Hauptbild
Selbstinszenierung mit Style: Grace Jones in Düsseldorf. Foto: Stefan Pieper
Selbstinszenierung mit Style: Grace Jones in Düsseldorf. Foto: Stefan Pieper
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Charmant durch den Hurricane: Grace Jones in der Düsseldorfer Philipshalle

Publikationsdatum
Body

Das Monster ist zurück, und zeigt sich in der Düsseldorfer Philipshalle sogar ausnehmend charmant. Zuweilen versetzt sogar eine Windmaschine die Gewänder von Grace Jones in dramatische Wallungen. Ihr neues Comeback-Album heißt schließlich auch Hurricane. Doch zuvor kam sie erst mal auf einem hydraulischen Hebepodest zum Vorschein. Ist Grace Jones eine unnahbare Mensch-Maschine?

Die 1949 in Jamaika geborene Sängerin transportiert auf eigenwillige Weise so viele Mythen: verführerische Pop-Ikone der 80er, androgyne Kunstfigur, Bond-Girl, Luxus-Model. Wenn sie während der letzten 20 Jahre mal auftrat, dann soll dies auf Privatpartys von Luis Vuitton und anderen Mode-Größen gewesen sein, heißt es. Umso erstaunlicher, dass die mittlerweile 60jährige nun ein großes, öffentliches Comeback zelebriert.

Man sagt, die Diva ist etwas menschenscheu. Doch schnell ist das Eis vor den 1800 Zuschauerinnen und Zuschauern in der Philipshalle gebrochen. Von denen tragen viele durchaus extravagantes Outfit – man weiß, dem Anlass Rechnung zu tragen. Viel Schwulenszene ist vertreten - Grace Jones wurde oft als „androgyn“ betitelt und nicht zufällig zur Symbolfigur in frühen Gender-Diskursen auserkoren.

„This is my voice“ – mächtig und von tiefem Selbstbewusstein strotzend lässt ihre phrasierungsstarke Stimme die Halle erbeben. Stark sind die Songs ihres neues Albums und phasenweise betont zeitkritisch. Man hätte in Düsseldorf noch einige mehr davon gewünscht. Stattdessen setzt die Dramaturgie auf eine Mischung von neuen und alten Stücken, das macht klar, wie zeitlos dieser Stoff ist – ja, das Zeit, überhaupt gar nicht existiert. Düster-glamouröse Bass-Attacken scheinen sehr aktuell das Endstadium des Turbokapitalismus niederwalzen zu wollen. Agile Reggae-Grooves sorgen für hedonistisches Party-Feeling, das hier und jetzt oder damals oder auch noch morgen bestens funktioniert. Mit so etwas huldigt die erfrischend dynamische Band ausgiebig den jamaikanischen Wurzeln ihrer Frontfrau. Später wird Astor Piazollas Libertango in ein intelligentes Pop-Arramengent eingebaut.

Als unter ihr eine Drehscheibe rotiert, klammert sie sich an einer Stange fest und hält ein Weinglas hoch - „La vie en rose“ von Edith Piaf haucht sie ins Mikro. In jedem Menschen wohnt das Monster. Bei „The Devil in my Life“ züngelt Grace Jones wie eine gefährliche Schlage. Überhaupt entfacht sie ständig ein loderndes Minenspiel. Ihr immenses Arsenal von Kopfbedeckungen umfasst Federornate, Zylinder und einen römischen Hut, der im opulenten Lasergewitter als prächtige Discokugel funktioniert. Beim 80er-Knaller „Pull up the Bumper“ holt sie ihr Publikum auf die Bühne, umarmt sogar später einzelne Zuschauer. Zum „Slave to the Rhythm“ wird, wer wie sie, ihre Muskeln geschmeidig spielen lässt, um einen Hula-Hoop Reifen auf Touren zu bringen.

Die Selbstinszenierungen von Grace Jones haben immer noch unglaulich Style. Ein großer Abend!

CD-Tipp:
Grace Jones : Hurricane
(Wall of Sounds Records 2008)

 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!