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Mit dem Regierungswechsel 1998 hat die Kulturpolitik auf Bundesebene einen deutlich größeren Stellenwert bekommen. Durch die Berufung eines Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien im Amt eines Staatsministers beim Bundeskanzler wurde auf der Seite der Exekutive Transparenz im Sinne einer klaren politischen Verantwortlichkeit geschaffen.
Dem entspricht auf der Seite des Parlaments die Einrichtung des Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag. Die Kulturpolitik des Bundes unterliegt damit nicht mehr nur einer überwiegend fiskalisch ausgerichteten Kontrolle, sondern wird auch in inhaltlicher und fachlicher Hinsicht parlamentarisch begleitet und mitgestaltet.Diese Entwicklung trägt dem Umstand Rechnung, dass es eine nationale Verantwortung für die Kultur gibt. Ein Bekenntnis zu dieser Verantwortung ist nicht Ausfluss eines wie auch immer gearteten "linken Wilhelminismus" und es steht auch nicht im Widerspruch zu einem eindeutigen Bekenntnis zum Kulturföderalismus. Deutschland ist - bei aller föderaler Charakteristik - ein Nationalstaat. Unserer gemeinsamen und für alle Deutschen geltenden politischen Verfassung korrespondiert eine gewachsene, gemeinsame kulturelle Verfasstheit. Der gemeinsame politische Handlungsraum des Nationalstaates hat zweifellos auch eine kulturelle Dimension.Kultur ist in Deutschland seit Jahrhunderten immer zugleich national und regional orientiert. Bach ist kein Thüringer Komponist, Goethe kein hessischer Dichter, Beuys kein rheinischer Künstler, wenn auch jeweils regionale Bezüge in ihrem Werk wirksam geworden sind. Diese Künstler und das, was sie geschaffen haben, bilden das kulturelle Erbe der ganzen Nation und nicht nur der Bayern, Sachsen oder Mecklenburger. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter und Kultusminister eines Landes Ernst Gottfried Mahrenholz hat denn auch konstatiert, dass aus dem Begriff der Nation eben "logischerweise" folge, dass "die deutsche Nation wie jede andere eine Kultur" habe. Wenn es eine Nationalkultur gibt, dann hat der Bund eine Mitverantwortung für sie, und zwar, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, "aus der Natur der Sache". Es gibt eine in jedem bundesstaatlich verfassten Gemeinwesen selbstverständliche gesamtstaatliche Kompetenz und Verantwortung für bestimmte bedeutsame kulturelle Angelegenheiten. Und es ist eine der kulturpolitischen Aufgaben des Bundes, sich in und mit den europäischen Institutionen für die Erhaltung der kulturellen Vielfalt einsetzen. Dass die nach dem Regierungswechsel von 1998 deutlicher konturierte Rolle des Bundes in der Kultur- und Medienpolitik den Föderalismus nicht gefährdet, hat inzwischen übrigens auch die Opposition anerkannt. Der kulturpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Norbert Lammert, und die Vorsitzende der CDU, Angela Merkel, haben sich eindeutig so geäußert.
Ordnungspolitik
Eine wesentliche Bedingung für eine bestmögliche Entwicklung des Kulturföderalismus ist eine fruchtbare Kooperation von Bund, Ländern und Gemeinden. Kooperation ist im Einzelfall mit klarer Verantwortungsteilung nicht nur vereinbar, sondern verlangt diese geradezu. Dabei liegen die Schwerpunkte der Kulturpolitik des Bundes nach meiner Auffassung vor allem im ordnungspolitischen Bereich. Die Gesetzgebungskompetenz macht den Bund zu einem wichtigen kulturpolitischen Akteur. Von der Gestaltung der rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen hängt die kulturelle Entwicklung Deutschlands wesentlich ab. Diese kulturpolitische Verantwortung muss im Bund kraftvoll und entschieden wahrgenommen werden: im Bundestag durch den Ausschuss für Kultur und Medien, in der Bundesregierung durch den zuständigen Staatsminister beim Bundeskanzler.
Die Tragweite ordnungspolitischer Aufgaben wird deutlich, wenn man einige der für die Kultur - sprich die Kunstschaffenden, die Kulturveranstalter und die Kulturwirtschaft - wesentlichen Gesetzgebungsvorhaben betrachtet, die Regierung und Parlament auf Bundesebene in dieser Legislaturperiode realisiert haben.
· Aufgrund einer Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes sind selbständige Künstler und Publizisten nunmehr noch besser sozial abgesichert. Insbesondere für ältere selbstständige Künstlerinnen und Künstler wurde eine bis dahin bestehende Lücke in der sozialen Absicherung geschlossen. Ihnen wird die Möglichkeit gegeben, sich in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung zu versichern, wenn sie bereits vor 1983 (d.h. vor der Einführung der Künstlersozialversicherung) ihre Tätigkeit aufgenommen haben. Vor dem Hintergrund der bei Künstler und Publizisten häufigen Einkommensschwankungen wurden die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz flexibler gestaltet. Der Versicherungsschutz bleibt auch bei bis zu zweimaliger Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze innerhalb von sechs Jahren erhalten. Vor allem aber wurde der Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse auf eine neue Grundlage gestellt. Er deckt nicht mehr nur den "Selbstvermarktungsanteil" der Künstler ab, sondern garantiert darüber hinaus jetzt auch die Funktionsfähigkeit der Künstlersozialkasse.
· Die Stellung der Künstlerinnen und Künstler als Protagonisten der Kultur hängt auch davon ab, ob sie den so genannten Kulturverwertern "auf gleicher Augenhöhe" begegnen können. Bei der im Gesetzgebungsverfahren kontrovers diskutierten Reform des Urhebervertragsrechts konnten unter meiner Mitwirkung am Ende sachgerechte, der Interessenlage der Urheber wie der Verwerter Rechnung tragende Lösungen gefunden werden. Das neue Urheberrecht sichert den Urhebern und ausübenden Künstlern einen gesetzlichen Anspruch auf angemessene Vergütung und verschafft gleichzeitig den Verwertern die notwendige Rechtssicherheit.
· Die in Deutschland bestehende Buchpreisbindung wird aufrechterhalten. Die Auffassung der Europäischen Kommission, dass die Buchpreise freizugeben seien, wird dem Kulturgut Buch nicht gerecht. Die Bundesregierung hat erreicht, dass die EU-Kommission die Preisbindung im Rahmen nationaler Regelungen akzeptiert. Um die Buchpreisbindung zu sichern, habe ich im Frühjahr 2001 vorgeschlagen, ein entsprechendes Gesetz zu erarbeiten. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat sich diesem Vorschlag angeschlossen. Derzeit bereite ich zusammen mit Wirtschaftsminister Werner Müller das Gesetz zur Erhaltung der nationalen Buchpreisbindung vor. Es soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.
· Die trotz schwieriger finanzpolitischer Gesamtlage erreichte Reform der Besteuerung selbstständiger ausländischer Künstlerinnen und Künstler erleichtert den internationalen Kulturaustausch wesentlich. Vor allem kleinere und mittlere Kulturveranstalter profitieren von der generellen Absenkung des Steuersatzes auf 20 Prozent ab 2003 sowie einer bereits ab diesem Jahr geltenden Freigrenze bis 250 Euro und einer anschließenden abgestuften Besteuerung mit 10 Prozent bis 500 Euro und 15 Prozent bis 1000 Euro. Damit wird eine Fehlentscheidung der früheren Bundesregierung korrigiert. Die 1996 eingeführte übermäßige Besteuerung ausländischer Künstler hatte zu einem Rückgang des Kulturaustausches um rund ein Drittel geführt. Bei der von den Fraktionen der Regierungskoalition gemeinsam mit mir durchgesetzten Reform handelt es sich - gerade auch mit Blick auf das zusammenwachsende Europa - um eine grundlegende Kurskorrektur und ein bewusstes Signal zugunsten eines kulturell weltoffenen Deutschland.
Von eminenter Bedeutung ist die weitere Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements für die Kultur. Eine lebendige kulturelle Landschaft fußt - nicht nur in finanzieller Hinsicht - auf der Kooperation von Bürgerschaft und Staat. Die Spielräume, die hier bestehen, müssen vermehrt genutzt werden. Zivilgesellschaftliche Strukturen werden nicht zuletzt durch die Reform des Stiftungsrechts weiter ausgebaut. Mit dem steuerrechtlichen Teil der Reform im Jahr 2000 hat die Regierungskoalition Mäzenen und Stiftern bereits neue attraktive Möglichkeiten eröffnet, die Anreize zum Stiften bieten. Dieser Reformschritt zeigt die beabsichtigte Wirkung, ein Schub bei den Stiftungsgründungen wurde ausgelöst: Die Zahl der rechtsfähigen privatrechtlichen Stiftungen in Deutschland liegt mittlerweile über 10000, allein im vergangenen Jahr wurden nach einer Schätzung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen 1000 neue Stiftungen errichtet. Im längerfristigen Vergleich hat sich die Anzahl der Stiftungsneugründungen pro Jahr in jeder Dekade seit dem Zweiten Weltkrieg verdoppelt. Die Stiftungsinitiative dieser Bundesregierung hat nun eine Verdoppelung pro Jahr bewirkt, also eine Verzehnfachung dieses Aufwuchses. Jetzt kommt es darauf an, in einem zweiten ordnungspolitischen Schritt durch eine Reform des zivilen Stiftungsrechts - also den Regelungen über die Gründung, Aufsicht und Transparenz von Stiftungen - weitere Impulse zu geben.. Die Bundesregierung hat Anfang Februar einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des zivilen Stiftungsrechts verabschiedet, der entsprechende Empfehlungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom Oktober 2001 umsetzt. Sowohl in der Arbeitsgruppe als auch bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfs habe ich meine Kernanliegen für eine Reform eingebracht (Einführung eines Rechtsanspruchs auf Stiftungserrichtung sowie bundeseinheitlicher Gründungsvoraussetzungen, Umbennenung des bisherigen Genehmigungsaktes in "Anerkennung" mit entsprechender Ausstrahlung auf das behördliche Verfahren). Angesichts der zunächst ablehnden Haltung der Länderseite ist dies ein großer Erfolg, wobei ich nicht verhehle, dass ich mir eine weitergehende Reform des Stiftungszivilrechts vorstellenkann.
Auch die im Januar gegründete Kulturstiftung des Bundes wird einen Rahmen schaffen, innerhalb dessen privates Engagement für die Kultur ermöglicht wird. Dabei kann sichergestellt werden, dass die gesamten Mittel, die von einem Stifter einem bestimmten Projekt zugedacht werden, tatsächlich ohne Abstriche in dieses Projekt fließen.
Systematisierung der Kulturförderung
Gegenwärtig macht der Etat meiner Behörde etwa 10 Prozent der gesamten staatlichen Kulturförderung aus. Der Schwerpunkt liegt mit rund 90 Prozent - ungefähr hälftig aufgeteilt - bei den Bundesländern und den Gemeinden. Auch wenn das Gewicht der Kulturpolitik im Bund größer geworden ist, bedroht das die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen und der Länder in keiner Weise. Im Gegenteil, auch sie haben ein Interesse daran, dass der Bund die kulturelle Dimension seiner Politik so ernst wie nur möglich nimmt. Die Kulturpolitik der Länder und Gemeinden kann durch günstige gesetzliche Rahmenbedingungen für die kulturelle Entwicklung in Deutschland nur gewinnen. Eine Verschiebung der finanziellen Gewichte durch eine wesentliche Ausweitung der Kulturförderung des Bundes ist schon wegen des Haushaltskonsolidierungskurses der Bundesregierung in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Wo es in den zurückliegenden drei Jahren zu zusätzlichen Förderungen gekommen ist, wurden diese in keinem Fall gegen den Widerstand des jeweiligen Sitzlandes und der jeweiligen Kommune beschlossen. Dies soll auch in Zukunft so bleiben.
Allerdings strebe ich an, die Verantwortlichkeiten in Abstimmung mit den Ländern zu systematisieren. Bereits bevor die Mitte des vergangenen Jahres von den Ministerpräsidenten angestoßene gegenwärtige Debatte über dieses Thema begonnen hat, habe ich als eine der ersten Aufgaben an meine Behörde nach meinem Amtsantritt formuliert, dass wir eine klarere Fassung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern vorbereiten sollten. Auch das historisch Gewachsene und anscheinend Bewährte muss sich eine regelmäßige Überprüfung seiner weiteren Berechtigung gefallen lassen. Wie gesagt, Kooperation und klare Verantwortungsteilung schließen sich nicht aus. Nach über 50 Jahren darf es kein Denkverbot im Hinblick auf zeitgemäße Modifizierungen und neue Schwerpunktsetzungen geben. Dies gilt in besonderem Maße für den Kulturföderalismus. Ich bin sehr dafür, die Verantwortung zwischen Bund und Ländern dort, wo es sachgerecht und förderlich ist, präzise aufzuteilen. Einen ersten Schritt haben wir in Berlin getan, wo wir eine diffuse gemeinsame Verantwortung einvernehmlich mit dem Berliner Senat im Rahmen des Hauptstadtkulturvertrages durch eine alleinige Trägerschaft des Bundes bei vier bedeutsamen Einrichtungen abgelöst haben. Diese Neuregelung betrifft das Jüdische Museum Berlin, die Berliner Festspiele, das Haus der Kulturen der Welt und den Gropius-Bau.
Aber es gibt eben auch Bereiche, die in gemeinsamer Verantwortung wahrgenommen werden sollten, weil, wie der Verfassungsrechtler Josef Isensee feststellt, unser Grundgesetz die "offene, kommunikative und kooperative Kompetenzwahrnehmung" fördert. Dies gilt zum Beispiel für Gedenkstätten von gesamtstaatlicher Bedeutung. Hier dürfen die Kommunen und die Länder nicht aus der gemeinsamen nationalen Verantwortung entlassen werden. Unser Konzept der Gedenkstättenförderung, das vom Bundestag gebilligt wurde, sieht dementsprechend vor, dass der Bund nur bis zur Hälfte fördern darf. Und so, wie Konsens darüber besteht, dass auch in Zukunft wissenschaftliche Großforschungsanlagen in der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern bleiben sollen, so plädiere ich dafür, dass auch kulturelle Einrichtungen und Projekte von nationaler Bedeutung in der gemeinsamen Verantwortung bleiben können. Eine "Theorie der radikalen Trennung", wie sie - bezogen auf die Kulturförderung - von manchen Ländervertretern befürwortet wird, lehne ich vor diesem Hintergrund ab.
Es gibt ein über Jahrzehnte gewachsenes und im Grundsatz - trotz der derzeitigen Entflechtungsdiskussion - kooperatives Miteinander in der Kulturförderung, dessen radikale Infragestellung unserer Kulturnation nicht wieder gut zu machenden Schaden zuführen würde. Ich bin gleichfalls der festen Überzeugung, dass eine gemeinsame kulturelle Verantwortung im Rahmen einer von mir nach wie vor - auch nach Gründung der Kulturstiftung des Bundes - angestrebten gemeinsam getragenen Nationalstiftung für Kunst und Kultur eindeutiger gegeben ist als bei so gut wie allen Einrichtungen und Projekten, die gegenwärtig gemeinsam gefördert werden - von den Gedenkstätten über die Bayreuther Festspiele, die Völklinger Hütte bis zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Auch die enorme Anstrengung, die kulturelle Infrastruktur in den neuen Ländern zu fördern und die dort bestehenden historisch bedingten Beschädigungen und Vernachlässigungen zu beseitigen, ist ein national bedeutsames Projekt der Kooperation des Bundes mit den neuen Ländern und den ostdeutschen Kommunen. Dieses Gemeinschaftsprojekt hat großen Erfolg und es ist in den Haushaltsverhandlungen auf Bundesebene gelungen, eine Verdoppelung des in der mittelfristigen Finanzplanung für 2002 vorgesehenen Betrages von 15 auf 30 Millionen Euro für das Programm "Kultur in den neuen Ländern" zu erreichen. Unabhängig davon werden zudem die "Erhaltung von Kulturdenkmälern in den neuen Ländern" sowie vor allem die kulturellen "Leuchttürme" in Ostdeutschland - von der Stiftung Weimarer Klassik bis zum Bauhaus Dessau - aus dem Haushalt meiner Behörde gefördert. Insgesamt erreicht die kulturelle Förderung des Bundes in Ostdeutschland (ohne den Ostteil Berlins) im Jahr 2002 eine Höhe von 116 Millionen Euro. Auch mit Blick auf den Verfassungsauftrag der Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet plädiere ich - übrigens mit Zustimmung der neuen Länder - entschieden für eine Fortführung der kulturpolitischen Kooperation.
Kriterien für die Kulturförderung des Bundes
Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Debatte über eine Systematisierung der Zuständigkeiten im Kulturbereich möchte ich im Folgenden einige Überlegungen zu generellen Kriterien und Voraussetzungen für die Kulturförderung des Bundes anstellen. Aus diesen Kriterien ergeben sich Ansätze für eine Entflechtung von Mischfinanzierungen, auf die ich im Anschluss eingehen werde. Eine Ausarbeitung, die beides enthält, habe ich im November 2001 den Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder als meine Positionsbestimmung und Verhandlungsgrundlage für die Bund-Länder-Entflechtungsgespräche übermittelt.
Deutschland versteht sich als Kulturnation. Die deutsche Kultur war und ist ein wesentliches Element der nationalen Einheit. Sie beschränkt sich nicht auf die additive Vielfalt dessen, was auf kulturellem Gebiet in den Ländern, Städten und Gemeinden geschieht. Sie ist schon deshalb etwas anderes, weil sie sich häufig regional nicht verorten lässt; sie ist auch mehr, da sie das Gemeinsame zum Ausdruck bringt. Dass die Förderung der deutsche Kultur - und damit die Wahrung und Darstellung der geistigen Identität und Einheit der Kulturnation Deutschland - auch eine Angelegenheit des Bundes ist, kann ernsthaft nicht in Frage gestellt werden.
Zur kulturpolitischen Verantwortung des Bundes gehört die Förderung von Kunst und Kultur von gesamtstaatlicher Bedeutung. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist in einem bundesstaatlichen Gesamtverband ihrem Wesen nach dem Bund, d.h. der gesamtstaatlichen Ebene, eigentümlich. Dies zeigen auch die Beispiele anderer föderalistisch organisierter Staaten wie etwa der Schweiz. Dort wurde im Jahre 1999 der Kulturförderungsauftrag des Bundes sogar ausdrücklich in der Bundesverfassung verankert (Art. 69 Abs. 2): "Der Bund kann kulturelle Bestrebungen von gesamtschweizerischem Interesse sowie Kunst und Musik, insbesondere im Bereich der Ausbildung, fördern."
In der Bundesrepublik hatten Bund und Länder auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1971 den Entwurf einer "Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern" (in der Praxis als "Flurbereinigungsabkommen" bezeichnet) erarbeitet. Darin war ein Katalog von Aufgaben festgelegt, die der Bund finanzieren kann, obwohl ihm für diese Aufgaben eine geschriebene Kompetenz im Grundgesetz fehlt. Diese Vereinbarung ist zwar von den Ländern nicht unterzeichnet worden, wurde aber seither als Leitschnur der Staatspraxis akzeptiert. Denn auch die Länder haben bei konkreten Einzelprojekten diese Aufgabenabgrenzung regelmäßig akzeptiert bzw. selbst zur eigenen Handlungsorientierung herangezogen. Das Flurbereinigungsabkommen nennt in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 6 folgende Finanzierungszuständigkeiten des Bundes, die für die Kultur relevant sind:
"1. Wahrnehmung der Befugnisse und Verpflichtungen, die im bundesstaatlichen Gesamtverband ihrem Wesen nach dem Bund eigentümlich sind (gesamtstaatliche Repräsentation);
2. Förderung von bundeswichtigen Auslandsbeziehungen, insbesondere zu nichtstaatlichen internationalen und ausländischen Organisationen und Einrichtungen (Auslandsbeziehungen);
6. Förderung zentraler Einrichtungen und Veranstaltungen nichtstaatlicher Organisationen im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, die für das Bundesgebiet als Ganzes von Bedeutung sind und deren Bestrebungen ihrer Art nach nicht durch ein Land allein wirksam gefördert werden können (nichtstaatliche zentrale Organisationen)."
Zum Kompetenztitel der gesamtstaatlichen Repräsentation ist in einer Protokollnotiz festgehalten: "Unter den Voraussetzungen der Nr. 1 kann sich die gesamtstaatliche Repräsentation auch beziehen auf geschichtlich, wissenschaftlich, künstlerisch und sportlich besonders bedeutsame Einrichtungen und Veranstaltungen, in denen Rang und Würde des Gesamtstaates oder der deutschen Nation zum Ausdruck kommen."
Der Bund ist also aus der "Natur der Sache" für die gesamtstaatliche kulturelle Repräsentation zuständig. Aus dieser ungeschriebenen, heute aber weitgehend anerkannten Bundeskompetenz ergibt sich als zentrale verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Bundesförderung das Kriterium der "gesamtstaatlichen Bedeutung". Diese Auffassung haben alle Bundesregierungen - unabhängig von ihrer politischen Zusammensetzung - nicht erst in der Folge des Flurbereinigungsabkommens, sondern seit Bestehen der Bundesrepublik vertreten und in der Staatspraxis zur Grundvoraussetzung für ihr kulturpolitisches Engagement gemacht. Wie auch die Länder in der Staatspraxis auf dieses Kriterium rekurrieren, ist eindrucksvoll dokumentiert in der Stellungnahme des Bundesrates zum Bundeshaushalt 1995 (BRat-Drs. 1050/93 vom 20.01.1995, S. 7): "Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Mittel für Kulturförderung deutlich zu erhöhen. Die aufgebrachten Mittel reichen bei weitem nicht aus, um den Bestand der kulturellen Einrichtungen von gesamtstaatlicher Bedeutung in allen Ländern zu sichern ...".
Einem Kulturobjekt oder Vorhaben kommt nach der Auslegung des Bundes "gesamtstaatliche Bedeutung" zu, wenn es
· von herausragender künstlerischer oder kultureller Qualität ist;
· über die Grenzen eines Bundeslandes hinauswirkt, d.h. eine internationale, zumindest aber bundesweite Ausstrahlung hat (wegen Einzigartigkeit des Objekts, zentraler Aufgabenstellung, grundsätzlicher künstlerischer Bedeutung, eines traditionellen nationalen Bezugs u.ä.), was in einer entsprechenden öffentlichen Aufmerksamkeit und vor allem einem eindeutig überregionalen Besucherinteresse zum Ausdruck kommt;
· keinen landesspezifischen Charakter hat und sich deshalb nicht regionalisieren lässt.
Für die Kulturförderung in der Hauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn ergibt sich für den Bund aus dem Gedanken des Art. 106 Abs. 8 GG eine weitere verfassungsrechtliche Grundlage. Im Bereich des internationalen Kulturaustausches besteht darüber hinaus die Kompetenz des Bundes für die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten (Art. 32 Abs. 1 GG).
Über die verfassungsrechtliche Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz des Bundes hinaus setzt eine Bundesförderung voraus, dass ein erhebliches Bundesinteresse an der Förderung besteht, welches ohne die Zuwendungen nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann. Ein derartiges Bundesinteresse ist - nicht zuletzt nach dem 11. September 2001 - beispielsweise dann anzunehmen, wenn das Vorhaben der Überbrückung kultureller Grenzen und dem Dialog der Kulturen dient. Ähnliches gilt für die kulturpolitische Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Nachbarstaaten. Aber auch an richtungsweisenden Vorhaben der kulturellen Innovation und zeitgenössischen künstlerischen Entwicklungen besteht ein erhebliches Bundesinteresse.
Die verfassungsrechtliche Kompetenz des Bundes für die Kulturförderung schließt eine gleichzeitige Kompetenz von Kommunen und Ländern nicht aus. Es handelt sich - technisch gesprochen - bei gemeinsamer Förderung nicht um unzulässige Mischverwaltung, sondern um ein jedenfalls bei gesetzesfreier Leistungsverwaltung unbedenkliches Nebeneinander der Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz verschiedener staatlicher Ebenen. Die gleichzeitige Finanzierungskompetenz von Bund und Land entspricht der gemeinsamen Aufgabenkompetenz und damit auch dem Art. 104a Abs. 1 GG. Die Bayreuther Festspiele sind, um ein Beispiel zu nennen, nebeneinander von Bedeutung für die Stadt, das Land und den Gesamtstaat und können deshalb auch von allen drei Ebenen gefördert werden.
Der Bund verfügt über eine stringente Ableitung und Kriterienbestimmung seines kulturpolitischen Engagements. Im Rahmen der Bund-Länder-Verhandlungen insbesondere über die Kulturstiftung des Bundes wurde dies in rechtsgutachtlichen Stellungnahmen sowohl des Bundesministeriums des Innern (als Verfassungsressort) vom 5. Oktober 2001 als auch von Ernst Gottfried Mahrenholz vom 22. November 2002 nochmals bestätigt. Die Länder haben inzwischen Abgrenzungspapiere vorgelegt, die allerdings teilweise untereinander noch nicht konsensfähig sind und über die erst recht kein Einvernehmen mit dem Bund zu erzielen sein wird. Es besteht ein fundamentaler Dissens mit einigen Staatskanzleien der Länder - nicht mit allen und fast gar keiner mit meinen Kultusministerkollegen der Länder - in der Grundsatzfrage der Förderkompetenz bei gesamtstaatlich bedeutsamen Einrichtungen und Projekten. In der konkreten Frage der Entflechtung von bestehenden Mischfinanzierungen kann man dagegen durchaus einzelfallbezogen und pragmatisch zu Übereinstimmungen gelangen.
Der Bund kann allerdings auch bei einem pragmatischen Vorgehen nur denjenigen Neuverteilungen von Finanzierungsverantwortlichkeiten zustimmen, die mit der Verfassungslage in Einklang stehen. Zudem können im Kulturbereich grundsätzlich angelegte Systematisierungen nur dann erfolgen, wenn sie mit anderen Politikbereichen kongruent sind. Die Kultur kann keine Zugeständnisse machen, die dann zum Berufungsfall im Bereich des Sports oder der Bildung werden. Das Flurbereinigungsabkommen bezieht sich deshalb zu Recht auf alle staatlichen Bereiche. Wenn der Bund im Sportbereich Bundesleistungszentren, eine Olympiade oder Dachverbände des Sports fördern darf, muss im Kulturbereich die Förderung einer Stiftung Kunstfonds, bundesweiter Musikwettbewerbe oder des Deutschen Kulturrates ebenfalls möglich sein - das Grundgesetz differenziert hier nicht. Vor diesem Hintergrund gibt es einen Dissens über die Grundsätze einer Neuordnung, die die Ministerpräsidenten der Länder am 20. Dezember 2001 als Basis für Gespräche mit der Bundesregierung formuliert haben:
"- Grundsätzliche Kompetenz und Aufgabe des Bundes für: Auswärtige Kulturpolitik; Politikerstiftungen; Kulturelle Einrichtungen und Projekte in Bundeshauptstadt und Bundesstadt;
- Grundsätzliche Bundeskompetenz, jedoch im Einzelfall auch Aufgaben der Länder bei: Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen; Kriegsfolgelasten; Gedenkstätten und Historische Stätten;
- Grundsätzliche Kompetenz und Aufgaben der Länder für: Nationale Denkmäler;
- Grundsätzliche Länderkompetenz für die sog. "Leuchttürme""
Die Abgrenzungsliste der Ministerpräsidenten geht davon aus, dass Bund bzw. Länder für einen der aufgeführten Sachbereiche jeweils eine Alleinfinanzierungskompetenz im Verhältnis untereinander zusteht, unter grundsätzlichem Ausschluss der jeweils anderen staatlichen Ebene. Ein solches aut-aut wird indes der gemeinsamen Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen im Kulturbereich nicht gerecht, weshalb der Begriff "grundsätzlich" durch "vorrangig" zu ersetzen ist. Allerdings wäre auch dann die vorgenommene Zuteilung der Verantwortlichkeiten aus Bundessicht nicht akzeptabel. Dies zeigt eine genauere Betrachtung dieser Liste.
Nicht nur der Bund, sondern auch die Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen haben eine Förderkompetenz für die kulturellen Einrichtungen und Projekte in der Bundeshauptstadt bzw. der Bundesstadt Bonn, und zwar sogar eine vorrangige. Der Bund verfügt in diesen Fällen aufgrund der gesamtsstaatlichen Repräsentation sowie hauptstadtbedingter Sonderlasten (Art. 106 Abs. 8 GG) über eine Kompetenz, die aber eben keine Alleinfinanzierungskompetenz für die Kultur dieser Städte darstellt.
Die Länder sehen bei den oben unter dem zweiten Spiegelstrich genannten Förderungen zu Unrecht eine grundsätzliche, d.h. in deren Verständnis prinzipiell alleinige Kompetenz des Bundes. Diese wird damit begründet, dass Anknüpfungspunkte aufgrund der dem Bund hier zustehenden Gesetzgebungskompetenzen bestünden. Eine derartige Ableitung ist verfassungsrechtlich nicht haltbar. Der Vollzug der Bundesgesetze ist nach Art. 83 GG Sache der Länder, "soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt." Der Bund kann auch bei diesen Materien wie bei der gesetzesfreien Verwaltung nur ungeschriebene Förderungszuständigkeiten aufgrund des Topos der gesamtstaatlichen Bedeutsamkeit besitzen. Aus der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Ziff. 6 GG folgt also nicht eine ausschließliche oder vorrangige Finanzierungszuständigkeit für die Pflege des Kulturgutes der Flüchtlinge und Vertriebenen, vielmehr sind gemäß Art. 83 GG für den Gesetzesvollzug und - daraus folgend - die Finanzierung (Art. 104a Abs. 1 GG) grundsätzlich die Länder zuständig. § 96 des Bundesvertriebenengesetzes weist die Pflege des Kulturgutes der Vertriebenen und Flüchtlinge ausdrücklich beiden staatlichen Ebenen zu ("Bund und Länder haben entsprechend ihrer durch das Grundgesetz gegebenen Zuständigkeit das Kulturgut ...").
Eine alleinige Grundsatzkompetenz des Bundes für "Gedenkstätten und Historische Stätten" geht ebenfalls viel zu weit. Der Bund würde sich völlig übernehmen. Entsprechend der vom Deutschen Bundestag gebilligten "Konzeption der künftigen Gedenkstättenförderung des Bundes" vom 27.07.1999 (BT-Drs. 14/1569, S. 3) ist die Förderung der Erinnerung, des Gedenkens und von Gedenkstätten "zunächst eine Aufgabe der Gesellschaft, (und zu ergänzen: grundgesetzkonform nach Art. 83 GG ff) der Kommunen und der Länder. Der Bund kann jedoch Gedenkstätten und Projekte fördern, wenn sie von nationaler bzw. internationaler Bedeutung sind, ein wissenschaftlich fundiertes Konzept vorliegt und das jeweilige Sitzland sich angemessen beteiligt."
Es ist auch nicht überzeugend, wenn für Gedenkstätten und Historische Stätten eine grundsätzliche - alleinige - Bundeskompetenz angenommen wird, aber im nächsten Spiegelstrich für "Nationale Denkmäler" eine Kompetenz des Bundes ausgeschlossen wird. In den Entflechtungsgesprächen haben die Länder zur Kompetenzbegründung bei den Gedenkstätten und Historischen Stätten auf Art. 120 GG (Kriegsfolgelasten) verwiesen. Dies greift indes zu kurz. Die Finanzierungszuständigkeiten für die Kriegsfolgenlasten sind in diesem Grundgesetzartikel zum einen ausdrücklich differenziert zwischen Bund und Ländern aufgeteilt; zum anderen erfasst diese Vorschrift nach einhelliger Verfassungsauslegung nur unmittelbare Kriegsfolgen, nicht aber Folgelasten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und Unrechtsfolgen der SED-Herrschaft. Im Übrigen wäre es geradezu absurd, der Europäischen Union eine Förderung nationaler deutscher Denkmäler von der Qualität eines Weltkulturerbes zuzugestehen, diese Kompetenz dem Bund jedoch, etwa bei der derzeitigen Restaurierung des Speyerer Doms, verwehren zu wollen.
Die Länder sind bei den so genannten "Leuchttürmen", also den gesamtstaatlich bedeutsamen Kultureinrichtungen, zweifelsohne genauso zuständig wie der Bund. Diese Zuständigkeit ist aber eben auch hier keine ausschließliche. Der Bund hat eine Mit-Finanzierungskompetenz. Für die "Leuchttürme" in den neuen Ländern ist dies explizit in Art. 35 IV des Einigungsvertrages geregelt. Allerdings wollen einige Staatskanzleien aus den alten Ländern die Förderung der "Leuchttürme" in den neuen Bundesländern auf die Laufzeit des Solidarpaktes II, also bis zum Jahre 2019, begrenzen, wofür es im Einigungsvertrag keine Grundlage gibt.
Ausgeblendet ist in dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz die umfangreiche Bundesförderung der Dachverbände im Kulturbereich, die u.a. den Deutschen Kulturrat, den Deutschen Musikrat und den Deutschen Museumsbund umfasst. Der Bund nimmt diese Förderungen aufgrund seiner gesamtstaatlichen Verantwortung für die Kulturentwicklung und entsprechend der Ziffer 6 des Flurbereinigungsabkommens zu Recht wahr.
Der Verhandlungsposition der Staatskanzleien zufolge soll der Bund in der inländischen Kulturförderung auf die "Erinnerungskultur" und die Hauptstadtförderung eingeengt werden. Diese Position wird dem Reichtum der kulturellen Landschaft Deutschlands nicht gerecht und ist mit der Wahrnehmung nationaler Verantwortung für die Kultur nicht vereinbar. Die zentralistisch anmutende Forderung nach einer weitgehenden Fokussierung des Bundesengagements auf die Hauptstadt scheint im Kontext einer Debatte über die Stärkung des Föderalismus geradezu paradox. So ist mein Vorgänger von Kultusministern der Länder wegen einer vermeintlich zu starken Fokussierung der Kulturpolitik des Bundes auf Berlin oft und zum Teil heftig angegriffen worden. Nun wird eine solche Fokussierung von Länderseite eingefordert. Ich sehe mich jedenfalls seit meinem Amtsantritt in einer Gesamtverantwortung, die der Kultur der Bundesrepublik und nicht nur derjenigen Berlins gilt. Die kulturelle Verfasstheit Deutschlands ist multipolar, und dem sollte auch die Kulturpolitik des Bundes gerecht werden. Ein neuer Berliner Zentralismus, wie im Papier der Ministerpräsidenten gefordert, wäre mit der föderalen Ordnung nicht in Einklang zu bringen. Es mag in diesem Zusammenhang hilfreich sein, an eine Beobachtung zu erinnern, die Goethe 1828 in seinen Gesprächen mit Eckermann formulierte: "Wodurch ist Deutschland groß, als durch eine bewundernswürdige Volkskultur, die alle Teile des Reichs gleichmäßig durchdrungen hat? (...) Gesetzt, wir hätten in Deutschland seit Jahrhunderten nur die beiden Residenzstädte Wien und Berlin, oder gar nur eine, da möchte ich doch sehen, wie es um die deutsche Kultur stände?"
Ansätze für eine Entflechtung von Mischfinanzierungen
Die Entflechtung von Mischfinanzierungen im Kulturbereich ist in bestimmten Fällen aus systematischen Gründen durchaus sinnvoll und wünschenswert. Rechtlich geboten ist die Entflechtung jedoch dann, wenn das Kriterium der gesamtstaatlichen Bedeutung nicht erfüllt ist. Eine weitergehende Entflechtung ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht erforderlich. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es im Kulturbereich ein Nebeneinander von kommunaler Kompetenz, Landeskompetenz und Bundeskompetenz geben kann. Diese horizontal nebeneinander stehenden Kompetenzen schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich.
Am Ende der Entflechtungsdebatte darf nicht eine Verminderung des finanziellen Engagements in der Kulturförderung insgesamt stehen. Die eventuelle Aufgabe der finanziellen Förderung einer Einrichtung sollte daher durch die verstärkte Förderung anderer Einrichtungen kompensiert werden, wobei anzustreben ist, dass das Ergebnis für alle beteiligten Länder und auch die betroffenen Einrichtungen in finanzieller Hinsicht neutral sein wird. Keine einzige Kulturinstitution in Deutschland darf durch die Entflechtung der Verantwortlichkeiten Schaden nehmen.
Für die Bund-Länder Verhandlungen über eine Entflechtung bzw. Systematisierung lassen sich auf der Grundlage der erläuterten generellen Kriterien vier Fallgruppen unterscheiden:
Erste Fallgruppe: Bundesförderungen, die vorrangig aufzugeben sind, weil die Einrichtung oder Veranstaltung von regionaler, jedoch nicht von gesamtstaatlicher Bedeutung ist.
In eine zweite Fallgruppe fallen Förderungen, die nicht nur regionale Bedeutung haben, sondern auch durch die gesamtstaatliche Bedeutung und ein erhebliches Bundesinteresse gerechtfertigt sind, bei denen also nebeneinander eine Finanzierungskompetenz des Sitzlandes und des Bundes gegeben ist. Die Bundesbeteiligung geht jedoch mehr auf den Wunsch des Landes zurück als auf eine eigene politische Zielsetzung des Bundes. In diese Kategorie gehören auch Fälle, bei denen ein früher eindeutig vorhandenes erhebliches Bundesinteresse aufgrund veränderter Gegebenheiten mit der Zeit zurückgegangen und heute zu hinterfragen ist. Solche Finanzierungsbeteiligungen sind für den Bund daher bei Entflechtungsverhandlungen disponibel und können je nach Ausgang der Verhandlungen entfallen. Sofern die Länder den Beschluss der Ministerpräsidenten vom 20. Dezember 2001 umsetzen, wonach ein Ausstieg der Länder aus der Mitfinanzierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angestrebt werden soll, wird der Bund die Kompensation in dieser zweiten Fallgruppe suchen müssen. Förderungen in einer Höhe zwischen 20 und 55 Millionen Euro wären in diesem Falle - unter Zugrundelegung der Interessen des Bundes - einzusparen.
In einer dritten Fallgruppe geht es um Förderungen, für die es ebenfalls eine gemeinsame Finanzierungskompetenz von Bund und Ländern gibt, bei denen das Engagement des Bundes wegen der herausragenden gesamtstaatlichen Bedeutung oder des internationalen Bezuges jedoch nicht disponibel ist. Für diese Fallgruppe seien beispielhaft die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Stiftung Weimarer Klassik genannt.
Soweit in dieser Fallgruppe Förderungen enthalten sind, die gegenwärtig nicht allein durch den Bund finanziert werden, kann es sinnvoll sein, über eine Erhöhung des bisherigen Bundesanteils zu verhandeln. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Entflechtung aus Sicht des Bundes kein Selbstzweck ist und in bestimmten Fällen systematische Gesichtspunkte auch dafür sprechen können, eine bisherige ausschließliche Bundesfinanzierung durch eine Mischfinanzierung zu ersetzen.
Zu einer vierten Fallgruppe gehören die wenigen Förderungen, für die es eine ausschließliche Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz des Bundes gibt. Zu nennen sind hier etwa das Goethe-Institut / Inter Nationes und die Deutsche Welle. In diesen Fällen fördert der Bund zu 100 Prozent. Diese Förderkompetenz ist durch die Zuständigkeit des Bundes für die auswärtige Kulturpolitik vorgegeben. Daran soll sich nichts ändern.
Fazit
Es gibt eine nationale Verantwortung für die Kultur, der die Politik gerecht werden muss. Dies schließt eine gestaltende Kulturpolitik des Bundes ein. Ihre Aufgaben liegen zum einen in der Ordnungspolitik, denn die Gesetze des Bundes gestalten einen wesentlichen Teil der kulturellen Rahmenbedingungen in Deutschland. Zum anderen umfasst die Wahrnehmung nationaler Verantwortung für die kulturelle Entwicklung eine Förderkompetenz des Bundes. Die Möglichkeit einer Förderung aus Bundesmitteln ist gegeben, wenn ein Vorhaben das Kriterium der gesamtstaatlichen Bedeutung erfüllt und ein erhebliches Bundesinteresse besteht. Diese Förderkompetenz soll länderfreundlich wahrgenommen werden. Ich schlage vor, das Kriterium in etwa folgender Weise zu fassen: Wenn eine Institution von nationaler und gegebenenfalls internationaler Bedeutung ist, kann der Bund sich an der Förderung beteiligen unter der Voraussetzung, dass das betreffende Sitzland dies (Mit-) Förderung wünscht und die Anforderungen an Qualität, historischen Rang etc. erfüllt sind. Dieser Ansatz ist einem kooperativen Verständnis des Kulturföderalismus verpflichtet, bietet aber zugleich eine Grundlage für die Entflechtung der Fördermaßnahmen von Bund und Ländern. Systematisierung einerseits und Kooperation andererseits schließen sich nicht aus. Die zukünftige kulturelle Entwicklung Deutschlands ist vielmehr auf beides angewiesen.