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Natürlich kümmert sich der BDZ, der Bund Deutscher Zupfmusiker, nicht nur um die Instrumente, sondern auch um die Musiker und Ihre Bedürfnisse. © Steffen Trekel

Natürlich kümmert sich der BDZ, der Bund Deutscher Zupfmusiker, nicht nur um die Instrumente, sondern auch um die Musiker und Ihre Bedürfnisse. © Steffen Trekel

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Das Jahr der Mandoline in der nmz (Teil 9): Der Bund Deutscher Zupfmusiker und das Bundesjugendzupforchester

Vorspann / Teaser

Musik ist in erster Linie ein klingendes Phänomen, ausgeführt von Menschen mit ihren Instrumenten, die sie oft über viele Jahre lang gelernt und mit ihnen viele Stunden geübt haben. Musik ist aber auch ein gesellschaftliches Phänomen, etwas, das den Menschen in besonderer Weise prägt. Musik beeinflusst die Lebensqualität, ist Leben. Um diese Musik an die Menschen und zu den Menschen zu bringen, braucht es Strukturen und Menschen, die neben ihren ästhetischen Ideen, die sie tragen, auch ganz knallhart Manager, Politiker und Lobbyisten sind. Die Mandoline, das Instrument des Jahres, ist ein eher selten vorkommendes und unbekannteres Instrument. Deshalb braucht und hat sie einen besonders schlagkräftigen und einfallsreichen Bundesverband.

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    „Toll, die zahlen unsere GEMA-Gebühren!“ So könnte ein Vorstand eines Mandolinenorchesters gegenüber seinen Mitgliedern argumentieren, wenn es um die Frage geht, ob man denn im „Bund Deutscher Zupfmusiker“ (BDZ) Mitglied werden wolle. – Vereinsarbeit ist in diesen Zeiten ohnehin ein nicht mehr so beliebtes Ding; der Nachwuchs fehlt allerorten, Ämter und Posten sind verwaist oder werden von wenigen mitverwaltet. Und dann soll man noch an irgendwelche Bundesverbände Beiträge bezahlen. Spätestens beim Geld hört ja bekanntlich die Freundschaft auf.

    Sicher zahlt der BDZ GEMA-Gebühren (genaueres kann man dort erfragen), aber der BDZ-Präsident, Thomas Kronenberger, sieht die Aufgaben seines Verbandes sehr viel weiter gefächert und gesellschaftlich relevanter als nur irgendwie geartete Zuschüsse zu Konzerten zu verteilen. Kronenberger ist im Bankwesen zu Hause und hat dort Karriere gemacht. Mittlerweile ist er selbständig. Er beschreibt sich selbst als jemanden, der in einer Zeit groß geworden ist, in der es ganz normal war, dass man Stück für Stück ehrenamtliche Arbeit kennengelernt hat, in sie hineingewachsen ist und damit ganz selbstverständlich seinen persönlichen gesellschaftlichen Beitrag leistet. Gesellschaftlicher Beitrag aber ist mehr, als nur GEMA-Gebühren zu bezahlen.

    Der Bund Deutscher Zupfmusiker

    Im Interview beginnt Kronenberger zu reden, bevor man ihm eine Frage stellen kann. Er brennt für die Musik und die musikalische Erziehung. Nicht nur im Hinblick auf die Zupfmusiker beklagt er das Fehlen von Musik- und Instrumentallehrern. Er mag die „Freiheit der Lehre“ kann aber gleichzeitig nicht verstehen „warum nicht dafür ausgebildet wird, was wirklich gebraucht wird“. Natürlich freut er sich über die etwa 95% Amateure, die in seinem eigenen Landesverband Saar, die jungen und nachrückenden Zupfmusiker ausbilden. Diese hätten aber mit pädagogischen Ideen zumeist keine Berührung gehabt – und dieses Wissen sei im praktischen Unterricht nicht zu unterschätzen. Dafür hätten diese Lehrer aber ein hohes Begeisterungspotential für die Schüler, das die fehlenden pädagogischen Kenntnisse locker ausgleiche. Im Saarland, so berichtet er, bräuchte es dringend 20 bis 25 Gitarrenlehrer und 15 Honorarkräfte, die er sofort zu vermitteln wüsste.

    Ein besonderer Vorteil im Mandolinenwesen ist es sicher, dass seit den Anfängen in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Vereinen ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl gepflegt wurde, manche Vereine sich wie Familien oder aus und mit Familien zu dem entwickelten, was sie heute sind. Ein gutes Beispiel dafür, das für den ganzen Verband stehen kann, ist sicher die Familie Engelmann in Empelde, über die wir hier im Juli berichtet haben. Vieles ist in den Vereinen möglich gemacht worden, Unterricht unter erschwerten Bedingungen und oft mit viel zu wenigen Lehrern.

    Kronenberger aber schaut über den Tellerrand seiner Zupfinstrumente hinaus. Er denkt an die zwei Corona-Jahre und an die Katastrophe, dass zwei ganze Jahrgänge Kinder und Heranwachsender nicht „musikalisiert“ worden sind. Das dadurch entstehende Loch in den Chören und Orchestern und natürlich auch in der Hausmusik werde erst in ein paar Jahren wirklich in seinem ganzen Ausmaß offenbar werden. Die Folgen aber werden wir für lange Zeit mitschleppen müssen. So ist Kronenberger natürlich in erster Linie als Verbandspräsident für seine Mitglieder und ihre Zupfinstrumente unterwegs, aber er sieht immer das große Ganze, die Musik, das Musikleben und die Menschen, aktive Musiker wie aktive Zuhörer.

    Ja, der BDZ zahlt GEMA-Gebühren. Seine Hauptaufgabe sieht er aber in der Pflege und dem Erhalt der Zupfmusik. Er will Menschen (Musiker) verbinden, in Netzwerken zusammenschließen, sie in musikalischen, pädagogischen und (gesellschafts-)politischen Fragen aus- und fortbilden, ihnen notwendige Informationen und Gelder zur Verfügung stellen – letztlich für ihr Fortkommen seine gebündelte Kraft einsetzen. Letztlich? Nein, letztlich will Kronenberger Menschen an die Zupfinstrumente und die Kraft der Musik binden, er will aus ihnen Persönlichkeiten machen, die gestärkt durch die Musik den Ansprüchen, die an sie in ihrer Umwelt gestellt werden, mutig begegnen können. Dabei hat er durchaus auch einen Blick auf Fragestellungen, an die man vielleicht im ersten Moment nicht sofort denkt: viele Alterskrankheiten und ihre Folgen bis hin zu Gicht, Parkinson, der nachlassenden Sehkraft und Demenz können mit Musik gelindert und gemildert werden.

    Nein, Kronenberger hat nicht für alles Patentrezepte. Er sucht und forscht (nicht wissenschaftlich, sondern mit dem gesunden Menschenverstand), wie er mit den veränderten Ansprüchen und den oft ganz anders gelagerten Themen der jungen Generationen umgehen kann. Er möchte Menschen für die Musik begeistern. Das ist schwierig; man sieht es daran, dass der BDZ von seinen 15.000 Mitgliedern in den letzten zehn Jahren etwa ein Drittel verloren hat. – So wie Kronenberger das Interview begonnen hat und gelegentlich Zwischenfragen zulässt, so scheint er zu sein: ungebrochen und ununterbrochen auf dem Weg für eine bessere Zukunft mit (Zupf-)Musik.

    Das Bundesjugendzupforchester

    Der BDZ muss aber gerade auch wegen der vielen sehr engagierten Mitglieder nicht alle Aufgaben allein stemmen – und so gibt es Initiativen, die ohne direkte Einflussnahme des Verbandes entstanden sind und existieren. Mit seinen Landesverbänden und Gruppierungen ist der BDZ auch vor Ort sehr aktiv. Ein sichtbares Zeichen dafür sind etwas die Landesjugendzupforchester, die Gitarrenorchester oder auch die Seniorenzupforchester. Einzig ein Bundesjugendzupforchester (BJZO) hat lange Zeit gefehlt. Kronenberger hatte einst versucht eines zu gründen – aber das Interesse bis zum Anmeldeschluss war nicht ausreichend. Das mag viele Gründe haben. Vielleicht war es nicht die Zeit dafür.

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      Das BJZO, das Bundesjugendzupforchester in der Wuppertaler Stadthalle. © Wolf Sondermann

      Das BJZO, das Bundesjugendzupforchester in der Wuppertaler Stadthalle. © Wolf Sondermann

      Text

      Vor fünf Jahren haben sich drei junge Mandolinistinnen, Laura Engelmann, Charlotte Kaiser und Clara Weise, zusammengetan und beschlossen, mit eigenen Mitteln und Ideen ein BJZO zu gründen. Die drei haben Mandoline in Wuppertal bzw. Saarbrücken studiert – man kannte sich dem Namen nach und vom Sehen; die Szene ist klein und die drei hatten sich durchaus als Preisträgerinnen nationaler und internationaler Wettbewerbe einen Namen gemacht, ebenso als Solistinnen und Dozentinnen in verschiedenen Landesjugendzupforchestern. Oft war man in Wettbewerben (etwa bei Jugend musiziert) gegeneinander angetreten. Am Rande des Schleswig-Holstein Musik Festivals traf man sich privat, stellte fest, dass man gut miteinander auskam und das „Gegeneinander“ gar nicht so sehr schätzte. Man wollte miteinander Musik machen. Was allen dreien fehlte, war ein gemeinsames Orchester, letztlich ein musikalischer Treffpunkt, auf Bundesebene – und so gründeten sie es. Dabei war man sich von vornherein auch mit dem BDZ einig, hier kein Konkurrenzunternehmen zu starten und sich gegebenenfalls auch gegenseitig zu unterstützen. „Charlie kann mich jederzeit anrufen, wenn sie etwas brauchen – und sie werden es nach Möglichkeit auch bekommen“, sagt Kronenberger über Charlotte Kaiser, die damals gerade ein Praktikum bei ihm absolvierte.

      Der Tonfall im BJZO war von Anfang an freundschaftlich und gemeinschaftlich. Der Grundstamm der 30 Spieler rekrutierte sich aus den persönlichen Umfeldern der drei Gründerinnen, zumeist waren es Mitstudenten – immer wieder fällt im Gespräch das Wort „familiär“. Aber es gab auch schon einige Mitspieler, die über Mundpropaganda aus einem weiteren Kreis zu dem gerade entstehenden Orchester dazustießen. Antonia aus München schreibt 2019 über ihre erste Begegnung: „Ich bin zur Probenphase gefahren, ohne jemanden gekannt zu haben. Nicht einmal die drei Organisatorinnen. Ich wollte mich einfach auf etwas Neues einlassen, auf die wirklich tolle Idee ein bundesweites Orchester zu gründen. Clara, Laura und Charlotte haben die Woche super organisiert, haben sich um alles gekümmert und haben dafür gesorgt, dass neben den anstrengenden aber effektiven Proben genug Zeit zur Erholung war.“

      Gleichaltrige treffen und ein ähnliches Niveau auf den Instrumenten haben – das war den Gründerinnen wichtig. Die Grundstruktur des Orchesters ist demokratisch angelegt. Gut, die Dirigentin und künstlerische Leiterin des BJZO, die Kirchenmusikerin Lisa Hummel, wurde vor der Probenphase von den Gründerinnen ausgesucht; das war für eine sinnvolle Arbeit notwendig. Nachträglich sind alle Seiten mit dieser Wahl sehr zufrieden und werden sie so bald auch sicher nicht wieder ziehen lassen. Alles andere aber wird nach Möglichkeit demokratisch geregelt. In den Einzelstimmproben ist für jedes Stück ein Musiker zuständig, der alles – wie etwa den Anschlag oder die Fingersätze – vorbereitet und dann weitervermittelt. Auch in der Hautprobe darf jeder seine musikalischen und künstlerischen Gedanken miteinbringen. Die letzte Entscheidung hat natürlich die Dirigentin – aber die sieht durchaus fruchtbare Ideen, die aus der Runde kommen und ist gern bereit, sich darauf auch einzustellen.

      Im ersten Jahr war alles fast noch ein wenig improvisiert und in großen Teilen von den teilnehmenden Musikern selbst finanziert, die Unterkunft, die Probenmöglichkeiten und die Abschlusskonzerte. Das Ergebnis aber war absolut überzeugend. Der Probenort war das Schloss Ascheberg am Plöner See, wo es am Montag mit einer Tutti-Crash-Probe losging: mal sehen was geht, was schon geht, was noch geprobt werde muss. Das hat sich auch in den folgenden Jahren als guter Beginn bewährt. Man probte Werke von Yasuo Kuwahara, Vincent Beer-Demander, Christofer Grafschmidt und Chris Acquavella, sowie Bearbeitungen von Wolfgang Amadeus Mozart, Manuel da Falla, Felix Mendelssohn Bartholdy und Pieter van Maldere. In der Freizeit wurden Lage und Ausstattung des Schlosses weidlich ausgenutzt. Höhepunkt war das Gründungskonzert am 16. August im Rathaussaal in Bad Segeberg

      Mittlerweile ist aus den ersten Schritten ein eingetragener Verein hervorgegangen. Vier weitere Probenphasen mit Konzerten haben stattgefunden – in diesem Jahr ist das fünfjährige Jubiläum in Dresden und Leipzig gefeiert worden. Auftragskompositionen sind vergeben worden – das Orchester ist schon ein wenig etabliert. Es wird weitergehen – keine Frage. Für die Gründerinnen, die sich aber im Orchester als Gleiche unter Gleichen präsentieren gibt es nur ein einziges Problem: das Orchester ist für junge Musiker zwischen 16 und 26 Jahren konzipiert. Sie selbst sind alle so ungefähr Mitte 20. Charlotte Kaiser formuliert das so: „Ich bin dankbar für diesen intimen Raum, den wir für uns alle geschaffen haben – von Anfang an mit viel Liebe. Bis zum 10. Jubiläum möchte ich schon noch aktiv dabei sein. Dann werde ich mit um unsere Vereinsarbeit des Orchesters kümmern und zusehen, dass es weitergeht.“

      Weitere Informationen:

      Neuigkeiten:

      • Bisher gab es weltweit nur eine einzige Professur für Mandoline: Caterina Lichtenberg an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal.
        Im WS 2023/24 wird es (zunächst nur für ein Semester) dort eine zweite Professorin geben. Annika Hinsche will sich dabei in diesem Semester fünf Schwerpunkten widmen: 1. Erschließung und Einstudierung des Repertoires der Verwandten und Vorgänger der Mandoline in der Renaissancezeit, 2. Erschließung und Einstudierung von originalem und bisher unbekanntem Repertoire des 19. und 20. Jahrhunderts, 3. Kammermusikalische Begegnung von Zupfinstrumenten verschiedener Kulturen wie der Baglama, die am Standort Wuppertal seit kurzem Fuß fasst, 4. Einstudierung und Aufführung von hochwertigem kammermusikalischen Repertoire der klassischen Moderne (u. a. Schönberg, Krenek) und 5. Einstudierung der Oper „The Amputation of Charly Sharp“ (2014) des Henze Schülers Stefan Hakenberg für Zupforchester, Sänger*innen und weitere Instrumente.

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