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Erzbistum lässt nicht locker - Streit um Corpus Christi geht weiter+++Lenz und Enquist lesen beim Welttag des Buches in Berlin+++Frauen im Patriachat - Deutsch-iranische Koproduktion in NRW zu sehen+++Frischer Frisch - Deutsches Schauspielhaus in Hamburg zeigt Lehrstück+++Der Durchschnittsmensch als Mörder+++«Effi Briest» kommt ins Chemnitzer Theater+++«Mit dem Buch auf die Reise gehen»+++Inselgeist kommt zum «Theatrum»+++Bücher sind in Hessen auf dem Vormarsch+++
Köln (ddp-nrw). Der Rechtsstreit um das in Köln inszenierte Theaterstück «Corpus Christi» geht in die nächste Runde. Das Erzbistum Köln legte Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen ein, wie es am Mittwoch berichtete.Durch die Inszenierung wird nach Auffassung der Kölner Staatsanwaltschaft niemand in seiner Religionsausübung gestört oder eingeschränkt. In dem Stück seien weder strafrechtlich relevante grobe Beschimpfungen enthalten noch werde der öffentliche Friede gestört, hatte die Behörde am Montag erklärt und die Ermittlungen eingestellt. Das Erzbistum hatte im Oktober vergangenen Jahres Strafanzeige gegen die Aufführung erstattet, in der Jesus und seine Apostel als trinkfreudige Schwule dargestellt werden.
Das Erzbistum kritisierte nun, der einschlägige Paragraph 166 im Strafgesetzbuch sei in seiner gegenwärtigen Fassung und in seiner Anwendung völlig ungeeignet, das religiöse Empfinden von Christen zu schützen. Man wolle alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.
«Mit dem Buch auf die Reise gehen»
Berlin (ddp-bln). Zum dritten Mal wird am Dienstag bundesweit der Welttag des Buches gefeiert. Rund 4000 Buchhandlungen und Bibliotheken laden unter dem Motto «Mit dem Buch auf die Reise gehen» zu vielfältigen Lesungen ein, sagte Ruth Klinkenberg vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Donnerstag in Berlin. In der Bundeshauptstadt findet ein großes Lesefest im Haus der Kulturen der Welt bereits am Sonntag statt. Höhepunkt der Veranstaltung sind Lesungen von Siegfried Lenz und Per Olov Enquist und ein anschließendes Gespräch beider.
Zum zweiten Mal erscheint aus Anlass des UNESCO-Welttages des Buches die «editionWelttag», gemeinsam herausgegeben vom Börsenverein und vom P.E.N.-Zentrum Deutschland. In diesem Jahr stellt das Buch «Zaungast» sieben bisher wenig bekannte Reiseerzählungen von Siegfried Lenz vor. Die «editionWelttag» war bei ihrer Premiere 2001 dem Werkstattbericht «Fünf Jahrzehnte» von Literaturnobelpreisträger Günter Grass vorbehalten. «Zaungast» ist ab Samstag für 7,50 Euro in den Buchläden erhältlich. Einen Teil der Erlöse erhält das P.E.N.-Zentrum zur Unterstützung ihrer Aktion «writers in prison».
Neben der Lesung mit Siegfried Lenz und Per Olov Enquist veranstaltet der Verband der Verlage und Buchhandlungen Berlin-Brandenburg im Haus der Kulturen der Welt am Sonntagnachmittag ein Kinderprogramm. Eine Mal- und Comicwerkstatt, eine Theateraufführung in deutscher und türkischer Sprache und eine Lesung mit Martina Dierks aus «Der Feenkrieg» laden die jüngeren Bücherfans ein, sagte der Geschäftsführer des Verbands, Detlef Bluhm. Shirin Zareh erzählt Märchen aus dem Iran. Der Eintritt zum Kinderprogramm ist frei.
Berlin hat sich nach Angaben von Bluhm in den vergangenen Jahren zur Hauptstadt der Autoren entwickelt. 65 Prozent aller P.E.N.-Autoren lebten inzwischen in Berlin. Nach München nimmt Berlin bei der Anzahl der produzierten Titel den zweiten Platz ein. In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat sich die Verkaufsfläche für Bücher in der Stadt von 50 000 Quadratmetern auf 85 000 Quadratmeter vergrößert. Die Folge sei ein zunehmender Konkurrenzdruck vor allem auf Läden kleiner und mittlerer Größe, betonte Bluhm. Sie müssten als erste aufgeben. 2001 waren 40 Mitglieder des Berlin-Brandenburger Verbandes davon betroffen gewesen. Er rechne mit einer ähnlich hohen Zahl auch in diesem Jahr.
Die UNESCO hatte 1995 auf Antrag der Region Katalonien den 23. April zum Welttag des Buches erklärt. In Katalonien besitzt das Lesefest bereits seit 1923 den Rang eines Volksfestes. Menschen der Region um Barcelona schenken sich an diesem Tag Bücher und Rosen. Auch in Deutschland wollen viele Buchhandlungen ihre Besucher am 23. April mit einer Rose empfangen, sagte Ruth Klinkenberg.
Weitere Informationen unter www.welttag-des-buches.de
Roberto Ciullis Teheraner Inszenierung «Bernarda Albas Haus»
Mülheim/Ruhr (ddp-nrw). Am 28. April (Sonntag) steht in der Mülheimer Stadthalle die Deutschland-Premiere von Roberto Ciullis Teheraner Inszenierung «Bernarda Albas Haus» auf dem Programm. Dabei handele es sich um die erste deutsch-iranische Koproduktion seit über 20 Jahren, wie eine Theatersprecherin am Donnerstag berichtete. Sie sei das Ergebnis der langjährigen Kooperation des Theater an der Ruhr mit dem Dramatic Arts Center des iranischen Kultusministeriums. Federico Garcia Lorcas Stück von 1936 erzählt von Frauenschicksalen in einer archaisch-patriachalischen Gesellschaft.
1996 reiste Theaterchef Ciulli erstmals in den Iran, um die Möglichkeuten eines Austausch zu erkunden. Sein Theater an der Ruhr war 1999 das erste westliche Ensemble, das seit der Islamischen Revolution vor 23 Jahren dort auftrat. In diesem Jahr inszenierte Ciulli auch mit iranischen Schauspielerinnen «Bernarda Albas Haus».
(Internet: www.theater-an-der-ruhr.de)
«Biedermann und die Brandstifter»
Hamburg (ddp). Max Frisch ist an den großen deutschen Bühnen etwas aus der Mode gekommen. Zu viele staubige Aufführungen haben dem Zuschauer das Hinschauen verleidet. Doch es geht auch anders: Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg brachte am Mittwochabend eine Neuinszenierung von Frischs «Biedermann und die Brandstifter» auf die Bühne, die im wahrsten Sinne des Wortes eine brandaktuelle Bestandsaufnahme der großen aktuellen politischen Krisen der Welt bietet. Regisseur Sebastian Hartmann inszenierte das Lehrstück ohne Lehre, wie Frisch selbst es nannte, mit Anspielungen auf amerikanischen Größenwahn und deutsches Wegschauen. Eine Parabel über das Versagen feigen konformistischen Denkens gegenüber der Realität des Bösen.
Herr Biedermann (Peter Rene Lüdicke) wohnt gediegen, ist sportlich, dynamisch und selbstbewusst. Der Blick aus seiner gestylten Wohnung fällt durch ein großes Fenster auf die Hamburger Alster und ihre weißen Villen. Während er bei seiner häuslichen Zeitungslektüre über die andauernden Brandstiftungen schimpft und rigorose Strafen für die Brandstifter fordert, kommt ein Hausierer (Thomas Lawinky) zu ihm. Er lädt sich praktisch selbst bei Biedermann ein und appelliert an seine Menschlichkeit. Unterwürfig, anbiedernd und mit missglücktem Humor bewirtet Biedermann seinen ungebetenen Gast, schließlich will er als human und tolerant erscheinen.
Er lässt ihn und einen weiteren Hausierer (Guido Lambrecht) auf dem Dachboden wohnen und schreitet selbst dann nicht ein, als sie dort Benzinfässer stapeln. «Wenn wir die beiden rauswerfen, machen wir sie zu unseren Feinden, aber wenn wir sie zum Essen einladen, werden sie unsere Freunde», redet er sich und seiner Frau ein. Schließlich rüstet Biedermann seine Vernichter selbst hoch - er gibt ihnen die geforderten Streichhölzer, um das Inferno zu entfachen. Eine kurze Video-Einspielung mit Szenen eines amerikanischen Angriffs im Vietnamkrieg und Richard Wagners «Walkürenritt» zeigen, wohin das feige Wegschauen führt.
Ein Feuerwehrmann (Wilhelm Eilers), gleichsam wie ein Chor in der antiken Tragödie, schreitet warnend und mahnend durch die Handlung, weist auf die sich anbahnende Katastrophe hin. «Es ist nicht Schicksal, was Biedermann zu erleiden hat, sondern sinnloser und gefährlicher Blödsinn», stellt er fest. «Nicht alles, was feuert, ist Schicksal und Unabwendbares.» Herr und Frau Biedermann (Cordelia Wege) kommen gemeinsam in dem Feuer um.
In der zweiten Hälfte der Spielzeit hatte das Deutsche Schauspielhaus extra Raum gelassen, um mit Neuinszenierungen auf aktuelle politische Themen und Auseinandersetzungen zu reagieren. Mit «Biedermann und die Brandstifter», so hatte die Intendanz im Februar angekündigt, habe man eine literarische Reaktion auch auf die Fragen nach den Ereignissen des 11. September in den USA gefunden.
Regisseur Hartmann, am Schauspielhaus bereits durch «Die Räuber» von Friedrich Schiller aufgefallen, hat den Klassiker perfekt entstaubt. Auch für die Bühne beim Biedermann zeichnet er selbst verantwortlich. Das überwiegend junge Premierenpublikum war begeistert über die neue Frische bei Frisch.
Zadeks Inszenierung von LaButes «Bash» am Deutschen Theater in Berlin
Berlin (ddp-bln). Der Termin spricht für die Bedeutung der deutschen Kulturhauptstadt. «Bash - Stücke der letzten Tage» erlebte seine deutsche Erstaufführung vor etwa einem Jahr in Hamburg, sofort anschließend war die Inszenierung von Peter Zadek in Wien und Recklinghausen zu sehen und jetzt, nachdem sie Zeit zum Reifen hatte, ist sie am Deutschen Theater Berlin angekommen. Allerdings: Das Warten auf diese Inszenierung hat sich gelohnt. Das Berliner Premierenpublikum feierte Zadek und seine hervorragend eingestellten Darsteller am Mittwochabend mit lang anhaltendem Beifall.
Für Neil LaBute, 1961 geborener amerikanischer Autor und vor «Bash» (auf Deutsch: «Schlag») vor allem durch seine Filme bekannt, ist die Sache klar: «Bash» ist ein Spiegel der Wirklichkeit, ob man hineinsehen mag, ist eine andere Sache. LaButes Figuren, sozial und psychisch dem «Durchschnittsmenschen» angenähert, unterscheiden sich von diesem allerdings in einer Hinsicht: Sie sind Mörder. Ein Familienvater tötete seine Tochter, ein Student einen Homosexuellen, eine Frau ihren Sohn. Diese Handlungen gehören zur Vergangenheit der Personen, das Stück besteht aus reiner Berichterstattung. Obwohl in der Bühnengegenwart nicht viel passiert, ist die Wirkung erstaunlich, die das Berichtete und die Art des Berichtens hinterlässt.
Peter Zadek interessierten weniger die Mordgeschichten, die vom Autor kunstvoll entfaltete Dramaturgie der Selbstenthüllung. Die Morde sind für den Regisseur nur Theaterkonstruktionen. Hinter diesen jedoch stehen Zadek zufolge allgemeinere, verbreitetere «Mickrigkeiten und Pissigkeiten», der sich summierende Anteil aller an der «großen Schweinerei». Zadeks Inszenierung legt «durchschnittliche» Zustände bloß, die zu Katastrophen führen, die etwa aus einem gewöhnlichen Vertreter einen Mörder machen können. Dieser Mann tötet seine Tochter, nachdem ein Freund ihn mit der Nachricht, er würde seinen Job verlieren, gefoppt hat. Für Zadek ist diese Geschichte Symptom eines schrecklichen, erbärmlichen Lebens.
Ben Becker spielt diesen Mann, der mit niemandem über seine Tat reden kann außer mit dem Publikum. Uwe Bohm und Judith Engel sind ein junges studentisches Pärchen, sie voller Willen zum unbeschwerten Glücklichsein, er mit dem Anzug voller Blut. Judith Engel schließlich ist auch die Frau, die ihren Sohn tötet, um sich an ihrem ehemaligen Lehrer und Liebhaber, der sie verlassen hat, zu rächen. Zadeks Protagonisten setzen ganz auf einen realistischen, fast beiläufigen Ton, zum dem das berichtete Alltägliche zunächst noch gut zu passen scheint, dann aber in einen erschütternden Kontrast gerät. Ein Theaterabend mit Nachhaltigkeitsgarantie. Nach der Vorstellung erhielt der Regisseur das Bundesverdienstkreuz für seinen Beitrag zur Entwicklung des Theater- und Musiktheaterlebens in Deutschland.
«Effi Briest» kommt ins Chemnitzer Theater
Chemnitz (ddp). Eine Theateradaption von Theodor Fontanes Roman «Effi Briest» kommt am Samstag im Chemnitzer Schauspielhaus heraus. In der Bühnenfassung sei eine junge Sicht auf das zeitlose Thema des 1894 erschienenen Prosawerks gelungen, teilten die Städtischen Theater in Chemnitz mit. Die Autoren Carsten Knödler und Claudia Philipp hätten die literarische Vorlage mit großem Respekt vor Fontanes Sprache dramatisiert. Das zeige sich unter anderem in nahe am Original bleibenden Dialogen. Knödler, der als Regisseur am Schauspielhaus engagiert ist, hat das Stück auch in Szene gesetzt.
Judith Raab spielt die Rolle der Effi, die mit dem doppelt so alten Baron von Instetten verheiratet wird. Der Ehe fehlt es an Abwechslung und vor allem an Liebe, so dass sich die junge Frau dem lebenslustigen Major Crampas zuwendet. Als Instetten von der Beziehung erfährt, fordert er seinen Nebenbuhler zum Duell und tötet ihn. Seine junge Ehefrau verstößt er nach der Affäre.
(www.theater-chemnitz.de)
Inselgeist kommt zum «Theatrum»
Rothenburg (ddp-lsc). Theatralisches auf Bühnen, Dächern und Plätzen verspricht die Kulturinsel Einsiedel im ostsächsischen Zentendorf für das Wochenende. Zum «Theatrum» am Samstag und Sonntag hat sich die Freizeitoase zwischen Görlitz und Rothenburg wieder auf zahlreiche Besucher eingestellt. Komödianten, Vollblutmusiker, junge Artisten und ein Clown sollen nach Angaben der Veranstalter das Publikum unterhalten.
Der Inselgeist erzählt an beiden Tagen Geschichten aus aller Welt. Eine Parodie auf Romeo und Julia bieten Laienspieler vom Rothenburger Gymnasium. Unter dem Motto «Kein Anschluss unter dieser Nummer» liest der Dresdner Kabarettist Olaf Böhme aus dem Telefonbuch. Auch eine Musikkomödie mit Magie, Pantomime und Poesie erwartet die Besucher. Ein Stummfilm aus dem Jahre 1925 beschließt das Fest.
Das «Theatrum» ist seit Jahren fester Bestandteil im Jahresprogramm der Kulturinsel Einsiedel. Die ganze Saison über lockt das etwas andere Freizeitzentrum mit einer abenteuerlichen Spiellandschaft. Ursprünglich als Werbung für die kreativen Produkte einer Holzgestaltungsfirma gedacht, entstand sie seit der Wende auf einem Waldgrundstück nahe der deutsch-polnischen Grenze.
(www.kulturinsel.de)
Bücher sind in Hessen auf dem Vormarsch
Wiesbaden (ddp-swe). In Hessen wird offenbar wieder mehr gelesen. An den Projekten der Hessischen Leseförderung beteiligten sich allein im vergangenen Jahr mehr als 11 000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene, teilte die hessische Kunstministerin Ruth Wagner (FDP) am Donnerstag in Wiesbaden anlässlich des «Welttag des Buches» am 23. April mit. Während im Jahr 1995 lediglich sechs Bibliotheken an den Lese-Aktionen beteiligt waren, seien es in diesem Jahr 45, betonte die Ministerin.
Die Aktivitäten der Leseförderung reichen laut Wagner von der «Aktion Lesezeit», bei der Erwachsene und Jugendliche Kindern etwas vorlesen, bis hin zu dem Mitmachprojekt «Spiel, Spaß und Experiment». Dort lesen Kinder Gebrauchsanweisungen und setzen sie in die Praxis um. Um die Lese- und Literaturförderung in Hessen zu verstärken, habe das Ministerium seine Zuschüsse seit 1999 von knapp 377 000 Euro auf mehr als 480 000 Euro in diesem Jahr aufgestockt, sagte Wagner.