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Tod eines Bankers: Jan Novotny in der Görlitzer Uraufführung. Foto: Nikolai Schmidt
Tod eines Bankers: Jan Novotny in der Görlitzer Uraufführung. Foto: Nikolai Schmidt
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Banker, Banken, Buttercreme: „Tod eines Bankers“ – eine Opernuraufführung in Görlitz

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Ein Gespenst geht um in Europa. Es hat einen Namen: Finanzkrise. Es geht dabei um Unsummen. Es ist ein kriminelles Spiel, die Spieler bewegen sich im Teufelskreis, keiner weiß wie er da heraus kommt, nur eines ist klar: Am härtesten trifft es die Verlierer, die Armen – Buhmänner sind die Banker. Was aber geschieht, wenn so ein Buhmann auf eine Verliererin trifft, wie etwa die ehrliche, arbeitslose junge Frau mit Namen Dalilah, die einen Job nach dem anderen verliert, und jetzt auch ihre Großmutter, weil skrupellose Miethaie sie nicht nur aus ihrer Wohnung, sondern auch aus ihrem Leben vertrieben haben?

So die Ausgangssituation für die Oper „Tod eines Bankers“ mit einem Text von Fabian Scheidler und der Musik von Andreas Kersting, die am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz unter der musikalischen Leitung von Ulrich Kern, in der Regie von Klaus Arauner, uraufgeführt wurde.

Es geht ziemlich einfach zu in dieser Oper: Da sind die Armen, die Verlierer, und da sind die anderen, zunächst gesichts- und namenlos, die in den gläsernen Türmen sitzen, bei denen das Licht nicht ausgeht, die Engel in Grau, die den Takt der Zerstörung ausrechnen, wie es im Text heißt. Was dann geschieht, folgt dem Häkelmuster eines schlechten Fernsehkrimis.

Wir sind im Land „Ionien“ (natürlich ist Griechenland gemeint) und das ist pleite. In einer Geheimaktion wird beschlossen das Nationalheiligtum, den Tempelberg, also die Akropolis, an einen Prinzen zu verkaufen. Tiefgaragen, Shoppingcenter, Hotels und Vergnügen bringen mehr ein als Geschichte und Kultur. Abwickeln soll diesen Deal Dennis Lundt, Junjorbanker des Jahres, so dynamisch wie skrupellos. Immer bergauf geht es für den jungen, blonden Typ; die Taschen sind voller Geld, das Herz ist leer. Für einsame Stunden schenken ihm seine Kollegen eine vergoldete Gummifrau. Und Dalilah, wir erinnern uns, jobbt jetzt im Nobelrestaurant, wo sie – welch wunderbarer Zufall – den Banker erkennt. Sie überfällt ihn darauf mit gefüllter Wasserpistole und kommt so an die Akten über den geplanten Verkauf.

Alles fliegt auf. Das Volk steht auf, bzw. Schlange an den Banken (jetzt sind wir wohl schon in Zypern) und Dennis, der Banker, beginnt zu zweifeln. Aber die da oben, Prinz, Finanzminister und Bankdirektor, haben weder Zweifel noch Skrupel. Der Tempel wird verkauft und der Banker muss dran glauben, einen Judas haben sie auch schon unters Volk geschmuggelt. Sie inszenieren einen Anschlag (den „Tod eines Bankers“), die Schuldige steht fest: die mutige Frau aus dem Volk, Dalilah, die Lockige. Es trifft die Falschen, die Richtigen entschwinden auf einer Luxusyacht. Das klingt nicht nur rezeptverdächtig, das ist es auch. Der Text überzeugt weder dramatisch noch dramaturgisch, wirkt plakativ, am Ende nur noch agitatorisch. Das gute Anliegen versickert im schwarzen Kanal.

Der Komponist Andreas Kersting hat in Dresden bei Rainer Lischka und Wilfried Krätzschmar studiert. Seine Musik beginnt mit aufschreienden Klangkaskaden, ein beeindruckendes Vorspiel. Um die Situationen zu charakterisieren, bedient er sich der Mikrotonalität. Das ist nach eigener Auskunft  „deformierte“ Harmonik, und in der Tat, der filmerfahrene Komponist breitet Klangflächen aus, die alles andere als Sicherheit vermitteln. Geräusche, deren Herkunft nicht immer genau zu orten ist, verschwimmen. Mehr und mehr wird das musikalische Fundament brüchig, der Gesang muss sich immer wieder zurecht finden, die Sänger müssen sich regelrecht einfädeln und sich von Bruchstück zu Bruchstück sprunghaft retten, weil ein Stück sicheres Terrain nach dem anderen nicht mehr trägt. Interessant sind dann immer wieder die Kontraste mit kichernden Passagen des Saxophons, oder ungewöhnliche, sehnsuchtsvolle Klänge einer Gitarre. Aber ein richtiger Spannungsbogen fehlt am Ende, es ist alles so vorhersehbar, so sehr, sehr gut gemeint.

Das Görlitzer Musiktheater hat sich mit seiner Risikobereitschaft, neuen und unbekannten Werken eine Chance zu geben, einen Namen gemacht. Und was die Realisierung des aktuellen, neuen Werkes angeht – szenisch, musikalisch, gesanglich –, da gilt es uneingeschränkte gute Nachrichten aus Görlitz zu vermelden. Hier setzen sich alle mit voller Kraft ein. Ulrich Kern am Pult der Neuen Lausitzer Philharmonie leistet beste Arbeit, er muss auch als Klangregisseur fungieren, zumal es am Premierenabend mit den elektronischen Hilfsmitteln nicht so ganz klappt.

Britta Bremer hat eine rasch veränderbare Bühne für die elf Szenen gebaut, filmschnittartig, mit angemessenem Einsatz von Videotechnik, läuft die von Klaus Arauner inszenierte Geschichte ab. Für Überhöhungen, symbolische Kommentierungen oder stumme Szenen stehen der von Manuel Pujol einstudierte Chor und die tolle Tanzcompany des Theaters mit den Choreografien von Dan Pelleg und Marko E. Weigert zur Verfügung.

Ein ausgezeichnetes Sängerensemble überzeugt in allen Partien. Da sind – als Beispiele für den engagierten Einsatz des Ensembles für ein neues Werk – die Sopranistin Yvonne Reich mit lyrisch verletzlichem, aber auch dramatisch bestimmtem Anspruch als Dalilah oder der Tenor Jan Novotny als Banker: Er hat keine Probleme mit der mörderisch hohen Partie, macht aber auch die Verzweiflung, die Aussichtslosigkeit glaubhaft. als er im Rinnstein landet.

Die Diskussionen werden nicht ausbleiben. Vielleicht auch darüber, dass ausgerechnet ein Vertreter eines bekannten Bankenkonzerns, der vor einigen Wochen bekannt gab, 6.000 Stellen zu streichen und Arbeitsbereiche in den Billiglohnsektor zu verlegen, zum „Tod eines Bankers“ mit Buttercremetorte und Feuerwerk auf Sparflamme gratulierte.

Nächste Aufführungen: 12., 17., 21., 26. 04.; 4., 17.05.

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