In der fünften Saison des BMW Welt Jazz Award rücken die Schlagzeuger in den Mittelpunkt. An insgesamt sechs kostenfreien Sonntagsmatineen von Januar bis März 2013 präsentiert der BMW Welt Jazz Award im Doppelkegel der BMW Welt unter dem Motto „Leading Drums“ herausragende und ganz unterschiedliche Vertreter ihres Fachs.
Die beiden Finalisten stehen sich dann beim Finale am 20. April 2013 im Auditorium der BMW Welt gegenüber. Der BMW Welt Jazz Award ist mit einem Preisgeld von 15.000 € verbunden, von dem 10.000 € der Erstplatzierte sowie eine von BMW Design eigens entworfenen Trophäe erhält und 5.000 € der Zweitplatzierte. Zusätzlich zum Jurypreis wird ein Publikumspreis ausgelobt. Das Ensemble mit der besten Durchschnittsnote nach Auswertung aller Konzerte gewinnt einen exklusiven Aufenthalt und einen Auftritt auf Schloss Elmau. Für nmz Online sprach Andreas Kolb mit Thomas Muderlak, Leiter der BMW Welt, und Oliver Hochkeppel, Münchner Kulturjournalist und Juryvorsitzender.
nmz Online: Herr Muderlak, den BMW Welt Jazz Award gibt es seit fünf Jahren. In einer Anspielung auf Ihre Fahrzeuge sprach die Süddeutsche Zeitung kürzlich von einem „Erfolgsmodell“. Kann man das Format des Awards überhaupt noch weiterentwickeln?
Thomas Muderlak: Die BMW Welt hat zwei vorrangige Ziele: Zum einen möchten wir den Menschen, die zu uns kommen, unsere Marken näherbringen, welche die BMW Group so erfolgreich machen, also BMW, MINI, Rolls-Royce und Husquarna Motorräder. Zum anderen nehmen wir sowohl Impulse aus München auf und wollen welche in die Stadt hineintragen, wie es etwa beim BMW Welt Jazz Award der Fall ist. Wir warten also nicht, bis die Menschen zu uns kommen, sondern gehen aktiv auf sie zu. Ein Beispiel: München war in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr so sehr die Jazzmetropole wie früher, hier wollen wir mit unserem Format gegensteuern. Was Ihre zweite Frage angeht, ist Ihr Vergleich mit den Autos treffend, weil wir versuchen, die nächsten Auto- bzw. Veranstaltungsgenerationen noch erfolgreicher zu gestalten. Eine völlig andersartige Entwicklung ist hierbei gar nicht so wichtig, weil unser Konzept in sich schon viel Entwicklungspotenzial birgt und sich mit Hilfe der jährlich wechselnden Mottos stets neu erfindet. Auch das diesjährige Thema „Leading Drums“ bringt wieder viele innovative Künstler auf unsere Bühne.
nmz Online: Herr Hochkeppel, Sie sind von Anfang an als Vorsitzender der Jury dabei, haben das Konzept des Awards mit erfunden. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Oliver Hochkeppel: Mir kommt es so vor, als hätten wir das Ganze erst gestern aus der Taufe gehoben. Es gibt nach wie vor frische Ideen, frei nach dem Motto “the best is yet to come“. Die gesamte Jury hat noch so viele neue Gedanken im Kopf bezüglich des Awards, dass keine Langeweile oder gar Monotonie aufkommen kann. Mir liegt viel am Erfolg der Veranstaltung und ich freue mich darüber, dass sie stets gut besucht ist. Mir geht es aber auch um die konzeptionelle Weiterentwicklung in den Details.
nmz Online: Es sind sowohl internationale als auch regionale Musiker vertreten. Wie hat sich der Award in der Stadt etabliert?
Hochkeppel: Jazz ist eine weltumspannende, aber auch kleine Familie ohne die massenmediale Aufmerksamkeit, wie andere Sparten sie genießen. Je mehr Leute wir für unsere Sache gewinnen, umso mehr nützt es dieser Familie. Glücklicherweise steht unser Konzept nicht in Konkurrenz zu anderen Konzerten oder Formaten. Es ist vom Ansatz her etwas, das in München bisher gefehlt hat.
nmz Online: Herr Muderlak, Haben Sie keine Angst dass Ihnen der teils doch recht schräge Jazz der „Leading Drummers“ das Publikum vergrault?
Muderlak: Über die eine oder andere Darbietung wurde sogar schon im Vorstand angeregt diskutiert, zum Beispiel über Hoppy Kamiyama im letzten Jahr. Es ist ein wenig vergleichbar mit dem Besuch einer zeitgenössischen Kunstausstellung, wo man auch nicht immer weiß, was einen erwartet. Ich vermute, dass es in der Geschichte des Jazz oft Künstler gegeben hat, die das Publikum mit ihrer Darbietung wachrütteln und zum Nachdenken anregen. Die Beurteilung und die Mottos der Veranstaltungen überlassen wir der Jury, zunächst wegen ihrer Kompetenz, aber auch um uns immer wieder selbst überraschen zu lassen.
nmz Online: Ich zitiere Frank Peter Arndt, der im Vorstand auch die Kulturthemen verantwortet: „Jazz ist Kreativität, Innovation und Leidenschaft. Das Sind Attribute, die wir auch mit der Marke BMW verbinden.“ Jazz wird in den oberen Etagen vieler Unternehmen oft nicht wahrgenommen. Wie ist das bei Ihnen?
Muderlak: Allein der Umstand, dass zwei Vorstände, Ian Robertson und Frank Peter Arndt, zu den regelmäßigen Besuchern der Konzertreihe zählen, zeugt vom Interesse unserer Führungsriege an unserem Jazzprojekt. Über das persönliche Interesse hinaus, stehen hier zwei Dinge im Vordergrund: Die BMW Group ist seit Jahrzehnten weltweit kulturell engagiert. Der Gedanke der „Good Corporate Citizenship“ spielt in unserem Unternehmen eine bedeutende Rolle.
nmz Online: Wie viele Zuschauer sind Mitarbeiter von BMW?
Muderlak: Größtenteils haben wir externe Besucher und wollen diese auch ansprechen. BMW Mitarbeiter sind aber via Intranet stets informiert über alle Kulturaktivitäten des Unternehmens und nehmen diese auch wahr.
nmz Online: Aktuell gibt es eine Debatte um Frauen in Führungspositionen. Inwieweit lässt sich dieser Sachverhalt auf den BMW Welt Jazz Award übertragen?
Hochkeppel: Jazz ist – vom Gesang abgesehen – nach wie vor eine Männerdomäne, aber künftig wird sich das ändern: Es kommen zum Beispiel viele junge und hervorragende Pianistinnen und Bläserinnen nach. Immer mehr Frauen spielen in Big Bands oder leiten sie sogar. Für diese Jury kann aber das Geschlecht eines Künstlers kein primäres Auswahlkriterium sein - schon alleine, weil die Auswahl „blindfold“ erfolgt, also ohne nähere Informationen zu den jeweiligen Bands. Der BMW Welt Jazz Award ist auch kein Newcomer-Wettbewerb, sodass es noch eine Weile dauern kann, bis wir mehr Frauen in den Matineen sehen.
nmz Online: Was sind die Aufgaben der Jury? Hat sie dabei freie Hand?
Hochkeppel: Beim aktuellen Motto der „Leading Drums“ habe ich aus etwa 70 Bands 35 und von diesen jeweils drei Stücke ausgesucht. Die Jurymitglieder haben diese einfach nur nummeriert bekommen und dann sechs Bands demokratisch ausgewählt. Die Idee mit der Blindfold-Auswahl, die sich sehr bewährt hat, kam übrigens von einem ehemaligen Juror, dem Saxophonisten und Produzenten Jason Seizer.
Muderlak: Wir sind sehr dankbar für die Arbeit der Jury und haben ihrer Qualität stets vertraut. Das Ergebnis war sowohl für uns als auch für das Publikum immer unglaublich spannend. Ich bin jetzt zum dritten Mal beim BMW Welt Jazz Award dabei - speziell das Finale hat eine besondere Aura. Was für unterschiedliche Ansätze da gegeneinander angetreten sind, das empfand ich als sehr reizvoll.
nmz Online: Mit 2,5 Millionen Besuchern im letzten Jahr haben Sie bisher im Kulturtourismus auch über die Stadt München hinaus etwas bewegt. Sehen Sie sich als Förderer von Kunst und Kulturwirtschaft?
Muderlak: Es gibt noch Serien wie das „MINI-Clubbing“, Poetry Slams, Improvisationstheater, sogar eine hochwertige Faschingsveranstaltung, die unter anderem durch die Vielfalt ihrer Kostüme besticht, die 2-Radtage und Ausstellungen bis hin zum finalen Highlight des Jahres, der Silvester-Gala mit über 3.500 Gästen. Als ich meine Arbeit als Leiter aufnahm, war die BMW Welt zwar namentlich bekannt, aber niemand konnte sich darunter etwas Konkretes vorstellen. Wir haben versucht, dieses indifferente Bild zu schärfen und Vernetzungen mit der Gesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und weiteren Instanzen zu schaffen. Dabei ist die jüngste Entwicklung die Tourismus-Initiative: München Flughafen, Messe München, Olympiapark, mittelständische sowie größere Hotels, Gastronomen, Brauereien, Einzelhändler und die BMW Welt haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen, der innerhalb kurzer Zeit 500.000 EUR an Mitgliederbeiträgen gesammelt hat. Zusammen mit der Stadt München wird unter der Führung vom Referat für Wirtschaft und Arbeit, Herrn Reiter, eine Kommission gegründet, die künftig den Tourismus in München koordinieren soll. Das Amt für Tourismus ist dieser Kommission unterstellt. Aus Sicht der BMW Welt wollte ich dieses Vorhaben unterstützen, begleiten und wurde schließlich in den Vorstand berufen, was mir eine große Ehre und Freude war. In den letzten drei Jahren hat sich also viel getan.
nmz Online: Jazz im Spannungsfeld zwischen Förderung und Kulturwirtschaft und -tourismus. Wie sehen Sie das, Herr Hochkeppel?
Hochkeppel: In einer Metropolregion mit etwa 2,5 Millionen Einwohnern nur zwei bis drei wohlgemerkt gut laufende Jazzclubs zu haben, ist schade. Das spannende Feld Jazz braucht im Grunde mehr Förderung. Darum ist das Engagement von BMW und anderen auch entscheidend. Die Relationen zu anderen Genres und Institutionen stimmen noch nicht. Wenn man immer nur das fördert, was ohnehin en vogue ist, kann man nicht viel gewinnen. Es geht doch darum, neue und unbekannte Kulturgüter ins Licht zu rücken. Im Übrigen wurde Jazz ohnehin noch nie großzügig gefördert, jetzt setzt langsam ein Umdenken ein, und das muss es auch. Schlussendlich muss Jazz mehr in die Mitte der Gesellschaft rücken.
Muderlak: Leider hat Jazz keine Lobby in der Politik, obwohl er Kunst auf höchstem Niveau ist, und nicht nur eine Musikrichtung. Allein was Jim Black da heute abgeliefert hat, zeigt, welch hohes Niveau Jazz in sich birgt. Auch muss die Förderung von öffentlicher Seite her breiter werden.
nmz Online: Nennen Sie unseren Lesern noch ihre jeweiligen Top-Favoriten aus fünf Jahren BMW Welt Jazz Award??
Muderlak: Mir hat der gemeinsame Aufttritt von Youn Sun Nah – die ja im Finale Zweite geworden ist – und Ulf Wakenius gefallen. Das war bis jetzt mein größtes Highlight.
Hochkeppel: Youn Sun Nah ist in Frankreich inzwischen ein Star, ihrer jüngste CD ist dort die meistverkaufte des Jahres 2011 – vor Keith Jarrett und allen anderen. Aber als Juryvorsitzender – der nur bei einem Patt mitstimmt - halte ich mich mit Favoriten zurück. Grundsätzlich hätte jeder Wettbewerber einen Preis verdient, auch weil alle ihre Eigenständigkeit unter Beweis gestellt und so zur stilistischen Vielfalt beigetragen haben. Auch aus Deutschland kommen viele herausragende Musiker, man denke da an Michael Wollny, der den Wettbewerb mit seinem „Trio em“ ja beim Auftakt gewonnen hat und sich mittlerweile auch international durchgesetzt hat.
Gelegenheit weitere Leading Drummer und ihre Bands in der BMW Welt zu hören, gibt es noch am 27. Januar: Dejan Terzic – MELANOIA, 17. Februar: Samuel Rohrer – Daniel Erdmann , 24. Februar: Ari Hoenig Quartet, 10. März: Alfred Vogel – Die glorreichen Sieben, 17. März: Antonio Sanchez Migration.