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+++ Zappa füllte Musikhalle - Vier Zugaben beim schillernden Eröffnungskonzert des Hamburger Musikfests +++ Magazin: Streit um Gage des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker +++ Rheingau Musikpreis 2002 für Michael Quast +++ Promi-Aufmarsch am Kulturtempel - Dortmunder Konzerthaus eröffnet +++ Mehr als 30 000 Besucher bei «Schleswig Holstein singt» +++ Lucerne Festival - Sommer 2002 ++++
Zappa füllte Musikhalle - Vier Zugaben beim schillernden Eröffnungskonzert des Hamburger MusikfestsHamburg (ddp-nrd). Frank Zappa - ein Musiker der Extreme. Von dem Komponisten und Rockmusiker stammt unter anderem der frivole Ohrwurm «Bobby Brown», eine Persiflage auf den Abstieg eines US-Dreamboys, und in den 70er Jahren eroberte Zappa auf dem Klo sitzend als Postermotiv die Wohngemeinschaften. Seine bissigen Texte trugen dem Amerikaner entweder Achtungserfolge oder harsche Kritik ein. Mit Zappas schwieriger Komposition «Greggery Peccary & Other Persuasions» startete am Freitagabend das 3. Hamburger Musikfest. Am Ende belohnte das Publikum die Aufführung in der Musikhalle mit stehenden Ovationen. Das Ensemble Modern revanchierte sich mit vier Zugaben des Meisters. Die zufriedenen Mienen der Konzertbesucher waren nach dem mehr als zweistündigen Musikspektakel deutlich in der Überzahl. Drei Viertel der Eintrittskarten waren verkauft - ein guter Start für das Hamburger Musikfestival. Dabei war in den vergangenen Tagen wegen des schleppenden Vorverkaufs noch Kritik an dem hoch subventionierten Festival laut geworden. Der musikalische Initiator, Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher, konterte, Hamburg brauche dieses in Deutschland einzigartige Festival «als eine Stadt mit Zukunft». Wo sonst könne man Jazz und Klassik des 20. Jahrhunderts in dieser Bandbreite von den bekanntesten Interpreten der Moderne hören. Bis zum 22. September stehen unter anderem das New Yorker Ensemble Kristjan Järvi\'s Absolute und das Londoner Arditti Quartet in Hamburg auf der Bühne. Gespielt werden Werke von Zvi Avni und Hans Krasa bis hin zu Leonard Bernstein und John Cage. Auf dem Programm stehen auch eine Uraufführung von Wolfgang Rihm und die Präsentation von Michael Jarrells spektakulärem Stück «Kassandra». Für die Festivalleitung war Zappa eine rockige Herausforderung, denn Seine Komposition galt als unspielbar für Orchester. Die Stücke klingen wie eine Mischung aus Filmmusik und vertonten Comic-Strips mit Erzähler und einer Heldenfigur, gesprochen von dem Stimmakrobaten Omar Ebrahim und dem Sänger David Moss. Das Frankfurter Ensemble Modern hatte bereits 1992, ein Jahr vor dem Tod Zappas, in Zusammenarbeit mit dem Komponisten das Projekt «The Yellow Shark» in Angriff genommen. Dass es überhaupt zu einer Aufführung der «Greggery-Story» Jahre nach Zappas Tod kam, ist Ali N. Askin zu verdanken. Er hatte als Notenassistent für Zappa gearbeitet und einige Stücke aus «The Yellow Shark» orchestriert. Aus dem Nachlass arrangierte Askin mit dem 19-köpfigen Ensemble Modern die Geschichte von dem Schweinchen namens Greggery. Dirigent war der Amerikaner Jonathan Stockhammer, der sichtlich Spaß an der schillernden und unkonventionellen Konzert-Show hatte.
Dass die meisten Besucher nur wenig von Greggerys englischsprachigen Abenteuern in der skurrilen Werbewelt verstanden haben, tat der Begeisterung keinen Abbruch. Als der letzte Grunzer des Schweinchens verklang, waren sich alle einig: Zappa war ein genialer Musiker. Wer die Komposition noch einmal im Detail nachvollziehen will, muss sich noch bis Ende 2003 gedulden. Dann soll die Schweinchen-Story auf CD erscheinen. ( http://www.hamburger-musikfest.de)
Magazin: Streit um Gage des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker
München (ddp-bay). Um die Gage des künftigen Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker ist nach Informationen des Magazins «Focus» ein Streit entbrannt. Christian Thielemann, aussichtsreichster Kandidat und derzeit Dirigent der Deutschen Oper in Berlin, solle in München lediglich die Hälfte von den rund 950 000 Euro bekommen, die Noch-Chefdirigent James Levine erhalte. Orchester-Intendant Bernd Gellermann habe Münchens Kulturreferentin Lydia Hartl deshalb mit den Worten kritisiert: «Thielemann kennt Finanzsorgen in Berlin und München. Aber eine solche Summe ist für ihn nicht ok.» Thielemanns Manager habe unterdessen durchblicken lassen, sein Schützling sei weiter an dem Job in München interessiert, schreibt das Magazin weiter.
Rheingau Musikpreis 2002 für Michael Quast
Oestrich-Winkel (ddp-swe). Der Schauspieler und Kabarettist Michael Quast ist am Sonntag mit dem Rheingau Musikpreis 2002 ausgezeichnet worden. Der Künstler nahm den mit 10 000 Euro dotierten Preis im Rahmen einer Feierstunde beim Rheingau Musik Festival in Oestrich-Winkel entgegen. In der Jury-Begründung hieß es, Quast gebühre «höchste Anerkennung» für sein musikalisches Wirken, insbesondere für seine Interpretationen der Operetten von Jaques Offenbach. Quast ist der neunte Träger der Auszeichnung, die vom Rheingau Musik Festival ins Leben gerufen wurde und vom hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst finanziert wird. Der Preis wird nach Angaben der Festivalgesellschaft jährlich verliehen und ehrt renommierte Künstler, Komponisten, Musikwissenschaftler oder musikalische Institutionen. Bisherige Preisträger sind unter anderen der Geiger Gidon Kremer (1996), der japanische Komponist Toshio Hosokawa (1997) sowie Helmuth Rilling und seine Internationale Bachakademie Stuttgart (2000).
Quast wurde 1959 in Heidelberg geboren und studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Engagements führten ihn unter anderem an die Frankfurter Oper, zu den Hamburger Kammerspielen und ans Staatstheater Mainz.
Promi-Aufmarsch am Kulturtempel - Dortmunder Konzerthaus eröffnet Dortmund (ddp-nrw). Pommesgeruch von «De Frietjes» mischte sich mit süßem Parfüm von «Chanel». Fußball-Fans in schwarz-gelben Borussia-Trikots drängten sich nach Abpfiff des Revierderbys gegen Schalke noch schnell durch die Schlangen von Schlipsträgern. Das neue Dortmunder Konzerthaus erlebte am Samstag mit dem Auftritt des Deutschen Symphonie-Orchesters nicht nur sein offizielles Eröffnungskonzert, sondern auch den Aufmarsch zahlreicher Prominenter aus Politik, Kultur und Wirtschaft. Die Gästeliste war lang: NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD), der Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos), aber auch Erfolgs-Autorin Hera Lind oder Popstar Sasha sowie zahlreiche andere ließen sich den musikalischen Auftakt in der Philharmonie für Westfalen nicht entgehen. Der Spagat schien gelungen. Während draußen die Jeansträger noch schnell «Pommes rot-weiß» bestellten, wurden drinnen Schnittchen gereicht - und Bier aus kleinen Flaschen serviert. Schauspieler wie Martin Semmelrogge und Sissi Perlinger oder der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, überbrachten Intendanten Ulrich Andreas Vogt ihre besten Glückwünsche.
Dabei verriet Spiegel, dass er bereits das zweite Mal ein Dortmunder Kulturereignis erlebe: 1966 sei er bei der Eröffnung des Opernhauses schon dabei gewesen. Landesvater Clement bezeichnete den Musiktempel als «Gewinn für ganz Nordrhein-Westfalen» - und versprach dem Intendanten: «Sicherlich werden sich gelegentlich auch einige Rheinländer hierher verirren.» Dem verbalen Lobgesang folgte - wenn auch mit Verspätung - der musikalische Hochgenuss. Bevor das Symphonie-Orchester unter Chefdirigent Kent Nagano den rund 48 Millionen Euro teuren Bau auf die akustische Probe stellen konnte, galt es allerdings zu warten. Schließlich sollte das Konzert nicht nur Dortmunder Kultur-, sondern auch europaweites Fernsehereignis werden. «Die Kollegen von der Tagesschau überziehen. Sie sind noch nicht einmal beim Wetter», verriet der Aufnahmeleiter des Fernsehteams von 3Sat den Konzerthaus-Besuchern. Und so wartete Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 9 das Wetter ab, bevor «Freude schöner Götterfunken» den Raum erfüllte. Die Klänge der Streicher und Bläser eroberten rasch jeden Winkel des Musiktempels - einschließlich der Besucher. Der auf Spitzenklang getrimmte Raum, der sich in seiner Bauweise an den Saal des Wiener Musikvereins orientiert, präsentierte sich mit einer feinen und gewaltigen Akustik. Schnell zeigte sich, was es heißt, wenn Toningenieure bei der Bauplanung den perfekten Ton bedenken. Eine der Finessen sind die 248 Bohrlöcher unter jedem der 1550 Sitze, die störende Restgeräusche der Besucher schlucken sollen.
Als akustisch «gnadenlos» hatte Intendant Vogt den Raum deshalb bezeichnet. Jeder Fehler des Orchesters sei bis in die letzte Reihe zu hören, betonte er. Vielleicht hatte Bundespräsident Johannes Rau von dieser unbarmherzigen Akustik des Musiktempels gehört, denn der ehemalige Ministerpräsident NRWs hatte seinen Besuch kurzfristig abgesagt. Er musste eine Erkältung auskurieren. (Internet: http://www.konzerthaus-dortmund.de)
Netopil gewinnt Dirigentenwettbewerb - Kein erster Preis
Frankfurt/Main (ddp-swe). Beim 1. Internationalen Dirigentenwettbewerb «Sir Georg Solti» in Frankfurt am Main ist der Tscheche Tomás Netopil als Gewinner hervorgegangen. Beim Finale der besten drei Teilnehmer am Sonntag in der Alten Oper konnte sich der 27-Jährige gegen Ching-Po Chiang aus Taiwan und den Deutsch-Armenier Rouben Gazarian durchsetzen. Netopil erhielt allerdings nur den mit 10 000 Euro dotierten zweiten Preis. Auf die Vergabe des mit 15 000 Euro dotierten ersten Preises verzichtete die Jury.
Die Wettbewerbsbeiträge des 32-jährigen Chiang und des 31-jährigen Gazarian würdigte die Jury mit jeweils einem dritten Preis zu je 5000 Euro. Die Entscheidung, auf einen ersten Preisträger zu verzichten, begründete der Jury-Vorsitzende Michael Gielen nach Angaben einer Sprecherin mit der Gesamtbewertung der Finalisten. Dabei sei auch die Probensituation sowie die Entwicklungsfähigkeit der Dirigenten berücksichtigt worden.
Der Solti-Wettbewerb wurde gemeinsam von der Alten Oper, der Frankfurter Oper, der Franfurter Museumsgesellschaft und der Kultur-Stiftung der Deutschen Bank initiiert. Für den Dirigenten-Wettbewerb waren aus insgesamt 173 Bewerbern 24 Teilnehmer aus 19 Ländern ausgewählt worden. Die Finalisten mussten «Don Juan» von Richard Strauss, Igor Strawinskys «Der Feuervogel» und Maurice Ravels «Daphnis et Chloe» vortragen. Nach der Preisverleihung gab Netopil die Ouvertüre zu «Der Freischütz» von Carl Maria von Weber als Abschlusskonzert.
Mehr als 30 000 Besucher bei «Schleswig Holstein singt»
Kiel (ddp-nrd). Mehr als 30 000 Menschen haben am Samstag den ersten landesweiten Chorwettbewerb Schleswig-Holsteins in Kiel besucht. Wie die Veranstalter von «Schleswig Holstein singt» am Sonntag mitteilten, waren mehr als 100 Chöre auf vier Bühnen aufgetreten. 26 Chöre hatten an einem musikalischen Wettbewerb teilgenommen. Bei den Männerchören siegten die «Männerstimmen der Chorknaben Uetersen», bei den Gemischten Chören «I Vocalisti» aus Lübeck.
Lucerne Festival - Sommer 2002 – erfolgreich mit Sinfonik und Moderne
Mit Werken von Bach, Boulez und Bruckner, musiziert vom Chicago Symphony Orchestra unter der Leitung von Daniel Barenboim, ing LUCERNE FESTIVAL, SOMMER 2002 am heutigen Sonntag, dem 15. September zu Ende. Das Festival war in diesem Jahr dem Thema «Verführung» gewidmet, das sich in verschiedenen Konzertzyklen, einem Symposium, Ausstellungen und einem Festival-Fringe entfaltete.
In den viereinhalb Festivalwochen war die in Luzern bisher längste Serie von 32 Sinfoniekonzerten zu hören. Im Eröffnungskonzert wurde die Aufführung von Belá Bartóks «Herzog Blaubarts Burg» mit Ivan Fischer und dem Budapest Festival Orchestra zum ersten Höhepunkt. Triumphal gefeiert wurden die Uraufführung von Hans Werner Henzes Sinfonia N. 10 mit Simon Rattle am Pult des City of Birmingham Symphony Orchestra, die halbszenische Aufführung von Wagners «Parsifal» unter der Leitung von Claudio Abbado, die drei Konzerte der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Pierre Boulez und die Konzertserie der Wiener Philharmoniker mit Mariss Jansons.
Mit erstmals fünf «orchestras-in-residence», die sich in je drei Konzerten präsentierten, waren aussergewöhnliche Programmkonstellationen und intensive künstlerische Begegnungen möglich.
Die Auslastung bei den Sinfoniekonzerten lag in diesem Jahr bei 94%.
Das in den vergangenen Jahren stetig gewachsene Interesse an der Moderne erfuhr in diesem Sommer eine weitere Steigerung: zeitgenössische Musik stand sowohl in der Reihe moderne.lucerne und den Late Night-Konzerten als auch in den Sinfoniekonzerten, der Reihe debut.lucerne und den Kammerkonzerten auf dem Programm. Insgesamt 12 neue Werke kamen zur Uraufführung. Die Auslastung der Reihe moderne.lucerne lag in diesem Jahr bei 79% (2001: 68%).
Mit den composers-in-residence Pierre Boulez und Olga Neuwirth sowie artiste étoile Alfred Brendel standen drei herausragende Künstlerpersönlichkeiten im Zentrum des Festival-Programms. In fünf Konzerten sowie einem Round-Table konnte das Publikum den Pianisten Alfred Brendel in ganz unterschiedlichen Facetten kennenlernen. Pierre Boulez war gleichermassen als Komponist, Dirigent, Lehrer und Gesprächspartner zu erleben. Insgesamt 15 Werke seines Oeuvres wurden aufgeführt. Olga Neuwirths Musik wurde in vier ganz unterschiedlichen Konzert-Programmen vorgestellt. Bejubelter Höhepunkt der ihr gewidmeten Portrait-Reihe war die Koproduktionen ihres Musiktheaters «Bählamms Fest» mit dem luzernertheater (Dirigent: Christian Arming; Inszenierung: Kazuko Watanabe).
Grosses Engagement für junge Musiker zeigte LUCERNE FESTIVAL in einem breiten Spektrum – von der zunehmend beliebten Reihe «Children’s Corner» bis zur Verleihung des bedeutenden CREDIT SUISSE GROUP Young Artist Award.
LUCERNE FESTIVAL, SOMMER umfasste in diesem Jahr 75 Konzerte und zahlreiche Zusatzveranstaltungen (Einführungen, Round-Tables, Meisterkurse, Workshops). Insgesamt kamen 78.800 Besucher zu den Veranstaltungen, das sind 6% mehr als im vergangenen Jahr. Die Gesamtauslastung beträgt wie im Vorjahr 85%. Durch Kartenverkauf wurden insgesamt 10,5 Mio. CHF erzielt, das sind mehr als 50% des Gesamtbudgets.
Über 250 Medienvertreter aus 24 Ländern waren bei LUCERNE FESTIVAL, SOMMER 2002 akkreditiert. Rundfunkaufzeichnungen von 33 Konzerten wurden von zahlreichen internationalen Radiostationen übertragen.
Herausragend bei LUCERNE FESTIVAL, SOMMER war nicht zuletzt das Publikum – zahlreich, stets aufgeschlossen und begeistert. In der Presse wurde es als «das gediegenste, verständigste, dankbarste Musikpublikum der Welt» gewürdigt.