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Yvonne Reich, Inés Burdow und Lisa Mostin in Moritz Eggerts „Linkerhand“. Foto: Karen Stuke
Yvonne Reich, Inés Burdow und Lisa Mostin in Moritz Eggerts „Linkerhand“. Foto: Karen Stuke
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Glaubwürdige Hommage an Brigitte Reimann: Moritz Eggerts „Linkerhand“ in Hoyerswerda

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„Linkerhand“, die Uraufführung der Oper von Moritz Eggert, frei nach dem Roman von Brigitte Reimann, mit dem Libretto von Andrea Heuser, unter der musikalischen Leitung von Eckehard Stier, in der Regie von Sebastian Ritschel, wurde zum Abschluss der 44. Lausitzer Musikfesttage in der ausverkauften Lausitzhalle Hoyerswerda gestern Abend sehr erfolgreich aufgenommen.

In dem 1974, knapp ein Jahr nach ihrem Tod veröffentlichten Roman „Franzsika Linkerhand“ verarbeitete Brigitte Reimann Erfahrungen ihrer Zeit in Hoyerswerda, jener neuen sozialistischen Stadt, in die sie 1960 ganz bewusst im Sinne des „Bitterfelder Weges“ gezogen war, um den Menschen, für die sie schrieb, nahe zu sein.

In Hoyerswerda erfährt sie aber auch, dass ihre Ideale den Erfahrungen der Wirklichkeit nicht standhalten. So wie ihre Romanheldin Franziska sucht sie Leben und findet Bürokratie. Franziska Linkerhand, die junge Architektin, wird an solchen Konflikten zerbrechen, wird daran leiden, dass sie Unterkünfte konzipieren muss, wo sie angetreten war in der Hoffnung mit den Häusern an Beziehungen zu bauen. Der Roman einer hochemotionalen Erinnerung beginnt mit der Zeit des Aufbruchs nach dem zweiten Weltkrieg und führt in die Stagnation und Resignation der beginnenden 70ger Jahre in der DDR.

Die Oper fügt 33 knappe Szenen aneinander, arbeitet mit Originalzitaten des Romans, geht aber ansonsten eher frei und vor allem assoziativ mit dem Stoff um. Musikalisch verblüfft die raffinierte Schnitttechnik der Komposition angereichert mit historischem Tonmaterial das in Collagen knapp aufklingt. Eggert bekennt sich auch zu bewährten Formen der Oper, es gibt beeindruckende Chorszenen, Ensembles, ariose Solopassagen und Duette.

Überraschend sind immer wieder gekonnte Brechungen, in denen der Komponist mit Klischees arbeitet, ohne beispielsweise etwa das Sehnsuchtspotenzial einer Schlagerschnulze der frühen 60ger von Bärbel Wachholz oder etwas später von Frank Schöbel hämisch oder überheblich bloß zu stellen. Eggerts Musiktheater berührt und unterhält, die Möglichkeiten des Orchesters werden voll gefordert. Wenn es sein muss vehement, wo nötig mit fein geformter Zerbrechlichkeit zarter Klangstrukturen dirigiert Eckehard Stier die Neue Lausitzer Philharmonie.

Die Inszenierung setzt auf Klarheit. Auf einer Landschaft aus umgestürzten Plattenbauten, in denen aber am Ende doch nicht alle Lichter der Hoffnung erloschen sind, führt der Regisseur die Protagonisten unaufgeregt durch die Stationen einer Erinnerung der ganz bewusst so etwas wie ein „roter Faden“ fehlt. Der Protagonistin Franziska begegnen wir in drei Figuren. Lisa Mostin, mit hoher klarer Stimme und einigen rasanten Koloraturattacken als „Aristide“, einer Art Engel, Inés Burdow, die Schauspielerin als Stimme aus dem Off, als zweite Gestalt der Franziska, die bei der beeindruckenden Yvonne Reich gebrochene Töne des Chansons ebenso erhält wie die der Sensibilität lyrischer Passagen oder des hochemotionalen Ausbruchs.
 

Das gesamte Görlitzer Ensemble, mit überzeugendem Chor und Mitgliedern des Tanztheaters wird am Ende herzlich gefeiert für diese unsentimentale und dadurch so glaubwürdige Hommage an Brigitte Reimann.

Informationen: www.theater-goerlitz.de
 

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