Hector Berlioz fühlte sich zeitlebens als missverstandener Heros der französischen Musik. Gleichzeitig war er in der Lage, seine mitunter desaströsen Erlebnisse im Pariser Konzert- und Opernleben mit beißender Selbstironie und sarkastischem Furor zu reflektieren. Seine geistreichen Memoiren geben davon seitenweise Zeugnis ab.
Grund genug offenbar für Regisseurin Laura Scozzi, auch seine Künstleroper „Benvenuto Cellini“ selbst da nicht ganz so ernst zu nehmen, wo Berlioz dies musikalisch tut. Weil Scozzi mit großem Gespür für die Umsetzung von Berlioz’ überbordender Partitur in Gesten und Gänge des Bühnenpersonals vorgeht (auch die Tänze hat sie choreografiert), lässt man sich den quirligen Klamauk, den sie entfaltet, gern gefallen. Das Versteckspiel der beiden Verehrer zu Beginn stellt sie munter auf den Kopf, indem Cellini seinen Rivalen Fieramosca eigenhändig in den Schrank sperrt; dessen Racheschwur begleitet sie mit einem vergnüglichen Fliegenpatschen-Tänzchen. Das Spiel im Spiel der berühmten Karnevalsszene wirbelt als Songcontest über die Bühne; der Chor (ausgezeichnet einstudiert von Edgar Hykel) verwandelt das unübersichtliche erste Finale mit tödlichem Ausgang zu einem Panoptikum schräger Vögel.
Der schrägste unter ihnen ist der große Benvenuto Cellini selbst. Scozzi legt ihn als Haare zurückwerfende Künstlerkarikatur an. Das ist mit Blick auf die Arien, die Berlioz ihm zugedacht hat, ein bisschen wenig, rettet den Abend aber andererseits vor der Lächerlichkeit, da Jean-Francis Monvoisin kaum mehr als eine Tenorkarikatur zuwege bringt. So ist man froh, wenn bei seinem großes Sehnsuchtslied im dritten Akt eine haschumflorte Alpenidylle aufs köstlichste von seinen Versuchen ablenkt, die eine oder andere Legatolinie zu bewältigen.
Deutlich besser schlägt sich das übrige Sängerpersonal, wenn es auch mit der Artikulation des Französischen ein wenig hapert. Vor allem Jordanka Milkova brilliert in der der Hosenrolle des Ascanio mit reichem, beweglichem Mezzo und Hrachuhí Bassénz als Teresa liefert in ihrer ersten Arie ein Kabinettstück in Sachen Koloraturen-Parodie ab. Guido Jentjens als Papst klingt nicht ganz so enzyklikalisch, wie Berlioz sich das vorgestellt haben mag, auch das korrespondiert aber bestens mit der absurden Szenerie aus Kunstwerken von der Nike de Samothrace bis Niki de Saint Phalle, die Cellinis Atelier als das eines findigen Plagiators ausweist. Am Ende landen die Kopien allesamt im Ofen, um doch noch das erlösende Meisterwerk schaffen zu können, in dessen Ruhm sich der Star des Kunstbetriebs sogleich sonnen darf – ein netter Seitenkommentar in Scozzis ansonsten vor intellektuellem Scharfsinn nicht unbedingt strotzender Inszenierung.
Die Nürnberger Philharmoniker unter Guido Johannes Rumstadt gaben sich historisch informiert, geizten mit Vibrato und waren reaktionsschnell bei der Sache. Herrlich schräg trötete die Ophicleide, in den Hörnern schien man es ihr mitunter gleich tun zu wollen, der Gesamtklang war aber immer wieder fein abgetönt und durchaus auf der Höhe des Instrumentationsgenies Berlioz.
Ob der neue Nürnberger Staatsintendant Peter Theiler diese seine erste Premiere als Erfolg verbuchen darf? In Sachen Unterhaltungswert sicher, solange aber – wie in dieser zweiten Vorstellung – das Haus halb leer bleibt, muss die Frage noch offen bleiben.
Weitere Vorstellungen: Samstag, 25.10.2008 19:30 Uhr, Samstag, 01.11.2008 19:00 Uhr, Dienstag, 04.11.2008 19:30 Uhr, Donnerstag, 13.11.2008 19:30 Uhr, Sonntag, 23.11.2008 19:00 Uhr