Der Mann gilt als so vielseitig wie unberechenbar. Nicht einmal die Juroren, die die Vorauswahl zum „BMW Welt Jazz Award“-Wettbewerb getroffen hatten, wussten, was da mit dem Japaner Hoppy Kamiyama musikalisch genau auf sie und das Publikum im Doppelkegel zukommen würde. Sie erlebten ein „Jazz And The City“ überschriebenes Matinee-Konzert, das vom Jazz so weit entfernt war wie Tokyo von München.
Hunderte von Menschen waren bei einem Event zugegen, der manche Frage aufwarf. Etwa diese: Ist Musik wirklich eine Weltsprache, die in jeder Region ohne Übersetzung auskommt? Gibt es so etwas wie universelle Wahrheiten im Kosmos der Klänge? Muss man mit den Besonderheiten einer Kultur vertraut sein, um den künstlerischen, den ästhetischen Gehalt bestimmter Musiken wirklich beurteilen zu können?
Verstanden haben wohl die wenigsten Zuhörer, was der Mann aus Fernost vor ihren Augen und Ohren trieb. War das nun ernst gemeint, als Hoppy Kamiyama eine Art durchgedrehte Operndiva gab, oder sollte das komisch sein? Unsicheres Lachen im Auditorium. Mehr aber als die Intentionen des Japaners schien die Anwesenden zu interessieren, wie der Musiker, der ohne Computer auskam, seine akustischen Sprengsel generierte. In der Pause des Konzerts stand ein ganzer Pulk von Menschen ungläubig um den Flügel und den Tisch mit den technischen Aufbauten herum, zu denen etwa ein Walkman gehörte. Der Rezensent hingegen war eher etwas irritiert, dass einer aus so viel Aufwand so wenig herausholte.
Der Steinway etwa war so gepimpt, dass seine akustischen Signale umgewandelt wurden. Merkwürdig dünne Parallelklänge klebten an den oft sehr naiv und banal anmutenden Klavierklingeleien – die akustischen Zusätze tönten wie billige Synthesizer-Werksounds. Dann wieder fummelte der Besuch aus Asien an seinen Apparaturen herum und brachte etwas zum Vorschein, das wie digital nachbearbeiteter Sendersuchlauf klang. Mit einer Art Zufallsgenerator, der an drei Digitalkameras gekoppelt war, entwarf Kamiyama-San zudem eine nervöse visuelle Begleitung, die einem Epileptiker sicher den Gar ausgemacht hätte. Kuriose Filmschnipsel mündeten in Sequenzen, die da im Hintergrund flimmerten wie eine im LSD-Wahn wahrgenommene 70er-Jahre-Tapete. Dann wieder tauchten Bilder auf, die sich wie unreflektierter Kitsch anfühlten und in der Musik ihre Entsprechung fanden.
Als erster Künstler des BMW Welt Jazz Awards schaffte es Hoppy Kamiyama, dass der Doppelkegel sich im Verlaufe des Konzerts merklich lehrte. Bei denen, die blieben, machte sich sogar Begeisterung breit. Kann es sein, dass da falsch verstandene Toleranz die Hände zum Klatschen gegeneinander trieb? Der böse Kritiker behauptet, dass man einen hiesigen Künstler für eine solche musikalische Leistung unter Polizeischutz aus dem Saal hätte führen müssen. Beim nächsten BMW Welt Jazz Award-Konzert am 4. März gibt es Musik, die für weniger Irritationen sorgen dürfte: Dan Tepfer aus Brooklyn lässt unüberhörbare klassische Einflüsse in guten alten, sachte modernisierten Piano Trio Jazz einfließen.