„Das Ende der Nibelungentreue“ überschreibt der Präsident des Deutschen Komponist:innenverbands, Moritz Eggert, seine aktuelle Stellungnahme zur GEMA-Reform. Ein starker Meinungsartikel, der sicher nicht nur auf Zustimmung stoßen wird. In den Monaten bis zur erneuten Abstimmung über die diesen Sommer gescheiterte Reform wird die nmz die Diskussionen weiterverfolgen.
Montage: Martin Hufner
Das Ende der Nibelungentreue
Nach dem spektakulären Scheitern der Reform in diesem Jahr schickt sich die GEMA an, 2026 einen erneuten Anlauf zu starten. Und es sieht nicht so aus, als ob sie in irgendeiner Weise aus ihren Fehlern gelernt hat. Unerklärlicherweise gibt es auch nicht die geringsten personellen Veränderungen und keinerlei Versuche, auf Kritikpunkte an der Reform einzugehen oder einen wirklich anderen Ansatz zu versuchen. Dasselbe Ding soll durchgeprügelt werden.
Gerechtere Verteilung
Inzwischen zerbrechen sich viele Menschen die Köpfe darüber, wie man die Verteilung genreoffener und gerechter machen könnte, und es gibt viele gute Ideen hierzu. Bisher wird dies komplett ignoriert – die GEMA veranstaltet zwar sogenannte „Foren“ mit geladenen Gästen (Kritiker der Reform werden hierzu nicht eingeladen), bisher entsteht aber nicht der Eindruck, als wäre eine Diskussion erwünscht, die die „Leitplanken“ der Reform in irgendeine Weise verschiebt. Damit drohen diese Veranstaltungen zum reinen Alibi zu verkommen, so wie auch der Aufruf nach Vorschlägen zur Reform aus dem letzten Jahr. Im Grunde ist das nach wie vor eine reine Scheindemokratie – man wird zum Mitmachen aufgefordert, darf sich aber gar nicht wirklich einbringen.
Es wird auch deutlich, dass bestimmte Entscheidungen in der Vergangenheit keinen anderen Sinn hatten, als die Reform durchzusetzen. So wurden Rechtenachfolger ihrer Stimme bei der Versammlung beraubt und mit einer neuen Regelung die Anzahl der Stimmen in U erhöht: Singer/Songwriter dürfen nun ihre Tantiemen aus Text und Musik zusammenlegen, um die ordentliche Mitgliedschaft zu erreichen, was die Zahl der Wahlstimmen erheblich erhöhen wird, so denn man die neuen Mitglieder dazu bewegen kann, sich eine GEMA-Versammlung anzutun.
Dissens zwischen U und E
Problematisch ist aber eine Politik, die E-Komponierende zunehmend diskreditieren und einen Dissens zwischen U und E verstärken soll. Dies lenkt wunderbar davon ab, dass die größten Ungerechtigkeiten in der U-Verteilung nicht das Geringste mit der Existenz von E-Musik zu tun haben – es wäre tatsächlich so, dass viele Elemente der E-Verteilung auch in U funktionieren und den dortigen Mittelstand stärken sowie den Einstieg für die Kleinen erleichtern würde. Aber genau das will man anscheinend nicht, daher soll die Kommunikation zwischen U und E bewusst gestört werden.
Wie genau man all dies kritisieren kann, ohne gleich als jemand hingestellt zu werden, der der GEMA „schadet“, bleibt ein Mysterium. Der Aufsichtsrat nimmt alles sofort persönlich und will anscheinend nicht akzeptieren, dass man sehr wohl kritisch sein kann, ohne die GEMA an sich in Frage zu stellen.
Kampf gegen räuberischen KI-Einsatz in der Musik
In vielen Punkten sind sich alle einig – besonders was den Kampf gegen räuberischen KI-Einsatz in der Musik angeht, gibt es nicht den geringsten Dissens und sicherlich eine fast einstimmige Unterstützung der momentanen GEMA-Politik. Bei diesem Thema könnte man an einem Strang ziehen, die Reform dagegen wirkt hier eigentlich nur wie ein sinnloser Stolperstein, der die Gemüter erregt, endlose Konflikte erzeugt und noch nicht einmal das bringt, was sie verspricht, nämlich ein Verschwinden der Kategorien E und U – diese werden nämlich einfach bei der Reform wie bei einem Zaubertrick umbenannt, um die Tatsache zu verbergen, dass dann insgesamt weniger Gelder zur Verfügung stehen werden (auch für U!), trotz mehr Sichtbarkeit von „Leuchtturmförderungen“, die letztlich vor allem dazu dienen sollen, der GEMA Publicity zu bringen. Wirkliche Veränderungen gingen aber mit einer gerechteren Verteilung und einer Verringerung des Abflusses von Tantiemen ins Ausland einher – möglich, aber von der aktuellen Politik nicht gewünscht.
„Kulturförderung Online“
Wo die Reise in der GEMA wirklich hingehen soll, zeigt zum Beispiel die aktuelle Kampagne der „Kulturförderung Online“. Hier sollen „kulturell bedeutende“ Werke im Bereich Streaming und Online finanziell unterstützt werden. Nun würde man erwarten, dass hier eine gemischte Jury wirkt, die viele Genres vertritt, tatsächlich ist es aber so, dass zeitgenössische klassische Musik wie auch Jazz hier anscheinend nicht mehr als „kulturell bedeutend“ verstanden werden, denn sie fehlen komplett in der Jury mit Fachleuten aus ausschließlich Pop und Schlager.
Dahinter steht ein politisch gewollter Paradigmenwechsel – „kulturell bedeutend“ ist ab sofort nur noch, was sich kommerziell ausrichtet. Und genau dies kommt wunderbar den Konzerninteressen zupass, die immer mehr den Kurs der GEMA fremdbestimmen mittels eines Aufsichtsrats, der offensichtlich davon profitiert.
Der DeutscheKomponist:innenverband ist hierbei zum Schlachtfeld gemacht worden. Nachdem es den Aufsichtsratsmitgliedern der GEMA im DKV-Vorstand nicht gelungen ist, mich als Präsidenten mittels unverhohlener Drohungen aus dem Amt zu drängen, wurden nun Mitglieder von VERSO und DEFKOM offiziell durch genau dieselben Personen aufgefordert, den Verband zu verlassen. Gleichzeitig wird aktiv an einem neuen Verband gearbeitet, der ganz bewusst als Instrument zur Spaltung dienen soll.
Als Argumentation dient hierbei eine Täter/Opfer-Umkehr: Schuld an der ganzen Misere ist angeblich die „aktuelle Politik“ des DKV und natürlich meine Person als Kritiker der GEMA-Reform, gleichzeitig sind aber genau die Personen, die mit dem Finger zeigen, diejenigen, die die von ihnen kritisierten Missstände erst selbst hervorrufen, weil sie selbst mit im Vorstand sitzen. Am Ende des Tages ist der DKV nämlich keine Personalie – Präsidenten und Vorstandsmitglieder kommen und gehen und können jederzeit neu gewählt werden. Wer jetzt austritt, erteilt dem DKV an sich eine Absage, nicht irgendeiner Person. Und das scheint politisch gewünscht.
Unterschiedliche Meinungen
Tatsächlich ist es so, dass nirgendwo in der Satzung des DKV steht, dass es nicht unterschiedliche Meinungen zu GEMA-Anträgen geben darf. Es ist noch nicht einmal ein Präzedenzfall, dass sich Persönlichkeiten des DKV kritisch zu GEMA-Anträgen äußern. Aber angesichts der neuen GEMA-Politik, die sich intern schon Maulkörbe verpasst, damit niemand mehr aus der Reihe tanzt, hatte man wohl erwartet, den DKV leichter kontrollieren zu können.
Kritik an Antrag stellt nicht die Idee der GEMA in Frage
Man kann es nur immer wiederholen: einen GEMA-Antrag zu kritisieren, der nach Recht und Gewissen katastrophale Auswirkungen auf das Musikleben in Deutschland haben würde, heißt nicht, dass man die Idee der GEMA selbst in Frage stellt oder „gegen“ die GEMA ist. Mir war es immer wichtig, dass die Diskussion im DKV offen ist, kein einziges Mal wurden Befürwortern der Reform der Mund verboten oder ihre Statements zensiert. Umgekehrt herrscht aber brutalste Zensur, was die gesamte Verbandskommunikation lähmt und toxisch macht.
Während ihre Gefolgsleute aufgehetzt den DKV verlassen, verbleiben nämlich die GEMA-Aufsichtsräte weiterhin im DKV-Vorstand, um jegliche freie Diskussion zu kontrollieren, spätestens bis zur nächsten Mitgliederversammlung des DKV, die direkt vor der GEMA-Versammlung stattfinden wird.
Die Zeit ist daher gekommen, die bisherige Nibelungentreue des DKV zur GEMA zur hinterfragen. Der DKV muss unabhängiger werden und die Interessen seiner Mitglieder in den Vordergrund stellen, wenn der GEMA diese Interessen scheinbar zunehmend egal sind. Das betrifft U wie E.
Diskussion ohne Maulkorb und Beeinflussung
Alle, die sich zunehmend unwohl mit dem momentanen GEMA-Kurs fühlen, sollten beim DKV eine Stimme bekommen, ebenso wie die, die sich für eine Reform welcher Art auch immer einsetzen. Es muss diskutiert und gestritten werden können, ohne Maulkorb und ohne Beeinflussung. Nur so kann es Einigungen geben, die wirklich Bestand haben.
Die, die so wie momentan mit der Pistole erzwungen werden, mindern das schon lange bröckelnde Vertrauen in die GEMA und entfremden die Mitglieder zunehmend, die ohnehin schon zunehmend das Gefühl haben, dass es nicht mehr „ihre“ GEMA ist, sondern eher die GEMA der Majors und Konzerninteressen. Das kann längerfristig auch nicht im Interesse der GEMA sein.
Moritz Eggert, Präsident des DKV
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