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Auch im E-Commerce ist Platz für das Seltene

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Mit neuer Allianz in die Zukunft: der CD-Versandhandel jpc und sein Klassik-Label cpo
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Das ist natürlich eine Firmenhistorie, mit der sich kokettieren lässt: Auf zwei Tapeziertischen vor den Unis Köln und Göttingen fing 1970 alles an, 1973 eröffneten Gerhard Georg Ortmann und Johannes Stuckenberg ihr erstes Ladengeschäft, 1976 begann der Verkauf per Versandhandel, mit dem jpc heute das führende Unternehmen dieser Art in Europa ist. Doch nicht nur diese Erfolgsstory ist es, die das Interesse an der in Georgsmarienhütte bei Osnabrück ansässigen Firma mit rund 200 Mitarbeitern weckt: Denn mit cpo, dem hauseigenen Klassik-Label, lebt der CD-Verkäufer jpc mit dem CD-Produzenten in einer Symbiose, von der beide Seiten profitieren. Die kürzlich erfolgte Fusion von jpc mit PrimusMedia, einer Tochter der zu 51 Prozent von der Metro AG und zu 49 Prozent von der Beisheim Holding Schweiz getragenen Internet Shopping Mall PrimusOnline GmbH, wird an dieser erfolgreichen Unternehmenskonstruktion nichts ändern.

Das ist natürlich eine Firmenhistorie, mit der sich kokettieren lässt: Auf zwei Tapeziertischen vor den Unis Köln und Göttingen fing 1970 alles an, 1973 eröffneten Gerhard Georg Ortmann und Johannes Stuckenberg ihr erstes Ladengeschäft, 1976 begann der Verkauf per Versandhandel, mit dem jpc heute das führende Unternehmen dieser Art in Europa ist. Doch nicht nur diese Erfolgsstory ist es, die das Interesse an der in Georgsmarienhütte bei Osnabrück ansässigen Firma mit rund 200 Mitarbeitern weckt: Denn mit cpo, dem hauseigenen Klassik-Label, lebt der CD-Verkäufer jpc mit dem CD-Produzenten in einer Symbiose, von der beide Seiten profitieren. Die kürzlich erfolgte Fusion von jpc mit PrimusMedia, einer Tochter der zu 51 Prozent von der Metro AG und zu 49 Prozent von der Beisheim Holding Schweiz getragenen Internet Shopping Mall PrimusOnline GmbH, wird an dieser erfolgreichen Unternehmenskonstruktion nichts ändern.Die Fusion, an der PrimusOnline, Deutschlands erfolgreichster E-Commerce-Multi-Channel-Anbieter 52 Prozent hält, bedeutet für jpc-Geschäftsführer Ortmann einen erfreulichen Kapitalschub und die Möglichkeit, die Kompetenz im Online-Versand auf einen zweiten, im Vergleich zu jpc weniger spezialisierten Internet-Shop mit dem Namen PrimusMedia.de auszuweiten: „Wir sind technisch und personell darauf vorbereitet und konnten das aus diesem Grund schnell entscheiden“. Dieser im Gegensatz zu jpc ausschließlich im Netz verfügbare zweite Shop wird mit einer eigenen Datenbank in etwa einem Monat in seiner neuen Form im Netz präsent sein. Hier sollen dann die Titel, die auf den Hauptvertriebswegen in wenigen Tagen an den Kunden verschickt werden können, angeboten werden, während jpc weiterhin für die Tiefe des Repertoires zuständig sein wird, die man über Jahrzehnte aufgebaut hat. „jpc wird der Liebhaber-Shop bleiben, wo man alles bekommt“, versichert Gerhard Ortmann im Gespräch.

Der CD-Verkauf an der Ladentheke steckt bekanntlich in der Krise. Angesichts der Elektronik-Warenhäuser, die auch die Software der Unterhaltungsindustrie in Massen und zu Schleuderpreisen verhökern, haben es die kleinen, gut sortierten und kompetent beratenden Geschäfte schwer, ihre Position zu behaupten. Das bekommt auch jpc zu spüren: Von seinen sechs Einzelhandelsfilialen im norddeutschen Raum werden in diesem Jahr zwei schließen. Und auch der Versandhändler jpc blieb vom allgemeinen Abschwung im Tonträger-Geschäft, der sich nach der Sättigung mit CDs vor einigen Jahren breit machte, zunächst nicht verschont. Rechtzeitig erkannte man aber die Perspektiven, die sich angesichts der neuen Vertriebs- und Servicemöglichkeiten im Internet auftaten: mit einem umfassenden, äußerlich unspektakulären Webangebot, das als Datenbank an die 250.000 Artikel umfasst und umfangreiche Suchfunktionen bereithält. 20.000 Besucher aus aller Welt greifen täglich zu, virtuell und eben auch als Besteller.

Durch die Zusammenarbeit mit über 500 Vertriebsfirmen hält jpc auch solche Titel bereit, die sonst schwer zu beschaffen sind. Die übersichtlich sortierten und mit Auszügen aus (freilich nur wohlmeinenden) Rezensionen in einer Auflage von 30.000 Stück jährlich herausgegebenen Gesamtkataloge gelten (auch auf CD-ROM) als Standard-Nachschlagewerke und damit als sinnvolle und in vielem komfortablere Ergänzung zum Bielefelder Katalog. Über monatliche Neuerscheinungen informiert außerdem der auf Wunsch zugeschickte monatliche jpc-Courier, der an die 125.000 Interessierte erreicht.

Beeindruckend auch die rein technische Abwicklung der zahllosen Anfragen und Bestellungen, die täglich bearbeitet werden: Ein eigens für jpc entwickeltes und angefertigtes Warenerfassungssystem scannt die eingehenden CDs oder Videos und etikettiert sie automatisch auf die hausinterne Nummerierung um, ein Tag und Nacht besetztes Call-Center nimmt die telefonischen Bestellungen entgegen.

Oft gehen die Anrufe aber über das einfache Bestellen hinaus, wenn Kunden etwa nach der Deutschverzeichnis-Nummer einer Schubert-Komposition fragen oder andere musikhistorische Auskünfte verlangen. Das kann dann schon mal auf dem Schreibtisch von Burkhard Schmilgun landen, der zunächst beratend für das ursprünglich mit Neupressungen vergriffener Produktionen gestartete Label cpo tätig war und es dann 1991 als Leiter übernahm. Für den gelernten Geiger und Musikwissenschaftler, der sich auch heute noch bisweilen an ein Pult der Nordwestdeutschen Philharmonie setzt, ist die Philosophie des Labels mit einem Wort zu beschreiben: Neugier. Das Faible für Raritäten, der Instinkt für lohnende Ausgrabungen und die Qualität der Umsetzung machen in seinen Augen das Profil von cpo aus. „Die Erstproduktion einer unbekannten Komposition versuche ich so zu machen, als sei es auch die letzte. Man kann einem Kunstwerk keinen größeren Schaden zufügen als so etwas schlampig zu machen. Dann fällt nämlich die Beurteilung, die ich am meisten hasse: Zu Recht vergessen.“ Diese Maßstäbe beziehen sich nicht allein auf die Interpretation – manchmal wartet Schmilgun so lange, bis er das richtige Ensemble, den richtigen Musiker an der Hand hat – sie reichen bis zu den Booklet-Texten, die manchmal über 30 Seiten lang die oft fundiertesten Kommentare darstellen, die über das eingespielte Repertoire existieren.

So ist ein 1995 mit dem Cannes Classical Award für das beste Label ausgezeichnetes Programm entstanden, das mit Namen und Werken aufwartet, deren Entdeckung oder Wiederentdeckung cpo für sich beanspruchen kann: Symphonien von Allan Pettersson und Ture Rangström, sämtliche Violinkonzerte Louis Spohrs oder das „ernste“ Œuvre Franz Lehárs, für den Schmilgun eine besondere Schwäche hat und dessen Kammeroperetten „Frühling“ und „Der Sterngucker“ demnächst erscheinen werden.

Die Frage nach den Synergien zwischen CD-Vertrieb und Klassikproduzent bejaht Schmilgun ausdrücklich: „Ohne jpc hätten wir nicht so schnell und organisch wachsen können.“ Für das Label cpo bieten die Veröffentlichungen Courier und Katalog erstens eine einmalige Werbeplattform und zweitens ermöglicht der eigene Vertrieb (in Deutschland sind cpo-CDs ausschließlich über jpc erhältlich) eine Preispolitik, die den unterschiedlichen Aufwand einzelner Produktionen direkt widerspiegelt. So werden Kammermusik- und Liedaufnahmen häufig zum Preis von unter 25 Mark angeboten, was die Verkaufszahlen dieser heiklen Genres deutlich belebt. Wirtschaftlich rechnen beide Unternehmensteile aber selbstständig. Alle cpo-Produktionen werden so kalkuliert, dass sie über kurz oder lang ihre Produktionskosten einspielen; eine Mischkalkulation, wie sie in Buchverlagen üblich ist, findet nicht statt.

Das Engagement in Sachen Neue Musik ist, das gibt Schmilgun zu, zurückgegangen. Es sei eben extrem schwierig, das zu verkaufen und man beschränke sich deshalb auf Komponisten und Stilistiken mit einem bestimmten Marktwert, demnächst etwa Rihm oder Schnittke.
Bei einem Versandhandel, der ein solches Label betreibt – dies dürfte das Signal sein, von dem seinerseits jpc profitiert – muss eine hohe Kompetenz vorhanden sein. So ist auch der Anteil von über 40 Prozent Klassik- und Jazz-Kunden zu erklären, der entgegen der Marktlage die Nische als offenes Feld erscheinen lässt. Mit dem Rückenwind aus der neuen Allianz dürfte hier weiteres Potenzial für die Zukunft liegen.

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