nur von einem gewissen Teil der Geistesaristokratie voll verstanden wurde. Nach seinem Tode wuchs aber seine Beliebtheit mit jedem Tage und hat heute einen bedeutenden Höhepunkt erreicht, denn es gibt kaum eine Familie, die ein Klavier besitzt und die nicht zugleich ein ‚Heft Chopin’ aufzuweisen hätte.“ Seine Musik sei so ehrlich, so wahr, so tiefempfunden, dass sie jedem zu Herzen dringen müsse, man finde in seinen Werken keine Melodie, die nicht edel, groß und unsagbar schön, keine Harmonie, die nicht neu und interessant wäre ... Chopin sei der „erste moderne musikalische Impressionist und Stimmungskünstler, unmittelbarer Vorläufer der chromatisch-enharmonischen ‚Tristan-Technik‘ (Breithaupt)“ und (nach Spanuth) ließe sich vielleicht nachweisen, „Wagner sei von Chopin’schen Modulationen innerlich nicht unbeeinflusst geblieben“.
Neue Musik-Zeitung, 31. Jahrgang 1909/1910 Heft 10, Seite 203
Vor 50 Jahren
... kommentiert Helmut Kirchmeyer die scharfen Auseinandersetzungen und die harten Widerstände einer antimodernen Gruppe gegen die neuen künstlerischen Vorstellungen von Heinz Schröter als Nachfolger von Hans Mersmann im Direktorat der Kölner Musikhochschule. „Er brachte die Hochschule binnen weniger Wochen auf den allermodernsten Stand: Klassen und Seminare für Jazz, für Musikkritik, serielle Komposition, für Rundfunk-, Film- und Hörspielmusik, wissenschaftliche Vorlesungs- und Vortragsreihen, Berufungen weltberühmter Künstler, Wettbewerbe u.ä. sicherten ihr den Anschluss an internationale Ebene.“ Dann die „Zwistigkeiten zwischen antik und modern denkenden, zwischen den alten und neuberufenen Dozenten, während man allgemein wusste, welch enormen Zuspruch durch die Studentenschaft sich die Neueinrichtungen erfreuten“. Als Gegengewicht der musikwissenschaftliche Ordinarius Fellerer, „der den Studenten sehr eindringlich die Absurdität vorstellte, auf einer Musikhochschule des 20. Jahrhundert studieren und dabei die Musik der eigenen Zeit verneinen zu wollen“. Noch nie in der Musikgeschichte hätte moderner Geist durch Gewalt am Durchbruch verhindert werden können.
Den 85. Geburtstag des Urwald-Doktors Albert Schweitzer feiern Ursula von Kardorff und Hanns Ahrens, der ihn interviewte.IX. Jahrgang, Nr. 1/2-1960, Seite 1ff.