Die Theatermacher im beschaulichen Detmold sind mutig und trauen sich immer wieder einiges zu. Vor vier Jahren erreichte Intendant Kay Metzger mit seiner Deutung des „Rings des Nibelungen“ von Richard Wagner enorme überregionale Beachtung, im letzten Jahr brachte er den „Parsifal“ auf die Bühne mit weitgehend hauseigenem Sängerpersonal – nun steht „Tristan und Isolde“ als aktuelles Wagner-Großprojekt auf dem Spielplan.
Zwei Fakten gleich vorweg: einen Bruch hat sich in Detmold niemand an diesem Schwergewicht der Opernliteratur gehoben. Es gibt aber auch keine erkennbar neue Sicht auf den Stoff, den Kay Metzger seinem Publikum im nüchternen Ambiente eines Aufenthaltsraumes bietet.
Tristan ist eine Art Offizier, fast alle anderen Personen sind ebenfalls Militärs. Nur Isolde nicht. Die trägt ein schwarzes Kleid und einen Trauerschleier, wenngleich sie sich auf dem Weg zu ihrer unfreiwilligen Hochzeit mit König Marke befindet. Brangäne ist abkommandiert, sich um diese Passagierin zu kümmern. Sie verabreicht bekanntlich den Liebestrank, anscheinend etwas zu gering dosiert, denn die Liebesnacht von Tristan und Isolde fällt in Metzgers Inszenierung doch etwas brav und ziemlich unerotisch aus – dazu noch auf dem harten Deckel eines schwarzen Flügels.
Wie überhaupt die Geschichte recht statisch und mitunter emotionslos vorüberzieht. In der Musik Wagners ist da (auch an diesem Premierenabend) eine Menge mehr los! Und wenn Isolde im dritten Akt auf ihren siechenden Geliebten trifft, steht zwischen den beiden eine trennende Tür. Kein überschäumendes Wiedersehens-Glück also, stattdessen fällt Isolde bald mit glasigem Blick in Ohnmacht, Brangäne steht hilflos daneben.
Das Ende ist fast schon wie im Märchen: „Mild und leise“, ihren Liebestod also, intoniert die wiederbelebte Isolde vor dem schwarzen Flügel stehend, quasi als Lied. Tristan ist ausgestattet mit den Schwingen eines Todesengels und sitzt im Frack an den Tasten: Das Paar versinkt „in dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall...“ - ist es der Kosmos der Musik, vielleicht das All der absoluten Harmonie, in das hinein die beiden entschweben?
Detmolds Premierenpublikum ist restlos begeistert, feiert Michael Baba für seinen Tristan, den er kraftvoll anlegt und bis zum Schluss bestens durchhält. Joanna Konefal wird bejubelt, doch ihr Sopran ist ein derart durchdringender, dass die Sängerin mühelos ein Stadion beschallen könnte. Für eine Isolde indes bedarf es mehr. Mehr an Feinheiten, mehr an Nuancen, an Farben. Das ist Konefals Sache nun wahrlich nicht, ihr geht es um Wucht statt um Intimität. Und dies in einem Theater, dessen eher bescheidene Größe geradezu einlädt, in darstellerische und klangliche Details zu gehen statt Dezibelrekorde aufzustellen. Monika Waeckerle als wunderbar timbrierte Brangäne macht genau dies vor. Und Guido Jentjens ist ein kultivierter Marke von großer Glaubwürdigkeit, James Tolksdorf ein stimmstarker Kurwenal.
Besonders mit Beifall belohnt wird Erich Wächter und das gut vorbereitete Orchester des Landestheaters Detmold. Eine schöne, eine wunderbare Geste, dass es zusammen mit seinem Dirigenten auf der Bühne den Applaus entgegennehmen kann.
Weiterer Termin: 2. Juni, 17.00 Uhr