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Pfitzners „Die Rose vom Liebesgarten“ in Chemnitz. Foto: Dieter Wuschanski
Pfitzners „Die Rose vom Liebesgarten“ in Chemnitz. Foto: Dieter Wuschanski
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Kloschüssel als Zugang zur Unterwelt – Pfitzners „Rose vom Liebesgarten“ in Chemnitz

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Neun Jahre ist es her, seit Hans Pfitzners Oper „Die Rose vom Liebesgarten“ zum letzten Mal auf der Bühne zu erleben war. Im Opernhaus Zürich hatte David Pountney dieses Kunstmärchen als einen Abschied vom germanischen Paradies inszeniert, den Komponisten selbst als verachteten Untermenschen auf die Bühne gebracht.

Die Geschichte vom Edeling, der zum Wächter des Liebesgartens ernannt wird, sich in eine Elfe verliebt, seinen Posten verlässt und seine Mesalliance mit dem Leben büßt, nicht ohne zuvor noch das proletarische Reich der Zwerge zerstört zu haben, wirkt in ihrer Wortwahl und Namensgebung wie ein Derivat aus Wagners Kunstmythos: Siegnot und Minneleide, der Nacht-Wunderer, der Sanges- und der Waffenmeister zelebrieren eine reimende Kunstsprache und transportieren eine Philosophie, gemischt aus Nietzsche, Wagner und Gobineau.

In Chemnitz wandelte der TV-Regisseur Jürgen R. Weber den Kunstmythos mit der Ästhetik der Phantasy-Filme zum Trivialmythos. Hatten sich Pfitzner und sein britischer Librettist James Grun durch ein Gemälde des Jugendstil-Malers Hans Thoma, „Der Wächter vor dem Liebesgarten“, zur metaphorischen Handlung vom Sieg des Frühlings über den Winter inspirieren lassen, so orientieren sich Weber und Sven Bindseil in der Ausstattung offensichtlich an Neo Rauch.

Aus der arisierten Madonna, der Jungfrau mit dem Sternenkind wird eine Zwittergottheit, an deren Busen der Hausmeister des Liebesgartens trinkt und ungewollt schwanger wird, so dass er die titelgebende illuminierte Wunderrose gebiert und daher zum Wächter ernannt wird. Die Liebesgartengesellschaft lässt sich durch Nebel  aus einem Feuerwehrschlauch beleben, und mitten im Urwald prangt eine gewaltige Kloschüssel. Durch diese entführt der Nacht-Wunderer Minneleide und ihre Gespielinnen, hierdurch folgt der tödlich verwundete Siegnot seiner Geliebten. In seiner Tropfsteinhöhle (deckungsgleich mit den Szenenvorschriften der Autoren) herrscht der Nacht-Wunderer über Sex-Mutanten und verwahrt das große Chemnitzer Karl-Marx-Monument.

Die handelnden Personen werden ergänzt um die getanzten Seelen der beiden Liebenden und eine Reihe von Modern Dance Szenen. Als würde er der Kraft seiner Lesart doch nicht vertrauen, projiziert der Regisseur erklärende Texte zum Handlungsablauf (à la Kluges dtcp) und ironische Bemerkungen. Der Eindruck wird somit sehr zwiespältig, auch da das Theater mit der Ausstattungsperfektion Hollywoods natürlich nicht mithalten kann. Dabei spielt das Ensemble und die von Mary Adelyn Kauffman einstudierten, sicher singenden Chöre interpretationskonform.

Dem sich vom Soubrettencharakter über das lyrische Fach bis zur Hochdramatischen spannenden Rollenprofil der Minneleide wird Astrid Weber voll gerecht, wie sie auch in Negligé und in Unterwäsche agil und sexy agiert. Erin Caves bietet einen heldischen Siegnot ohne jegliche Ermüdungserscheinung. Kouta Räsänen gestaltet nicht nur den Waffenmeister, sondern auch den Nacht-Wunderer mit seiner Bauchrednerpuppe wohltönend, aber unklar in der Diktion. Fast schon zu dramatisch ist André Riemer als Moormann, Jana Büchner und Tiina Penttinen überzegen als daumenlutschende Baby-Pinups in den Rollen der Elfen Schwarzhilde und Rotelse, die hier die „Zwölfen“ genannt werden.

Abgesehen von diversen Textretuschen erklingt Pfitzners Partitur authentisch und – erstmals seit über achtzig Jahren – ungekürzt.  Die 1901 in Elberfeld uraufgeführte, von Bruno Walter und Gustav Mahler überaus geschätzte Partitur, ist Pfitzners farbenreichstes, von musikalischer Innovation sprühendes Werk. Die hier erstmals verwendeten Klangreihen, die auf Klangfarben basieren, wurden von Schönberg und Webern aufgegriffen, so dass Pfitzner – wohl um seine Vorläuferschaft zu diesen, von ihm als Widersacher angesehenen Neutönern zu nivellieren – die Klangreihen in der späteren Ausgabe seiner Partitur eliminiert hat. Strichlos dauert bereits das Vorspiel eine volle Stunde.

Domonkos Héja, kurzfristig für den erkrankten GMD eingesprungen, erweist sich als erstklassiger musikalischer Leiter, der für den Fluss der Musik sorgt, die Themen in ihrer Kontrapunktik klar herausarbeitet und die Partitur aufblühen lässt. Das musikalische Ereignis, von MDR live übertragen soll bei CPO auf CD erscheinen.

Am Ende der Premiere gab es viel Zuspruch für Pfitzner, –  auch im (unfreiwilig komischen) Phantasy-Gewand.

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