Bereits an der Fernsehkamera und den vielen Mikrofonen konnte man in der Aula des Freiburger Rathauses sehen, dass es bei dieser gemeinsamen Pressekonferenz von SWR und der Stadt Freiburg etwas Wichtiges zu verkünden galt. Und schon nach wenigen Sekunden war klar, dass auf der unmittelbar vorher stattgefundenen „Geber- und Trägerkonferenz“ keine Lösung für einen Erhalt des SWR-Sinfonieorchesters gefunden wurde, sondern im Gegenteil die Orchesterfusion nun zementiert ist. Auf der am heutigen Freitag stattfindenden Rundfunkratssitzung in Mainz soll die sogenannte Ausstiegsklausel im Rundfunkratsbeschluss vom 28. September 2012 entfernt werden, die zum Ziel hatte, bei veränderten Geschäftsbedingungen die bereits beschlossene Orchesterfusion nochmals zu überdenken.
Den Schwarzen Peter für das Scheitern der Konferenz schoben Staatssekretär Jürgen Walter, Oberbürgermeister Dieter Salomon und SWR-Intendant Peter Boudgoust dem Freundeskreis des Orchesters zu, der die Veranstaltung im Vorfeld boykottiert und als „Farce“ bezeichnet hatte. Der Vorwurf des Freundeskreises lautete, dass der Konferenztermin nicht mit den Beteiligten abgestimmt worden sei und deshalb potentielle Teilnehmer nicht hätten erscheinen können. Außerdem störte man sich daran, dass ein einmaliger Termin festgesetzt wurde. Das Ergebnis der Konferenz fasste Salomon pointiert zusammen: „Ich habe vorher keinen Euro gesehen. Und nachher auch nicht.“
Offensichtlich ist, dass Peter Boudgoust noch vor den Sommerferien Klarheit in Sachen Fusion schaffen wollte. Der SWR-Intendant legte in der Pressekonferenz Wert darauf, die Situation auch als Chance zu begreifen. Und hofft, dass der fusionierte Klangkörper ähnlich wie bei der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken Kaiserslautern nach einigen Jahren qualitativ sogar besser werden könnte, als die beiden zuvor eigenständigen Klangkörper aus Stuttgart und Freiburg. Oberbürgermeister Salomon zeigte, dass er ebenfalls mit seiner Geduld am Ende sei und verwies auf die fehlenden finanziellen Zusagen. Außerdem habe er sich als Oberbürgermeister vor allem um das Philharmonische Orchester Freiburg zu kümmern, das unterfinanziert sei. Am Abend besuchten Peter Boudgoust und Hörfunkdirektor Gerold Hug das mit stehenden Ovationen gefeierte Abschlusskonzert des SWR-Sinfonieorchesters unter seinem Chefdirigenten Francois-Xavier Roth, um danach im Foyer in einer erhitzten Atmosphäre dem Publikum zu vermitteln, was zumindest unter Musikfreunden nicht zu vermitteln ist.
Am Ende bleiben Fragen und Widersprüche. Peter Boudgoust hat zwar immer wieder öffentlich beteuert, dass ihm die Entscheidung zur Orchesterfusion sehr schwer gefallen sei. In den letzten zweieinhalb Jahren hat der Intendant allerdings nicht nur keine eigenen Anstrengungen unternommen, eine Alternative zu entwickeln, sondern sich auch gegen alle Modelle gewehrt, die vom Freundeskreis ins Gespräch gebracht wurden. Beim aktuellen Kooperationsmodell könnte der SWR die mit der Fusion avisierten Einsparungen erfüllen, wenn der eingesparte Betrag von rund jährlich 2 Millionen Euro von Stadt, Land und Sponsoren aufgebracht werden würde. Das Land hatte schon einen Betrag von 1 Million Euro in Aussicht gestellt. Diese Lösung kommt für den SWR aber nicht in Frage: „Ein ‚Auffüllen‘ des Sparbeitrags des SO durch die Finanzierung von Dritten würde ausschließlich – also einseitig – nur das SO Baden-Baden und Freiburg berücksichtigen. Der SWR hingegen muss eine Gesamtlösung für beide Klangkörper, also auch für das RSO Stuttgart finden“, erklärte Pressesprecher Wolfgang Utz die Haltung des Senders. Die durch die Fusion in Aussicht gestellten Einsparungen des Senders werden aller Voraussicht nach viel geringer ausfallen als ursprünglich geplant. Dabei war der Spardruck des Senders das einzige Argument zur Rechtfertigung der Entscheidung.
Das größte Fragezeichen betrifft aber die künstlerische Qualität des fusionierten Orchesters, die Probenbedingungen in Stuttgart, das Überangebot der Musiker und das Profil des neuen Klangkörpers. In der Stuttgarter Liederhalle soll nach dem Vorbild der Berliner Philharmoniker eine Digital Concert Hall zur Videoübertragung der Konzerte installiert werden, was aber laut Information des Freundeskreises aus Denkmalschutzgründen gar nicht gehe. Als Probenort wird angeblich eine Sporthalle in Sindelfingen ins Auge gefasst. Ein Chefdirigent ist immer noch nicht gefunden. Trotz der aussichtlosen Lage möchte der Freundeskreis weiterhin für den Erhalt des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg kämpfen. Auf welche Weise dies geschehen soll, verriet Karl-Reinhard Volz allerdings nicht.