Was sind wir Bürger doch für brave Schafe. Geduldig schauen wir zu, wie Banker unser Geld, wie Politiker unsere Steuern in hundertfacher Milliardenhöhe versenken, statt beispielsweise Deutschlands Bildungslandschaft gründlich aufzuforsten. Wir schütteln milde den Schädel, wenn Parteien für Klientel-Politik wohlfeile Spenden einheimsen und uns andererseits die Jeremiade von der Weltwirtschaftskrise als gottgegebener Natur-Katastrophe vorjaulen. Bald lassen wir uns auf dem Weg nach Malle bis ins Knochenmark scannen; staatlicherseits vom elektronischen Entgeld-Nachweis namens „Elena“ die letzte Hosentasche umdrehen. Großzügig liefern wir persönlichste Daten an Krankenkassen, an Rating-Agenturen und an Adolf Google, den neuen Welt-Beherrscher.
Wenn sich früher in Regimen der eine oder andere Totalitarismus breitmachte, übernahmen Kultur-Bewusste, Kultur-Schaffende immer wieder die Funktion der Gesellschafts-Metereologen, der Seismographen, oft genug mit fast prophetischer Gabe versehen. Heutzutage scheint der „Content“, die schöpferische Substanz von der Schlammlawine des platten Materialismus kilometerdick überlagert. Vom Diktat der Ökonomie in Lurex eingeschweißt prostituiert sich Kunst an der Tabledance-Stange.
Kritisch äugt das Kultur-Management, ob sich’s auch rentiert. Was ist vom Korrektiv, vom Potenzial zivilgesellschaftlicher Autonomie samt ihrer bürgerschaftlichen Kompetenz übriggeblieben? Im Fall des Deutschen Musikrates e.V. zum Beispiel eine Kehrichtschaufel voll fauler Kompromisse. Das Präsidium verabschiedete mehrheitlich einen Hofknicks vor dem geldgebenden Staatsministerium für Kultur, ohne Not aber mit bitteren Folgen. Künftig werden in der Projekt-gGmbH des Musikrates die stets profilierungsbedürftigen Politiker bei wichtigen Entscheidungen ein Vetorecht haben. Das mag Präsident Martin Maria Krüger als „Konsens-Prinzip“ schönreden. In der Realität können die nicht gerade von Kulturkompetenz bestrahlten ministerialen Steuergeld-Verteiler im Aufsichtsrat die Bestellung eines (vielleicht zu starken?) Geschäftsführers ebenso blockieren wie die Entwicklung längerfristiger Projekte – eine massive Eingriffsmöglichkeit in die inhaltliche Gestaltung. Dieser substanzkritische Beschluss wurde bei 13 von 19 möglichen präsidialen Zu-Stimmern auch noch im undurchsichtigen „Umlauf-Verfahren“ und ohne Anhörung der Mitgliedsverbände gefasst. Da muss man schon einen großen Umweg machen, um nicht auf der subalternen Schleimspur auszurutschen. Wohin ist das Selbstbewusstsein, die gestalterische Kraft, das zivilgesellschaftliche Standing des „größten Kulturverbandes unseres Landes“ verkommen?
Als erstes zartes Muskelspiel des Ministeriums kann man die Ankündigung einer Etatkürzung um fast 190.000 Euro für die Musikratsprojekte werten. Tja: Schlappheit wird nicht bedankt. Daran ändern auch die blumigen Auslassungen der Befürworter solcher Anbiederei nichts mehr – die wir auf drei Seiten in diesem Heft zusammen mit den Stimmen der Kritiker abdrucken. Schade um ein ehemaliges Kraftfeld für Musik. Was sind wir Bürger doch für brave Schafe.