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Seuferle, Runnicles, Soffel, Schwarz. Foto: Marcus Lieberenz

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Wie es kommt – Die Zwischenspielzeit 2025/26 an der Deutschen Oper Berlin

Vorspann / Teaser

„Ich liebe dieses Haus!“ Das war eigentlich der einzige zusammenhängende Satz, den die von Rührung überwältigte Doris Soffel sprechen konnte, nachdem ihr nach 40-jähriger Verbundenheit mit der Deutschen Oper Berlin die Ehrenmitgliedschaft des Hauses verliehen wurde vom gerade noch amtierenden Intendanten Dietmar Schwarz. Umrahmt wurde die Ehrung von der „Was kommt“ genannten Veranstaltung, bei der auszugsweise die anstehende Spielzeit 2025/26 vorgestellt wurde. 

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Die ist eine der Sedisvakanz, denn nicht nur tritt der neue Intendant Aviel Cahn (längstens vorbereitet) sein Amt erst im Herbst 2026 an, auch gibt in jenem Sommer Sir Donald Runnicles nach 17 Jahren das seinige als Generalmusikdirektor ab. Angesichts dessen sowie vor allem des rücksichtslosen politischen Geholzes an der Berliner Kulturweltesche, gut ein Viertel am jährlichen Gesamtetat von 1 Mrd. in zwei Jahren, wäre die bange Frage der Nornen aus der „Götterdämmerung“ womöglich passender gewesen: „Weißt du wie das wird?“ Was auch immer kommen wird, Doris Soffels Satz jedenfalls brachte das Wichtigste dazu auf den Punkt, zumal gesprochen von einer Persönlichkeit, mit der die historisch gewachsene künstlerische Größe des Hauses eindrucksvoll ins Heute ragt.

Nun, zwischen gestern und dem ferneren morgen liegt indessen die Saison 2025/26, und man kann nicht sagen, dass diese der bisherige Operndirektor und nächstens Interimsintendant Christoph Seuferle nicht mit einer Breite und Fülle ausgestattet hätte, mit der das Haus über die Zeit der Fährnisse und Ungewissheiten nicht gut über die Runden zu bringen wäre. Statt der fünf Neuproduktionen wie letzte Spielzeit, gibt’s diesmal ihrer sieben, was allein der Premierenanzahl nach auch die der übrigen Berliner Häuser toppt. Bei genauerem Hinsehen erweisen sich drei davon als Koproduktionen respektive Übernahmen, was zunächst nichts heißt, außer dass man die immer übersichtlicher werdenden Mittel umsichtig verteilt hat. Wagners „Tristan“ (ab 01.11.2025) in der Regie von Michel Thalheimer kommt aus Genf, der Noch-Wirkungsstätte von Aviel Cahn. Mit Umberto Giordanos „Fedora“ aus Frankfurt (ab 27.11.2025) vertraut man die hauseigene Programmschiene der spätromantischen Italianità weiterhin Christof Loy an, während die längst vergessene der Barockoper mit Händels „Giulio Cesare“ prominent und hoffentlich nicht einmalig aufscheint (ab 25.04.2026) – in David McVicars spektakulärer wiewohl recht abgehangener Inszenierung aus Glyndebourne von 2005. Ein anderes Äon damals schier, aber man darf mit positiven Vorgefühlen erwarten, wie sich das Orchester der Deutschen Oper, das in der Saison allein neun Wagner-Opern spielt, das barocke Idiom aneignen wird.

Ganz Eigenproduktionen sind, als Nachzügler zu dessen „Wunder der Heliane“ aus früheren Spielzeiten, Korngolds „Violanta“ (ab 25.01.2026), in der Regie von David Hermann, sowie Rossinis „L’Italiana in Algeri“, für die der zum dritten Mal am Haus inszenierende Rolando Villazón eine Wrestlingshow à la mexicana verspricht (ab 08.03.2026). Eine ebenfalls längst vergessene Programmschiene, nämlich die der deutschen Spieloper, wird dann noch zum Schluss mit Lortzings „Zar und Zimmermann“ bedient und von Regisseur Martin G. Berger auch mit neuen Sprechtexten aufgefrischt (ab 20.06.2026), während den Beginn der Spielzeit (ab 11.10.2025) Detlev Glanerts „Die drei Rätsel“ als erste Premiere markiert: Eine Oper mit vielen Kindern und auch nicht nur für Kinder auf der großen Bühne an der Bismarckstraße: mit Kinderchor und -solisten der Deutschen Oper, deren Orchester und dem Landesjugendorchester sowie weiteren jungen Musikschülern. Mithin auch ein Bekenntnis zur kulturpolitischen Verantwortung, gleichermaßen wie auch die Einführung des sogenannten „Operntags“, an dem bei 21 Vorstellungen in der Spielzeit zum Einheitspreis von 34 € (10 € für Kinder und Jugendliche) freie Platzwahl herrscht.

Damit und natürlich mit einem für das Haus selbstverständlichen großen Repertoire von an die 30 Werken inklusive großer Namen wie Jonathan Tetelman, Federica Lombardi, Clay Hilley oder Camilla Nylund, scheint Christoph Seuferle alles richtig gemacht zu haben für diese Zwischenspielzeit: Programmatisches wird fortgeführt, Neues wie Altes aufgeführt, das Haus weiter geöffnet. 

Hoffentlich schauen die kulturpolitisch Verantwortlichen auch mal richtig hin, was sie da eigentlich zu pflegen hätten. Doch, wer weiß, wie es kommt? Was auch für die anstehende Wahl eines neuen Generalmusikdirektors gilt. Da könnte mit Antonello Manacorda ein geeigneter Kandidat um die Ecke lugen – immerhin leitet er eine der Neuproduktionen (überraschenderweise Lortzing) sowie das prestigeträchtige Sinfoniekonzert beim Musikfest Berlin: international gefragt und nach langen Jahren bei der Potsdamer Kammerphilharmonie in der Gegend gut vernetzt. Aber vielleicht sollte man der Deutschen Oper angesichts weiter anstehender Verteilungskämpfe größere Kaliber, warum nicht: à la Nott oder Honeck wünschen. Aber, wie gesagt: Wer weiß, wie es kommt in den kommenden Spielzeiten an der Bismarckstraße. So oder so, Doris Soffel wird dabei sein – etwa als Madelon in „Andrea Chenier“. Gut so.

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