Philippe Ochem machte einen zufriedenen Eindruck. Zum dritten Mal hatte er einen Ableger des Jazzdor-Festivals von seinem ursprünglichen Standort Straßburg nach Berlin exportiert und damit eine Plattform zur Präsentation französischer Musikprojekte geschaffen. „Wir sind einem unserer Ziele sogar noch ein Stückchen näher gekommen als früher“, meinte er im Gespräch, „denn rund ein Drittel der Bands sind in diesem Jahr deutsch-französische Kooperationen“.
Austausch als Konzept, das passte in das kulturpolitische Klima und fand im ehrwürdigen Kino Babylon unweit des Alexanderplatzes genügend Publikum, um über vier Abende hinweg den Saal leidlich zu füllen.
Musikalisch war das Spektrum groß. Da gab es gepflegt modern Jazzendes wie etwa mit der Saxofonistin Géraldine Laurent und ihrem Trio. Baptiste Trotignon stilisierte sich, ebenfalls im Trio, als neoromantisch schmachtender Technizist, Jean-Charles Richard zelebrierte ein bemerkenswert komplexes Solo-Programm mit Sopran- und Baritonsaxofon und Verweisen von Steve Lacy bis Olivier Messiaen.
Das Duo des Saxofonisten Daniel Erdmann mit dem Pianisten Francis Le Bras entwarf abstrakt wirkende, aber raffiniert in sich verzahnte Klangarchitekturen, Eric Watson und Christoph Lauer stellten sich mit eigens komponierter Jazz-Suite vor und die alten Recken wie Daniel Humair und Yves Robert glänzten - der eine mit dem Baby Boom II Quintett und dem wunderbar lärmendem Manu Codjia an der Gitarre, der andere im Trio unter anderem mit dem immer wieder betörend virtuosen Bruno Chevillon am Bass – mit bewährt postavantgardeskem musikalischem Flow.
Einer der Höhepunkte aber war ein Duo, das sich beim Jazzdor Strasbourg Berlin zum ersten Mal auf der Bühne präsentierte. Der Bariton-Saxofonist François Corneloup hatte Schlagzeuger Paul Lovens zum improvisierenden Stelldichein gebeten und dieser zeigt mit der für ihn charakteristischen höflichen Lakonik, dass er schlicht einer der souveränsten Drummer ist, den die freie Szene kennt. Letztlich hätte Lovens sogar allein spielen können, denn seine Ausdruckspalette, sein Reservoir an dynamischen, rhythmischen, strukturellen Impulsen war so berauschend, dass Kollege Corneloup trotz ebenfalls beachtlicher Geläufigkeit zuweilen neben dem Set stand und einfach nur zuhörte. Solche Begegnungen sind Perlen des Jazzalltags und schon allein deswegen kann man Philippe Ochem nur bestärken, mit ähnlicher Klasse sowohl in Straßburg wie in Berlin weiter zu machen.