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Rückblende 2017/06 (Vor 100 und vor 50 Jahren)

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Operreform vor 100 Jahren, Bernd Alois Zimmermann über das Musiktheater der Zukunft
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Vor 100 Jahren: Notwendigkeit einer Opernreform: Denn die moderne Opernallerweltstechnik hat keinen Stil. +++ Vor 50 Jahren: Der Komponist Bernd Alois Zimmermann nennt seine 1965 in Köln uraufgeführte „Soldaten“ recht unproblematisch „Oper“, aber mit dem traditionellen Begriff der Oper hat sein Werk nicht sehr viel zu tun. Wie sieht er den Weg des Musiktheaters in der Zukunft, gibt er der Oper noch eine Chance?

Vor 100 Jahren

Notwendigkeit einer Opernreform: Denn die moderne Opernallerweltstechnik hat keinen Stil. Es werden viel zu viel Opern geschrieben, ein jeder, der ein Orchesterstück technisch glänzend gearbeitet hat, geht nun an die Oper, nicht bedenkend, dass die Operntechnik ursprüngliche Erfinder und Melodiker braucht und dass man dazu mehr oder weniger geboren sein muss.

Gründliches Umlernen tut not. Dazu müssen vorerst die Orchesterdramen mit Bühnen-Begleitung neuerer und neuerster Fechsung restlos verschwinden; es muss eine völlige und allgemeine Absage an diesen Stil stattfinden, der, trotz des Wagner der zweiten Periode, alle Anforderungen, die das Theater zwecks Wirkung zu machen berechtigt ist, auf den Kopf stellt, deren Erfüllung vereitelt. Die reichste Harmonik und Polyphonie, die virtuoseste Instrumentationskunst können deren verblendete Missachtung nicht ausgleichen, zu welchen Bedingungen gehören: ein dem Charakter des Dargestellten entsprechendes Zeitmaß im Spiel, möglichste Verständlichkeit der Darsteller, Gegensatzreichtum der einander folgenden Szenen und Akte in dramatischer und mithin auch musikalischer Hinsicht, wogegen von der Wagner-Nachfolge in ihrem Schaffen nicht hunderte, nein, tausende Male gesündigt wurde.

Neue Musik-Zeitung 1880–1928, S. 267 ff.   

Vor 50 Jahren

Der Komponist Bernd Alois Zimmermann nennt seine 1965 in Köln uraufgeführte „Soldaten“ recht unproblematisch „Oper“, aber mit dem traditionellen Begriff der Oper hat sein Werk nicht sehr viel zu tun. Wie sieht er den Weg des Musiktheaters in der Zukunft, gibt er der Oper noch eine Chance?

„Wenn ich von ‚Oper‘ spreche, so meine ich damit einen Sammelbegriff für alle Formen des Theatralischen überhaupt: Anders ausgedrückt: In diesem Begriff von Oper treffen sich Elemente der Schauspielbühne, des Tanzes, Films, Musicals, des Zirkus‘ und des Bewegungstheaters schlechthin mit dem, was man jenseits aller Differenzierungsmöglichkeiten der einzelnen Gattungen, ‚Musiktheater‘ nennt. Wenn ich also ‚Oper‘ sage, so ist damit etwas durchaus Altes und auch Neues gemeint. Die etwas missverständliche Bezeichnung „totales Theater“ halte ich nicht für exakt genug, um meine Absichten zu umreißen, und so scheint mir die Bezeichnung ‚Oper‘, eine von Anbeginn an absurde und anachronistische Form, wie immer wieder festgestellt wurde, doch die exakteste zu sein. Ich persönlich glaube, dass in dieser Form der Oper die einzig mögliche für die Zukunft zu sehen ist.

Und was das Experimentieren mit elektrotechnischen Medien betrifft, werden sich instrumentale und elektronische Musik zunehmend ergänzen, wird der Mensch in seiner Eigenschaft als Interpret eines Tages der Technik weichen müssen? Letzten Endes ist es immer der Mensch, der die Technik bestimmt. Und die Tatsache, dass etwa auf einem elektronischen Tonband Ereignisse, wie man glauben könnte, endgültig festgehalten sind, besagt doch nichts anderes, als dass Interpretation, wenn auch zu einem vorherigen Zeitpunkt, stattgefunden hat.“

Musikalische Jugend, 6. Jahrgang 1967, H. 2, S. 4

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