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Harald Heker und die GEMA haben gewonnen gegen YouTube. Foto: Hufner
Harald Heker und die GEMA haben gewonnen gegen YouTube. Foto: Hufner
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YouTube unterliegt der GEMA vor dem Landgericht Hamburg und muss bestimmte Inhalte sperren [Update]

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Das Landgericht Hamburg hat heute in erster Instanz in sieben von 12 Fällen einer Klage der GEMA gegen YouTube stattgegeben. Danach ist es YouTube untersagt, sieben von der GEMA genannte Werke, die sie als Verwertungsgesellschaft vertritt, weiterhin zugänglich zu halten. Damit hat ein Prozess um die Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials auf der Videoplattform YouTube keineswegs ein Ende gefunden. Die Entscheidung bezieht sich nur auf jene sieben genannten Werke. Dennoch ist die Entscheidung unter Umständen folgenreich.

Denn in der Sache, YouTube für die Nutzung urheberrechtlich geschützen Materials haftbar zu machen, hat das Gericht der GEMA recht gegeben. Prinzipiell könnte die GEMA nun ihr komplettes Repertoire für die Verwendung bei YouTube sperren lassen. Das will sie aber gar nicht. Sie hat gar kein Interesse daran. Das Interesse der GEMA ist es, dass YouTube als Betreiber der Videoplattform urheberrechtlich über die GEMA geschütztes Material lizenziert. 

Und da liegt der Hase im Pfeffer. Das will YouTube nicht, denn das kostet. Aus dem Schneider wäre YouTube, wenn es sich die Nutzer an den Kosten beteiligen lassen wollte. Nur scheint dabei die Angst vorzuherrschen, das dann die Nutzung der Video-Plattform nachlassen würde. In netzaffinen Kreisen schiebt man nun den schwarzen Peter der GEMA zu. Sie verhindere den ungebremsten Gebrauch urheberrechtlich geschützten Materials. Das ist jedoch nicht richtig. 

Richtig ist vielmehr, dass YouTube seine Nutzer im Regen stehen lässt. YouTube sagt zur Frage des Urheberechts selbst:

„YouTube respektiert die Rechte der Urheberrechtsinhaber und Publisher und verlangt von allen Nutzern eine Bestätigung darüber, dass sie der Urheberrechtsinhaber sind oder von diesem dazu berechtigt wurden, den Content hochzuladen. Wir halten uns an das US-amerikanische Urheberrechtsgesetz (Digital Millennium Copyright Act) und andere geltende Urheberrechtsgesetze und entfernen umgehend Content, über den wir ordnungsgemäß benachrichtigt wurden.

Die Videos von Personen, die wiederholt gegen die Urheberrechtsgesetze verstoßen, werden entfernt und ihre Konten werden geschlossen und dauerhaft für die YouTube-Nutzung gesperrt. Nutzer mit vorübergehend oder dauerhaft geschlossenen Konten dürfen weder neue Konten erstellen, noch auf die Community-Funktionen von YouTube zugreifen.“ (http://www.youtube.com/t/copyright_faq)

YouTube stellt sich also keineswegs hinter die Urheberrechtsverletzung sondern sanktioniert diese sogar. Zum Teil mit Mitteln, wie sie die Musikindustrie in Deutschland auch realisiert wünschte. Mit einem Two-Strikes-Modell. 

„7.2 Entsprechend YouTubes Copyright-Richtlinie wird YouTube den Nutzerzugang zu der Webseite sperren, wenn ein Nutzer als wiederholter Verletzer identifiziert wird. Ein wiederholter Verletzer ist ein Nutzer, der mehr als zwei Mal wegen verletzender Handlungen ermahnt wurde.“ (http:// http://www.youtube.com/t/terms)

Nur: YouTube selbst unternimmt aktiv nichts, um diese Regeln durchzusetzen. Es verlangt das Einschreiten des Besitzers der Rechte an dem Material, sei es Musik oder Film. Der Vorgang ist bei YouTube dokumentiert und einigermaßen umständlich. Die Frage ist: Darf sich jemand so einfach aus der Verantwortung stehlen? YouTube sagt: Ja. Die GEMA sagt: Nein. Und die GEMA hält die Türen ja offen. Lizenziert YouTube das Material, ist alles wieder gut.

Mit welchen Bandagen in den Verhandlungen zwischen YouTube und der GEMA gearbeitet wird, ist zum Beispiel an den Seiten zu erkennen, in den YouTube kenntlich zu machen versucht, dass es nicht die Rechte an der Nutzung des Materials eingeräumt bekommen hat. Die Formulierung ist so raffiniert abgefasst, dass sie nicht justiziabel ist, dennoch aber die Verantwortung für die Ausblendung des Inhalt mehr oder weniger deutlich der GEMA zuschiebt. Aber das nur am Rande.

Wie es weitergeht? Fragen wir die Glaskugel und warten wir den Wortlaut des Urteils des Gerichts ab.

„Die Richter verhängten bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von im Einzelfall bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft von höchstens sechs Monaten. YouTube kann gegen das Urteil Revision beim Oberlandesgericht Hamburg einlegen“, schreibt die FAZ. Davon ist mindestens auszugehen. Und das kann der echte Haken an der Geschichte sein. Im Prinzip muss YouTube jetzt jeden Upload daraufhin prüfen, ob sich eines der gesuchten Werke darunter befindet, sonst droht ja das Ordnungsgeld. Das allerdings muss man dann auch erst einmal einfordern. Bei Goodwill beider Seiten. sind Perspektiven für eine zukünftige Zusammenarbeit vielleicht doch nicht so schlecht.

Update: Jetzt liegt auch die Meldung der GEMA selbst vor. Danach sind die von YouTube vorzunehmenden Vorkehrungen relativ umfangreich. Die GEMA nennt sie zumutbar:

"YouTube kann die Rechteinhaber insbesondere nicht einfach nur auf das von YouTube eingerichtete Content-Verifizierungs-Verfahren verweisen, sondern muss darüber hinaus die angebotenen Musikwerke mit Fingerprints bestücken. Ferner muss YouTube zukünftig einen Wortfilter einsetzen. "

Automatiken wie die erwähnten sind freilich auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Die brechen Dinge übers Knie, die manchmal nicht über das Knie gebrochen werden sollten.

Stern online hat auch Reaktionen von Google/YouTube aufgeschnappt::

  • «Wir haben in der Hauptsache gewonnen und werden das Urteil akzeptieren.» (Google-Sprecher Kay Oberbeck nach der Urteilsverkündung des Hamburger Landgerichts im Rechtsstreit mit der Verwertungsgesellschaft Gema)
  • «Im Grunde stimmen wir überein, dass Musik auch entlohnt werden muss.» (Google-Sprecher Kay Oberbeck nach der Urteilsverkündung im Prozess gegen die Verwertungsgesellschaft Gema)
  • «Die Gema sperrt sich nicht gegen Verhandlungen.» (Gema-Anwältin Kerstin Bäcker zu der Frage, ob die Parteien nach dem Urteil wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren)
  • «Wir wollen wieder mit der Gema an den Verhandlungstisch.» (Google-Sprecher Kay Oberbeck ebenfalls zu der Frage, ob die Parteien die Verhandlungen über Mindestvergütungen nach dem Rchterspruch vom Freitag wieder aufnehmen wollen)

Es wäre also jetzt nichts falscher, als in einer konfrontativen Haltung bockig zu werden, sondern endlich nach vorne zu denken. 

Die Reaktion des Branchenverbandes BITKOM (Bundesverband Informationstechniik, Kommunikation und Neue Musik e.V.) muss man mit gemischten Gefühlen sehen. Sie begrüßen, dass YouTube nicht als Inhalteanbieter sondern als Hostprovider angesehen wird, was die GEMA wohl anders auffasste und in diesem Punkt in der Klagebegründung scheiterte. Aber BITKOM befürchtet: „Wir müssen aufpassen, dass Deutschland bei Online-Musikangeboten nicht abgehängt wird.“ Geht also Geschäft vor Recht? Etwas eigenartig diese Auffassung. 

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