Das Buffet war wieder umfangreicher, der Ort der Veranstaltung das berühmte Emil-Berliner-Studio in der Nähe des Potsdamer Platzes, der Blick auf die Situation allgemein ruhig, das Zahlenwerk ohne große Überraschungen. Die Musikindustrie, so scheint es, ist bei sich selbst angekommen. Es wird nicht mehr in die Welt gejammert, Illegalität ist nicht mehr das alles und alle beherrschende Thema. Man atmet etwas durch.
Die Zahlen für das letzte Jahr sind nicht einzeln nachzuerzählen. Der physische Tonträgermarkt lässt weiterhin Federn, die der digitale Markt noch nicht zu kompensieren vermag. Insgesamt gesehen hat die deutsche Musikindustrie aber ihren negativen Scheitelpunkt erreicht. Ob daraus eine Phase wird, oder ob sich der Markt wieder stärker ökonomisch aufbaut, ist eine offene Frage, die man nicht beantworten muss.
Seit mindestens drei Jahren wird der Verband aber nicht müde, auf die Politik einzuwirken, in dem Sinne, dass sie die Rahmenbedingungen für faires ökonomisches Handeln verbessern soll. Und wenn nicht das, so soll sie den Prozess moderieren. Denn bekanntlich sind die Akteure auf der Bühne der neuen digitalen Welten keinesfalls sich grün. Die Geräteindustrie will ihr Geschäft machen, nach Möglichkeit ohne juristisch-ökonomische Gängelung ebenso wie gewisse Downloadplattformen. Gerade letztere machen auf dem Rücken der Kreativen wie der Musikindustrie ihr Geschäft, gestützt von einer nicht geringen Anzahl von Fans, die den Begriff der Freiheit des Netzes deutlich missverstehen.
Mit Florian Drücke habe ich nach der Pressekonferenz über den Begriff der „Moderation durch Politik“ und über die Verhältnisse der Marktteilnehmer in der digitalen Welt sprechen können. Er bestätigte in seinen Antworten, dass die deutsche Musikindustrie kein Interesse daran zeigt, das Urheberrecht durch das Prinzip des Copyrights abzulösen.
Gespräch mit dem Geschäftsführer des Bundesverbandes der Musikindustrie, Florian Drücke from Martin Hufner on Vimeo.
Dass man auf dem Weg ist, neue Weg zu gehen, zeigt auch das Statement des Brains der Musikindustrie, Dieter Gorny für das er den Begriff eine „Digital New Deals“ wählt: „Für die Zukunft ist es dringend erforderlich, die grundsätzlichen Spielregeln und Wertschöpfungsketten in einer neuen Digitalen Ökonomie zu definieren. Das geht nur, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen und sich gemeinsam für ein legales und faires Umfeld einbringen: die Kultur- und Kreativbranchen, die Internetwirtschaft, Werbeindustrie, Anbieter von Bezahlsystemen und natürlich die Politik.“
Zwei Zahlen aus dem Gesamtwerk der Musikindustrie des letzten Jahres. 63% aller Deutschen kaufen überhaupt keine Musik (Tonträger) – eine Zahl, die auf der einen Seite erstaunt, andererseits aber kaum verwundern mag, ist doch der Alltag durchsetzt mit gelieferter Musik, sei es aus eigenen Archiven oder von Fernsehen und Funk. Eine weitere Zahl mag ebenso Verwunderung erzeugen, wenn man sieht, wie viele CDs im Bereich des Jazz täglich zur Rezension bei der JazzZeitung oder der neuen musikzeitung eingehen: Beim Jazz liegt der Anteil am Gesamtumsatz bei gerade 1,6%. Keine Zahlen liegen naturgemäß für den Sektor der Neuen Musik vor.
Die Musikindustrie im Tal der Unruhe? Damit ist gemeint, dass sich der Verband langsam aber sicher wieder neu aufstellt und seine Themen neu findet. Man schaut ganz leicht unsicher nach vorne und betreibt nicht mehr ausdauerndes Wundenlecken der Vergangenheit. Man kann sich nur wünschen, dass diese Unruhe produktiv auch nach innen wirkt und die Strategien für die Zukunft nicht aus dem Blickwinkel einer „beleidigten Leberwurst“ erfolgen. Aber auch eine andere Gefahr droht: Die Musikindustrie vertraut sehr stark auf die Regulation der Märkte durch Gesetze oder eben jene ominösen Rahmenbedingungen, die die ruhige und faire Fahrt gewährleisten soll. Da droht auch eine Einengung des öffentlichen Verkehrs (im Netz), der auch behindernd wirken könnte. Der Verweis auf die Schlechtigkeit der Menschen im Netz paart sich mit der Verdrängung, dass die Phänomene im „realen“ Leben keinesfalls rosig sind. Verbrechen gibt es im einen Medium so gut wie im anderen.