Die größte Herausforderung war der Text. Das erste Textbuch verschwand ganz schnell in der Schublade. Komponist Franz Hummel wollte eine neue Vorlage für seine Vertonung des Romans «Der Richter und sein Henker» von Friedrich Dürrenmatt (1921-1990), «weil sich Dürrenmatts Sprache jeder Musik widersetzt".
Den Auftrag für das neue Libretto übernahm Hummels Frau Sandra. Die studierte Mezzosopranistin weiß, dass sich manche Worte im Gesang verbieten. Sie sei bewusst von der Sprache Dürrenmatts weggegangen und habe das Libretto «aus der Psychologie des Romans destilliert». Am Samstag (9. November) wird die Oper im Theater Erfurt uraufgeführt.
Franz Hummel kokettiert, wenn er sagt: «Das Genre Oper ist für mich völlig uninteressant.» Seine wohl bekannteste Komposition ist das Musical «Ludwig II. - Sehnsucht nach dem Paradies», das im Jahr 2000 im eigens dafür errichteten Musical Theater Neuschwanstein uraufgeführt wurde. Im Auftrag des Theaters Erfurt komponierte er nun auf Basis von Dürrenmatts 1950 entstandenem Kriminalroman sein 16. Opus für eine große Bühne. Mit der Musik will er Dürrenmatts «unheimliche Raffinesse bei der Betrachtung bürgerlicher Verhältnisse» herausstellen, «den Zwiespalt der Figuren» deutlich
machen.
Die Musik beschreibt Hummel als eine collagenartige Verbindung von Stilen und Zitaten. Musikdramaturg Berthold Warnecke bescheinigt dem Komponisten, den Hörer mit seinen vertrauten Hörgewohnheiten abzuholen und mitzunehmen. Das Liedhafte ist vertreten, aber auch die freie Improvisation über eine Tango-Musik, gespielt von einer Band auf der Bühne.
Die Uraufführung der Oper «Der Richter und sein Henker» in Erfurt übernahm als Gast Rosamund Gilmore, die seit 1979 mit Hummel zusammenarbeitet und mehrere Werke von ihm herausgebracht hat. Die Regisseurin will das Bildhafte, das Poetische in der Inszenierung betonen. Die gelernte Tänzerin und Choreographin bescheinigt der Musik ein «großes Potenzial an Assoziationen, wo die Innenwelten der Figuren gezeichnet werden». Sechs Tänzer werden als sogenannte Schatten diese Innenwelten darstellen.
Das Theater Erfurt wird mit dieser Uraufführung bis an seine Grenzen gefordert, alle Sparten sind vertreten. Beteiligt sind das Philharmonische Orchester unter Leitung des Gastdirigenten Gerd Herklotz, der Opernchor des Theaters, zwölf Sänger und Schauspieler sowie die sechs Tänzer als Gäste. Mit der Entscheidung für die Tänzer will Generalintendant Guy Montavon auch ein öffentliches Zeichen setzen für den Neuaufbau einer Tanzcompagnie an seinem Haus, für die bisher das Geld fehlt.
Friedrich Dürrenmatt selbst tritt in seinem Kriminalroman in einer Nebenrolle auf, auch in der Opernfassung. Der Autor trinkt im Café einen Rotwein, schreibt und beobachtet das Treiben. Die Rolle spielt in Erfurt mit Olaf Müller ein bekannter Mime aus dem Schauspielensemble, das vor fünf Jahren abgeschafft wurde.
Franz Hummel. Foto: privat