Ob es wirklich nur die stagnierenden oder fallenden Immobilenpreise in den Vereinigten Staaten waren, die die globale Finanzkrise ausgelöst haben, wissen selbst die Fachleute nicht sicher. Sicher ist nur, dass sich die Verluste nur für das Finanzsystem nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds auf 1,3 Billionen US-Dollar (1.300.000.000.000) belaufen. Ein paar Milliarden mehr oder weniger fallen da nicht mehr stark ins Gewicht.
Und Deutschland wird eine kräftige Scheibe des Verlustkuchens abgeschnitten bekommen. Die Verluste werden zu einem bislang nicht für denkbar gehaltenen Teil sozialisiert. Der Staat steckt Geld in private Unternehmen (Banken, Automobilfirmen), um den drohenden Kollaps zu verhindern oder bürgt für Risiken, die sich aus der Finanz- und Wirtschaftskrise für private Unternehmen bilden. Ob das sinnvoll ist oder nicht, wissen die Fachleute auch hier nicht sicher. Fakt ist, dass die Regierungen weltweit diesen Weg der Stützung der Wirtschaft gehen und auch Deutschland beteiligt sich daran. Für 2009 steht wieder deutliches Schuldenmachen auf dem Programm, ein ausgeglichener Haushalt ist in weite Ferne gerückt. Wegen der Finanzkrise wird das Kernziel der Großen Koalition hinfällig, wie Finanzminister Steinbrück nun selbst einräumt. Doch immer neue Schulden machen wird nicht gehen, die Idee des ausgeglichenen Haushaltes ohne Neuverschuldung bis 2011 war ja keine Schnapsidee, sondern eine dringende Notwendigkeit, um in der Zukunft politisch handlungsfähig bleiben zu können und um die folgenden Generationen nicht für unsere Verschwendungssucht büßen zu lassen.
Das Ziel einen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung zu erreichen, wird spätestens nach der Bundestagswahl im September 2009 von der zukünftigen Regierungskoalition, wer die auch immer bilden wird, wieder angestrebt werden müssen. Im Bundestagswahlkampf wird man dem Wahlvolk die brutale Wahrheit noch verheimlichen. Spätestens nach der Regierungsbildung wird das böse Erwachen aber kommen. Die Unterstützungen für die Banken, Automobilfirmen und die Stimulierung der Kauflaune der Konsumenten durch vielerlei kostspielige Maßnahmen wird uns allen in Euro und Cent in Rechnung gestellt werden.
Der Staat wird sparen, bis es knackt! Und er wird besonders dort sparen, wo er nicht durch gesetzliche Verpflichtungen zu einer Zahlung gezwungen wird. Die Kulturfinanzierung ist eines dieser Felder, die, weil ja nur eine sogenannte „freiwillige Leistung“, sich geradezu als Sparschein anbietet. Meine Prognose für das Jahr 2010 sind globale Minderausgaben für den Bundeshaushalt in einen zweistelligen Prozentsatz, die selbstverständlich auch den Haushalt des Kulturstaatsministers und den Kulturhaushalt des Auswärtigen Amtes betreffen werden. In den Ländern und Kommunen, die selbst in den Zeiten des Wirtschaftsaufschwunges bei der Kultur, im Gegensatz zum Bund, kontinuierlich gespart haben, wird der Einschnitt nochmals deutlich brutaler ausfallen.
Zusätzlich befürchte ich darüber hinaus deutliche Sonderopfer bei der mittelbaren Bundeskulturförderung, um den Bundeshaushalt zu stabilisieren. Hier werden wir uns darauf einstellen müssen, dass der Finanzminister der neuen im Herbst gewählten Bundesregierung, welchen politischen Lagers er auch immer angehört, eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes und möglicherweise sogar die Streichung für bestimmte Kulturprodukte fordern wird. Auch wird der Bundeszuschuss zur Künstlersozialversicherungen wieder ein Thema werden.
Nicht die private Kulturfinanzierung sollte uns in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise zuerst Sorgen machen, sondern der Zustand der öffentlichen Kassen. Kultursponsoring spielt in Deutschland traditionell keine sehr bedeutende Rolle bei der Kulturfinanzierung. Die öffentliche Finanzierung ist dagegen für den gesamten Kulturbereich in Deutschland überlebenswichtig.
Bis zur Bundestagswahl haben wir nur noch wenige Monate Zeit, die Voraussetzungen zu schaffen, dass das „Böse Erwachen“ nicht zu schlimm ausfallen wird. Die Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine des Deutschen Kulturrates zur Bundestagswahl werden dabei von großer Bedeutung sein.
Auch war das „Staatsziel Kultur“ im Grundgesetz nie so wichtig wie gerade jetzt. Der Satz „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ im Grundgesetz wird bei Ermessensentscheidungen, wenn es darum geht, abzuwägen wie ein Kulturhaushalt einer Kommune, eines Landes oder des Bundes aufgestellt wird, eine Rolle spielen können.
Die 224 Bundeskulturverbände, die sich in den acht Sektionen dem Deutschen Kulturrat angeschlossen haben, müssen sich bei diesem aufziehenden Sturm noch fester als sonst zusammenarbeiten und sich untereinander, über Sektionsgrenzen hinaus, unterstützen um Schaden von der Kultur abwenden zu können.
Der Verfasser ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates