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Vor der Ausschuss-Sitzung: SWR-Intendant und Fusionsinitiator Peter Boudgoust spricht zu den Demonstranten, Kabarettist und Fusionsgegner Matthias Deutschmann hält das Megaphon. Foto: Georg Rudiger
Boudgoust bleibt unerschrocken unbelehrbar. Foto: Georg Rudiger
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SWR-Intendant Boudgoust renitent: „Weiteres Prüfen hilft nicht weiter“ – Zur Fusion der SWR-Orchester

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Die Aufforderung des baden-württembergischen Wissenschaftsausschusses an den Südwestrundfunk, er solle Modelle zum Erhalt der Rundfunkorchester prüfen, war erst wenige Stunden alt, da schickte SWR-Intendant Peter Boudgoust am frühen Abend des 14. Februar 2014 eine Stellungnahme hinterher. Ein ungewöhnlicher Schnellschuss, zumal der Sender in derselben Woche gleich mehrere Tage gewartet hatte, bis er die wichtige Vertragsverlängerung von Chefdirigent François-Xavier Roth beim SWR-Sinfonieorchester verkündete. „Bei allem guten Willen: Wir haben sorgfältig und intensiv geprüft, weiteres Prüfen hilft nicht weiter“, schreibt der Intendant in unmissverständlichen Worten. Und sichert seine Verteidigung mit der „grundgesetzlich garantierten Rundfunkfreiheit“ ab.

Offensichtlich möchte der Intendant unter allen Umständen eine öffentliche, inhaltliche Diskussion über die vom Rundfunkrat im September 2012 beschlossene Orchesterfusion verhindern. Er will wohl vermeiden, dass man die innerhalb eines halben Jahres durchgesetzte Fusion einmal genauer anschaut, ehe es dafür zu spät ist und im Herbst 2016 die beiden selbstständigen SWR-Orchester aus Stuttgart und Freiburg zu einem zumindest in der Anfangszeit überdimensionierten Klangkörper zusammengepresst werden.

Dass ein Rundfunkratsbeschluss problemlos wieder rückgängig gemacht werden kann, zeigte der Bayerische Rundfunk. 2004 war der Spardruck auf den Sender groß geworden, weil die Rundfunkgebühr entgegen dem Vorschlag der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) um 30 Cent reduziert worden war, was für den Gebührenzeitraum 2005-2008 ein Defizit von 48 Millionen Euro bedeutete. Deshalb beschloss der damalige Intendant Thomas Gruber, das Münchner Rundfunkorchester aufzulösen. Am 14. Oktober 2004 stellte sich der Rundfunkrat hinter diese Entscheidung. Nachdem sich zahlreiche internationale und nationale Künstler, Politiker und Bürger für den Erhalt des Münchner Rundfunkorchesters eingesetzt hatten, arbeitete man gemeinsam an einer konstruktiven Lösung. Das Sparziel wurde mit anderen Mitteln wie einem neuen Tarifvertrag erreicht und dem Orchester wurde die Möglichkeit gegeben, eigenwirtschaftlich tätig zu sein. So konnte das verkleinerte Sinfonieorchester mit einer neuen Struktur erhalten werden. Auch heute zeigt der Bayerische Rundfunk eine größere Verantwortung gegenüber seinen Klangkörpern als der Südwestrundfunk unter Peter Boudgoust. Gerade hat der designierte BR-Hörfunkdirektor Martin Wagner mitgeteilt, die beiden Orchester (Münchner Rundfunkorchester und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks) und den Chor in ihrer jetzigen Form erhalten zu wollen und den Bereich Klassik zu stärken.

SWR-Intendant Boudgoust hat in dem Fusionsprozess bislang hauptsächlich mit Zahlen argumentiert. Qualitative Überlegungen, die beispielsweise das Profil des fusionierten Orchesters betreffen, spielten kaum eine Rolle. Ob er jemals, wie von ihm behauptet, Alternativen „sorgfältig und intensiv“ geprüft hat, mag schon wegen des von ihm künstlich erzeugten Zeitdrucks fragwürdig erscheinen. Brüchig wird die Argumentation auch, wenn sein Zahlengerüst ins Wanken gerät. Zur Rechtfertigung des Sparprozesses im Sender, der unter anderem als Grund für die Orchesterfusion genannt wurde, zog man sozusagen als Totschlagargument die erwarteten Mindereinnahmen durch die Umstellung der Rundfunkgebühr zum 1. Januar 2013 heran. Noch am 4. Januar 2013 bezeichnete SWR-Justiziar Eicher einen Bericht der Bild-Zeitung, in dem Mehreinnahmen prognostiziert wurden, als „grob falsch und irreführend.“ Dass aus den vorhergesagten Mindereinnahmen laut KEF-Bericht vom 26.2.2014 nun gewaltige Mehreinnahmen von 1,145 Milliarden Euro in der Periode 2013 bis 2016 geworden sind, entzieht zumindest der früheren SWR-Argumentation den Boden.

Man wusste einfach im Jahr 2012 noch nicht, wie sich die Einnahmen der Rundfunkanstalten in Zukunft gestalten werden. Anstatt zu warten, bis man Klarheit über die finanzielle Situation gewonnen hat, setzte der Intendant 2012 entgegen aller Ratschläge die schwerwiegende Entscheidung durch, die Orchester zu fusionieren. Er wollte Fakten schaffen, bevor man Fakten hatte. Alternativen wie das vom Orchester-Freundeskreis entwickelte Stiftungsmodell lehnte er mit dem Argument ab, man könne leider keine solide Finanzierung dafür vorlegen. Dass Boudgoust selbst bis heute keine Zahlen nennen kann, wieviel und ab wann mit der Orchesterfusion gespart wird, scheint für ihn kein Widerspruch zu sein. Die genannten 2,5 Millionen Euro pro Jahr und Orchester ab 2016 sind nämlich als „Sparziel“ formuliert. Ganz schön schwammig. Und ganz schön raffiniert.

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