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Bürgerschaftliches Engagement im Kulturbereich

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Bürgerschaftliches Engagement im Kulturbereich beruht auf Traditionen, die weit in das 18. Jahrhundert zurückreichen. Erste Wurzeln sind die Lesegesellschaften. Hier traf sich das entstehende Bürgertum und debattierte sowohl belletristische und politische Literatur. Die Lesegesellschaften hatten ein starkes emanzipatorisches Moment. Es wurde eine Gegenkultur zum Feudalismus entwickelt.



Im 19. Jahrhundert wurden in anderen künstlerischen Sparten ähnliche Assoziationen und Vereine gegründet. Dabei verbanden sich verschiedene Motive miteinander. Zu nennen ist hier das Engagement für Künstlerinnen und Künstler (Kunstvereine), das Engagement zur so genannten „Geschmacksbildung“ (Kunstvereine), das Engagement für die zeitgenössische Kunst (Museen und Theater) und das Engagement für die deutsche Nation (Denkmalbewegung). Kunst und Kultur waren der Ort, an dem sich die deutsche Nation verwirklichte. Sowohl vor als auch nach der Reichsgründung 1871 kam Kunst und Kultur für die Identitätsbildung der deutschen Nation und eines erstarkenden Bürgertums eine herausragende Bedeutung zu.

Die Gründung von Museen und von Theatern in den Kommunen ging von Vereinen aus. In diesen Kulturvereinen organisierte sich vielfach die gehobene Beamtenschaft. Es entstand daraus eine enge Verbindung zwischen Kommunalpolitik und kulturellem Vereinsleben, die ein kulturelles Leben der Bürger in der Stadt erst erwachsen ließ. Viele Kultureinrichtungen, die für uns heute ein nicht fortzudenkender Teil der kommunalen Kulturpolitik und Kulturversorgung einer Stadt sind, gehen auf Initiativen von Vereinen zurück. Sie gingen erst später in die Trägerschaft der öffentlichen Hand über. Heute wird diskutiert, dass sich diese Einrichtungen wieder verstärkt für das Engagement der Bürgerinnen und Bürger öffnen sollen.

Neben den bürgerlichen Vereinen entstanden auch im Zuge der Arbeiterbewegung Kulturvereine. Eine wichtige Zielsetzung in diesen Vereinen war die kulturelle Bildung, d.h. die Rezeption und aktive Auseinandersetzung mit den so genannten Klassikern des künstlerischen Schaffens. Die Volksbühnenbewegung ging u.a. aus diesen Vereinen hervor. Sie diente dazu, Arbeiterinnen und Arbeitern das Theater nahe zu bringen und Theaterbesuche zu ermöglichen.

Über die angeführten Formen des Bürgerschaftlichen Engagement hinaus ist, was die Etablierung des Bürgerschaftlichen Engagement in der Kultur betrifft, das Laienschaffen im Kulturbereich nicht zu vernachlässigen. Insbesondere in der Musik haben sich vielfältige Formen des vokalen und des instrumentalen Laienmusizierens herausgebildet. Diese Vereine hatten und haben vielfach eine Doppelfunktion. Sie sind zum einen dem Freizeitbereich zu zurechnen, da der gesellige Aspekt grundlegend hinzugehört. Zum anderen decken sie gerade im ländlichen Raum einen Teil der kulturellen Grundversorgung ab.

Als erster Zwischenschritt kann festgehalten werden, dass das Bürgerschaftliche Engagement im Kulturbereich aus seiner Tradition heraus ein gesellschaftspolitisches Engagement ist. Bürgerschaftliches Engagements in der Kultur verband sich in der Vergangenheit zumeist mit Bildungsaspekten und war ein Element des gesellschaftlichen Aufstiegs.

Konfessionelle und Klassenunterschiede spiegelten sich bis nach dem 2. Weltkrieg in den unterschiedlichen Formen des Bürgerschaftlichen Engagement wieder. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist das vokale Laienmusizieren. Die sieben in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände zusammengeschlossenen großen bundesweit tätigen Chorverbände repräsentieren die verschiedenen Formen der weltlichen und kirchlichen Zusammenschlüsse. Hier lassen sich die Wurzeln der Laienbewegung im Kulturbereich noch sehr gut erkennen.

Ebenfalls aus einem gesellschaftspolitischen Engagement heraus entstand als neue Form des Bürgerschaftlichen Engagement im Kulturbereich gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Soziokultur. Sie ist ein Kind der Aufbruchszeit der so genannten „neuen Kulturpolitik“ Ende der 70er und Anfang der 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Kommunen. Aufgerüttelt durch die fast schon legendäre Erklärung des Deutschen Städtetags von 1973 „Bildung und Kultur als Element der Stadtentwicklung“ erhielt Kulturpolitik in der Stadt eine neue Bedeutung. Insbesondere der industrielle Wandel, der zahlreiche industrielle Brachen zurückließ, forderte gerade junge Menschen zu einer Umnutzung dieser Gebäude heraus. Aus der zunächst illegalen Besetzung, erwuchs eine Duldung der Besetzung durch Politik und Verwaltung und schließlich heute die öffentliche Förderung der zwischenzeitlich entstandenen kulturellen Einrichtungen. Im Schnittfeld von Kultur, Bildung und Sozialem entstand eine neue Bewegung im Kulturbereich, die ausgehend vom Bürgerschaftlichen Engagement neue Zugänge zu Kunst und Kultur schaffen wollte.

In diesen Kontext kann auch die ab Mitte der 80er Jahre erfolgte Gründung von Jugendkunstschulen und ab Anfang der 90er einsetzende Initiativwelle für Kinder- und Jugendmuseen eingeordnet werden.

Auch die neuen Formen der Soziokultur gründen also, wie bereits die Anfänge der Assoziationen und Verbände des Kulturbereiches auf Bürgerschaftlichem Engagement. Sie verbinden gesellschaftspolitisches Engagement mit sozialem und kulturellem Engagements. Das zentrale Anliegen der Kulturellen Bildung, d.h. den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen und damit Voraussetzungen für eine aktive oder passive Auseinandersetzung zu schaffen, nimmt einen zentralen Stellenwert ein. Als zweiter Zwischenschritt ist also festzuhalten, dass Ende des letzten Jahrhunderts sich neue Engagementformen zwar ausbildeten, die Bezüge zu den Grundstrukturen Bürgerschaftlichen Engagements im Kulturbereich aber unverkennbar sind.

Das Bürgerschaftliche Engagement im Kulturbereich geht vielfach mit einer Professionalisierung in dem Sinne einher, dass aus einst ehrenamtlich Aktiven sukzessive hauptamtlich Aktive wurden. Besonders anschaulich lässt sich dieses in der Soziokultur zeigen. Die Institutionalisierung von Einrichtungen führte zu festen Beschäftigungsverhältnissen und einer Differenzierung von Tätigkeitsbereichen für die Hauptamtlichen und die Ehrenamtlichen. Es entstand damit eine neue Fachlichkeit, die sich bislang noch nicht in formalen Ausbildungsgängen wiederfindet aber durch zahlreiche Weiterbildungsmaßnahmen freier Träger gestärkt und weiterentwickelt wird.

Traditionsreich ist neben dem Bürgerschaftlichen Engagement mittels Ehrenamt, also der Spende von Zeit, die Spende von Geld. Zahlreiche Kultureinrichtungen gehen auf Spenden oder Stiftungen von Bürgerinnen und Bürger zurück. Man denke beispielsweise das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt oder an die Henri-und-Eske- Nannen-Stiftung in Emden.

Ebenfalls engagieren sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger mäzenatisch, d.h. sie stellen Geld zur Verfügung, dass ein Museum ein Gemälde gekauft werden kann, dass ein Theater eine Inszenierung verwirklichen kann, dass eine Bibliothek Bücher anschaffen kann, dass eine Hochschule Instrumente für junge Künstlerinnen und Künstler zur Verfügung stellen kann usw. Aufgrund der knappen Budgets im Kulturbereich ist es oftmals nur durch dieses private Engagement möglich, dass aktuelle Vorhaben verwirklicht werden können.

Das Bürgerschaftliche Engagement der Spende von Geld ist also zentral und darf in der Wirkung nicht unterschätzt werden.

Einen neuen Stellenwert hat in der aktuellen Diskussion das ehrenamtliche Engagement, als Spende von Zeit, erhalten. Dabei werden vor allem Kultureinrichtungen in den Blick genommen, die sich für Bürgerschaftliches Engagements bereits geöffnet haben oder öffnen sollen. Diese Diskussion wird kontrovers geführt. Zum einen ist festzuhalten, dass eine Vielzahl von Einrichtungen rein ehrenamtlich geführt werden. Zu nennen sind die bereits angeführten soziokulturellen Zentren, hier ist besondere an kleinere Zentren im ländlichen Raum zu denken. Erwähnung müssen aber auch viele Museen finden, die ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis arbeiten, genauso wie die Büchereien in kirchlicher Trägerschaft und viele andere Einrichtungen. Das Bürgerschaftliche Engagement gilt es hier nicht zu entdecken oder einzuführen, sondern den Bestand zu sichern und Kontinuität zu gewährleisten.

In anderen Einrichtungen sind ehrenamtlich Aktive, was das Leitbild der Einrichtung und die tägliche Arbeit betrifft, ein fester Bestandteil des Personalstamms. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an das Museum der Arbeit in Hamburg oder das Museum Schloss Moyland am Niederrhein. Hier engagieren sich Menschen aus einer Verbundenheit für Kultur (Schloss Moyland) oder in der nachberuflichen Phase zur Weitergabe von Fertigkeiten und Fähigkeiten (Museum der Arbeit, Hamburg).

Voraussetzung für gelingendes Bürgerschaftliches Engagement ist die gegenseitige Achtung der unterschiedlichen fachlichen und hierarchischen Kompetenzen in Einrichtungen. Beide, festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch die ehrenamtlich Aktiven, bringen in der Regel eine hohe Fachlichkeit mit. Es gilt nun jeweils konkrete Aufgabengebiete zu definieren, die sowohl den haupt- als auch den ehrenamtlich Tätigen möglichst viele Freiräume in der Arbeit ermöglicht aber auch feste Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten regelt. Am besten gelingt dieses, wenn auch bei den hauptamtlich Aktiven ein Selbstbewusstein der eigenen Professionalität vorhanden ist. Werden ehrenamtlich Aktive als Lückenbüßer für hauptamtlich Tätige gesucht, die aus Kostengründen eingespart werden, bedeutet dies oftmals auch eine Deprofessionalisierung der hauptamtlich Tätigen. Dieser Entwicklung muss entgegengetreten werden, soll Bürgerschaftliches Engagements gelingen.

Systematisiert man die Handlungsfelder bürgerschaftlich Engagierter im Kulturbereich so sind folgende Bereiche festzuhalten:
 Zeitliches Engagement im Freizeitbereich, das auf das kulturelle Leben in der Gemeinde zurückwirkt (Beispiel: vokales oder instrumentales Laienmusizieren),
 Zeitliches Engagement in der Ausbildung (Beispiel: Chorleiter oder Instrumentallehrer in der Laienmusik),
 Zeitliches Engagement als Übernahme von Verantwortung in Vereinen oder Einrichtungen (Beispiel: Vorstandstätigkeit in Vereinen oder in von Vereinen getragenen Einrichtungen),
 Zeitliches Engagement in der Lesevermittlung (Beispiel: kirchliche Gemeinde- oder Krankenhausbüchereien, die in der Regel ausschließlich ehrenamtlich geführt werden),
 Zeitliches Engagement in der aktiven Kulturvermittlung (Beispiel: Ausstellungen in Kunstvereinen organisieren, Lesereihen oder Ausstellungen in literarischen Gesellschaften),
 Zeitliches Engagement in kommunalen Kultureinrichtungen (Beispiel: Einsatz in einer Bücherei, in einem Museum),
 Zeitliches und finanzielles Engagement in Fördervereinen kommunaler Einrichtungen, die zur Sicherung der Finanzierung beitragen (Beispiel: Fördervereine von Museen oder Fördervereine von Theatern),
 Zeitliches und finanzielles Engagement durch Mitwirkung in einer Bürgerstiftung zur Förderung von Kunst und Kultur sowie der kulturellen Bildung
 Finanzielles Engagement als Spende von Geld zur Verwirklichung eines Vorhabens,
 Finanzielles Engagement durch Errichtung einer Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur,
 Finanzielles Engagement zur Erhaltung eines Denkmals oder einer Einrichtung.

In den oben in Ausschnitten an möglichen Handelungsfeldern für Bürgerschaftliches Engagement im Kulturbereich kann sowohl das langfristige Engagement als auch kurzfristiges Engagement für ein Vorhaben verwirklicht werden.

In der Regel findet das Engagement auf der kommunalen Ebene statt. In den verschiedenen Bereichen haben sich die Vereine oder Einrichtungen in Verbänden auf der Landesebene bzw. der Bundesebene zusammengeschlossen, die ihrerseits wiederum auf Bürgerschaftlichem Engagement gründen.

In den verschiedenen Tätigkeitsbereichen lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen. Vorstandspositionen werden zumeist von Männern besetzt Insbesondere den Vorsitz von Bundesverbänden haben zum überwiegenden Teil Männer inne. Die Bildungs- und Vermittlungsarbeit wird eher von Frauen übernommen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die kirchliche Büchereiarbeit, die in der Vergangenheit vornehmlich von Frauen ausgeübt wurde, deren Kinder selbstständig wurden und die eine Beschäftigung neben der Hausarbeit suchten; heute sind vermehrt Frauen aktiv, die in der Phase des Erziehungsurlaub sich neben der Haus- und Erziehungsarbeit engagieren wollen. Diese Frauen treten ihr Engagement mit dem Ziel an, sich kurzfristig zu binden und Qualifikationen zu erwerben, die sie im Erwerbsleben nutzen können.

Insgesamt gilt es festzuhalten, dass im Kulturbereich Bürgerschaftliches Engagement einen festen Platz einnimmt. In allen künstlerischen Sparten, in den verschiedenen Einrichtungen sowie in Vereinen oder auch losen Zusammenschlüssen engagieren sich kulturell interessierte Menschen freiwillig. Das Engagement findet sowohl als Spende von Geld als auch als Spende

Olaf Zimmermann
September 2001