Alles über Friedrich Schiller vor 50 und vor 100 Jahren
Vor 100 Jahren
Schiller und Verdi im Blickfeld von Rudolf Krauss: Verknüpft seien die Geschicke Deutschlands und Italiens im 19. Jahrhundert gewesen, und hier wie da haben zu ihrer Erfüllung geniale Künstlerpersönlichkeiten als mächtige Erreger der patriotischen Leidenschaften nicht wenig beigetragen. In Deutschland habe die unverwüstliche Zugkraft eines toten Poeten, in Italien, der Heimat des Gesangs, wo die Massen von jeher noch leichter durch Musik als durch Verse zu begeistern waren, die alles überragende Popularität eines lebenden Tonmeisters wahre Wunder bewirkt. „Schiller und Verdi, beide rechte Kinder des Volkes, aus bescheidenen, fast ärmlichen kleinbürgerlichen Verhältnissen hervorgegangen, hatten in kriegerischen Zeiten das Licht der Welt erblickt, der eine während des Siebenjährigen Krieges, der andere in den Tagen, da Europas Völker das Joch der Napoleonischen Zwangsherrschaft abschüttelten. Beiden gelang es, nicht nur durch das angeborene Genie, sondern auch durch zähe Willenskraft emporzuringen.“
Neue Musik-Zeitung, 31. Jahrgang 1909/1010, Heft 5, Seite 99.f.
Vor 50 Jahren
Schillers „Schwieriges Verhältnis zur Musik“ klärt Rudolf Goldschmit auf: Nichts deutete darauf hin, dass „der große Dramatiker jemals in Mozart den Dramatiker erkannt hätte, der die Bühne mehr als irgendein anderer seit Shakespeare, mit liebenden und leidenden, mit bis heute lebendig gebliebenen Menschengeschöpfen beschenkt hat“. „Und Haydns
‚Schöpfung’ nannte er einen charakterlosen ‚Mischmasch’, an dem er wenig Freude hatte.“ Das beweise noch nicht, dass Schiller zur Musik überhaupt kein Verhältnis besessen hätte. „In Schillers Ästhetik spielt die Musik durchaus eine gewisse Rolle, keine zentrale, aber bemerkenswerter Weise doch eine gewichtigere als bei Kant, dem Schiller doch in vielen verpflichtet ist.“ Ein Menschengestalter von der dramatischen Kraft Verdis habe sich am Ende des Lebens nicht Schiller, sondern Shakespeare zugewandt und von den verschiedenen Schiller-Vertonungen sei eigentlich nur „Don Carlos“ den Shakespeare-Vertonungen ebenbürtig.
„Wer dürfte nach Beethovens Neunter oder Brahms’ Nänie noch zu behaupten wagen, dass zwischen Schillers dichterischer Welt und der Musik überhaupt keine Beziehung bestehe. Vielleicht sollte man doch mit ausschließendem Urteil wie ‚unmusikalisch’ oder ‚verständnislos’ etwas vorsichtiger umgehen. Denn es war ja auch ein Musiker, der Schiller ein seltsames Lob gespendet hat. Der alte Zelter, der Freund Goethes und Entdecker Bachs, hat es ausgesprochen: Niemand habe ‚tieferen Sinn für Musik’ gehabt als Schiller.“
VIII. Jahrgang, Nr. 5, 12-59/1-60, S.1ff