Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein "Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft"
Berlin, den 15.10.2002. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass die Bundesregierung mit der Vorlage des Regierungsentwurfs für ein "Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" die im Mai 2001 verabschiedete "Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft" (im folgenden kurz "EU-Richtlinie") nach langjährigen Diskussionen innerhalb der Europäischen Union nun zügig und zeitnah in deutsches Recht umsetzen will.
Als unverändert wesentlich erachtet der Deutsche Kulturrat, dass auch mit dem Regierungsentwurf noch einmal klargestellt wird, dass im Rahmen der zugelassenen Ausnahmen vom exklusiven Vervielfältigungsrecht analoge und digitale Vervielfältigung gleich zu behandeln sind. Mit dem Regierungsentwurf wird zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher die Zulässigkeit der privaten Kopie auch mit Hilfe digitaler Medien deutlich formuliert. Der Deutsche Kulturrat begrüßt diese Rechtssicherheit im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher. Er ist der Auffassung, dass das bewährte System der Verwertungsgesellschaften mit ihren kollektiven Abrechnungssystemen auch im digitalen Zeitalter die beste Gewähr dafür bietet, dass
Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin jederzeit urheberrechtlich geschützte Werke für private Zwecke kopieren können,
Künstlerinnen und Künstler weiterhin die ihnen zustehenden Tantiemen erhalten,
die Kulturwirtschaft weiterhin in künstlerische Produkte investiert.
Der Deutsche Kulturrat verweist darauf, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf bereits ausführliche Empfehlungen der Länder vorgetragen hat, die zum Teil erheblichen Bedenken begegnen und deren Behandlung zu erheblichen Verzögerungen des Gesetzgebungsverfahrens führen könnten. Es ist daran zu erinnern, dass die EU-Richtlinie bis 22.12.2002 in nationales Gesetz umgesetzt werden muss, so dass die Umsetzung der Richtlinie nach Konstituierung des 15. Deutschen Bundestages zügig erfolgen sollte.
Der Deutsche Kulturrat hat bereits in der Vergangenheit zu den jetzt durch die notwendige Einarbeitung der genannten EU-Richtlinie in das deutsche Urheberrechtsgesetz akut gewordenen Problemen Stellung bezogen:
In seiner Stellungnahme "Urheber- und Leistungsschutzrecht in der Informationsgesellschaft" vom September 1998 hat der Deutsche Kulturrat verdeutlicht, dass für eine günstige Entwicklung der Informationsgesellschaft ein funktionierendes Urheberrecht unabdingbare Voraussetzung ist.
Im Schreiben des Deutschen Kulturrates an das BMJ vom 24.2.1999 wurde zum "Diskussionsentwurf eines 5. Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes" ausführlich Stellung bezogen. Dabei wurde betont, dass eine 5. Urheberrechtsnovelle nicht nur der Umsetzung der beiden WIPO-Verträge dienen dürfe, sondern weitergehende, dringende Änderungen des Urheberrechtsgesetzes notwendig sind. Dies gilt unverändert, auch wenn das 5. Urheberrechtsänderungsgesetz nun primär der Umsetzung der EU-Richtlinie dient.
In der Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Referentenentwurf für ein "Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" hat der Deutsche Kulturrat bereits zu wichtigen Aspekten bei Umsetzung der genannten EU-Richtlinie Stellung bezogen.
Mit großer Befriedigung hat der Deutsche Kulturrat festgestellt, dass viele seiner Änderungsvorschläge zum Referentenentwurf in den Regierungsentwurf aufgenommen wurden. So wird insbes. begrüßt, dass die Zwangslizenz zur Herstellung von Tonträgern nicht mehr ersatzlos gestrichen, sondern - entsprechend dem Vorschlag des Deutschen Kulturrates - vollinhaltlich beibehalten und in den 5. Abschnitt des Urheberrechtsgesetzes verlegt wird. Damit wird zum einen die große kulturpolitische Bedeutung der Zwangslizenz auf dem Musiksektor betont. Zum anderen wird damit klargestellt, dass es sich hierbei nicht um eine "Schranke" des Exklusivrechts handelt, sondern nur um eine - von der EU-Richtlinie zugelassene - Regelung der Art seiner Ausübung.
Wir erlauben uns, im Folgenden zu einigen Aspekten im genannten Regierungsentwurf dezidiert Stellung zu nehmen. Weiter werden wir unter VI. zusätzliche Anforderungen an das "Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft", die bislang im Regierungsentwurf noch nicht berücksichtigt wurden, aber in denselben Themenkreis gehören, aufgreifen. Aus unserer Sicht sollten diese erforderlichen Änderungen nicht "auf die lange Bank" geschoben, sondern bei der anstehenden Gesetzesreform direkt mit berücksichtigt werden. Sollte dies im Hinblick auf die wegen der Richtlinienumsetzung gebotene Eilbedürftigkeit nicht möglich oder erwünscht sein, so muss vom Gesetzgeber wenigstens klargestellt werden, dass er die notwendigen weiteren Änderungen bzw. Ergänzungen des Urheberrechtsgesetzes noch in der nächsten Legislaturperiode realisieren wird.
I.
Inhalte werden nur bei ausreichendem Urheber- und Leistungsschutzrechtschutz angeboten
Die Informationsgesellschaft ist auf das Angebot einer großen Menge von attraktiven Inhalten dringend angewiesen. Es reicht nicht aus, Weiterleitungskapazitäten und Netzwerke zur Verfügung zu stellen, wenn diese nicht mit Inhalten gefüllt werden. Der Kultursektor in seiner gesamten Breite und Vielschichtigkeit gehört zu den wichtigen Inhaltslieferanten der Informations- und Wissensgesellschaft. Urheber und andere Rechteinhaber werden aber nur dann Inhalte in die digitalen Netze einspeisen, wenn sie einen wirtschaftlichen Ertrag daraus erzielen können.
Das Urheber- und Leistungsschutzrecht setzt den Rahmen für diese Ertragserzielungsmöglichkeiten. Deshalb ist eine Verbesserung des Schutzes der Urheber und Leistungsschutzberechtigten unabdingbar.
II.
Eine vorsichtige Anpassung des Urheber- und Leistungsschutzrechtes an das EU-Recht ist geboten
Der Deutsche Kulturrat vertrat in seinen genannten Stellungnahmen die Auffassung, dass es keiner grundsätzlichen Änderung des Urheberrechtsgesetzes bedarf, um den Anforderungen der Informationsgesellschaft zu genügen. Dies gilt unverändert auch nach Verabschiedung der EU-Richtlinie und der Notwendigkeit ihrer Einarbeitung in das deutsche Urheberrechtsgesetz. Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass der Regierungsentwurf - wie schon der Referentenentwurf - im Prinzip dieser Maxime folgt.
Die EU-Direktive enthält allerdings einige, dem deutschen Urheberrecht in dieser Form bislang fremde Regelungen, darunter insbesondere:
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3),
Pflichten in Bezug auf technische Maßnahmen (Art. 6),
Schutz gegen Angriffe auf "Informationen für die Rechtewahrnehmung" (Art. 7) und
Sanktionen und Unterlassungsansprüche bei Rechtsverletzungen (Art. 8).
Hier muss also "europäisches Urheberrecht" in das deutsche Urheberrechtsgesetz eingefügt werden, wobei diese nationalen Regelungen dann richtlinienkonform auszulegen sind. Der Deutsche Kulturrat begrüßt deshalb, dass sich der Regierungsentwurf - wie schon der Referentenentwurf -im Wortlaut eng an die EU-Richtlinie anlehnt, wie dies besonders deutlich bei dem neu einzufügenden § 19 a "Recht der öffentlichen Zugänglichmachung" wird.
§ 15, Abs. 2 (öffentliche Wiedergabe)
Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass die Bundesregierung seinen Einwand gegen die Fassung des Referentenentwurfs von § 15, Abs.2, S. 2 aufgegriffen hat und das dort vorgesehene - ebenso überflüssige wie verwirrende - Kriterium der "Gleichzeitigkeit" in der Definition des Begriffs der Öffentlichkeit wieder entfallen ließ.
§ 19a (Recht der Zugänglichmachung)
Zum neuen Recht der Zugänglichmachung unterlässt es der Regierungsentwurf, im Wortlaut des § 19a deutlich zu machen, dass dieses Recht nicht nur die Zugänglichmachung auf Abruf, also das Bereithalten eines geschützten Inhaltes zum Abruf, umfasst, sondern auch den anschließenden Übertragungsakt, also den "Erfolg des Zugänglichmachens". Dieses Zweiaktigkeit des neuen Rechts ist dem Verbreitungsrecht im physischen Bereich vergleichbar, § 17 Abs. 1 UrhG. Die Zweiaktigkeit wird von den Erwägungsgründen 24 und 25 der Richtlinie nahegelegt und entspricht der herrschenden Rechtsmeinung (vgl. Gerlach, ZUM 1999, 278ff sowie insbesondere die Stellungnahme von v.Ungern-Sternberg zum Referentenentwurf, wiedergegeben im Diskussionsbericht zur Arbeitssitzung des Instituts für Urheber- und Medienrecht am 22.03.2002, ZUM 2002, 451, 452). Praktisch bedeutsam wird die Zweiaktigkeit in den Fällen, in denen geschützte Inhalte von in "Urheberrechtsoasen" gelegenen Servern aus angeboten und auf Abruf nach Deutschland übertragen werden. Bei solchen Übermittlungen wird das Recht der Zugänglichmachung in Deutschland genutzt, unabhängig davon, ob ein solches Recht auch am Ort des Servers existiert. Wir schlagen vor, in der Formulierung klarzustellen, dass
"das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung das Recht (ist), das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen oder zu übermitteln, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist."
Als zumindest erforderlich hält der Deutsche Kulturrat eine entsprechende Klarstellung in der Gesetzesbegründung.
Wie bereits erwähnt, unterstützen wir die Beibehaltung der Zwangslizenz zur Herstellung von Tonträgern und die entsprechende systematische Platzierung im Urheberrechtsgesetz.
III.
Anpassung der Schranken des Urheberrechts
Eine wichtige Stellschraube zur Weiterentwicklung des Urheberrechts ist die Anpassung der Schrankenregelungen an die sich verändernden technischen und wirtschaftlichen Umstände in der Informationsgesellschaft. Die EU-Richtlinie bietet in Art. 5 Abs. 2 und insbes. Abs. 3 eine umfangreiche "Speisekarte" möglicher Ausnahmen an. Der Deutsche Kulturrat betont, dass sich die Schrankenregelungen der §§ 45 ff. UrhG - nicht zuletzt durch die Auslegung, die diese Regelungen durch das Bundesverfassungsgericht erfahren haben und trotz mancher Kritikpunkte im Detail - im Großen und Ganzen bewährt haben. Sie stellen - auch hier trotz mancher berechtigter Kritik in Einzelpunkten - eine ausgewogene Balance zwischen den Interessen der Urheber, Leistungsschutzberechtigten und sonstigen Rechteinhabern einerseits und den Interessen der Nutzer andererseits dar. Die Möglichkeiten, die Art. 5 Abs. 3 der EU-Richtlinie bietet, dürfen daher nicht dazu benutzt werden, neue Ausnahmetatbestände einzuführen. Umgekehrt ist nicht zu übersehen, dass digitale Nutzungsmöglichkeiten in manchen Bereichen eine andere Qualität haben als die herkömmlichen analogen Nutzungsmöglichkeiten. Wie schon von der Enquête-Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" festgestellt, sind aus diesem Grund vorsichtige Änderungen der Ausnahmeregelungen, also Beschränkungen derselben geboten. Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass der Regierungsentwurf - wie schon der Referentenentwurf - mit wenigen Ausnahmen - nur vorsichtige Eingriffe in die bestehenden Schrankenregelungen vorsieht.
Gemäß Erwägungsgrund 36 der EU-Richtlinie kann für jede Ausnahme oder Beschränkung eines exklusiven Rechtes ein "gerechter Ausgleich" vorgesehen werden. Nach deutscher Rechtstradition sollte es selbstverständlich sein, dass den Berechtigten für jeden Fall der Beschneidung ihrer exklusiven Nutzungsrechte, soweit dieser wirtschaftlich wesentliche Auswirkungen hat, eine angemessene Vergütung zugestanden wird.
§ 44a (Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen)
Es ist richtig und konsequent, dass diese einzige, zwingend vorgeschriebene Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht (Art. 5 Abs. 1) im Abschnitt "Schranken des Urheberrechts" behandelt wird. Auch hier ist die enge Anlehnung an den Wortlaut der Richtlinie selbst zu begrüßen.
§ 46 UrhG (Schulbuchprivileg)
Bereits 1998 hat sich der Deutsche Kulturrat dafür ausgesprochen, dass zu Bildungszwecken die Nutzung von Werken mit Hilfe neuer Technologien im Rahmen des § 46 UrhG möglich sein muss. Der Umgang mit neuen Technologien gehört heute zu den selbstverständlichen Fertigkeiten, die Schülerinnen und Schüler erlernen müssen. In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf zum "Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" hat der Deutsche Kulturrat diese Position noch einmal unterstrichen.
Mit Befriedigung nimmt der Deutsche Kulturrat zur Kenntnis, dass entsprechend seiner Anregung nun für Bildungszwecke Entlehnungen von Werken vorgenommen werden dürfen, die nicht "erschienen" (§ 6 Abs. 2 UrhG), sondern nur "veröffentlicht" (§ 6 Abs. 1 UrhG) sind.
In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf hat der Deutsche Kulturrat aber auch deutlich gemacht, dass Voraussetzung für die zustimmungsfreie Online-Nutzung von Werken nach §46 ist ,,dass sie nur in geschlossenen Systemen zugänglich gemacht werden. Dieser Forderung wird auch der im Regierungsentwurf vorgeschlagene Abs. 1 S. 1 nicht gerecht, der eine entsprechende Nutzung nach seinem Wortlaut nicht nur in einem geschlossenen Intranet, sondern auch im Internet zulassen würde - eine genehmigungsfreie Verwertung von Werken, die keinesfalls mehr vom Unterrichtszweck gedeckt und daher inakzeptabel ist. Der jetzt in der Begründung zum Regierungsentwurf gegebene Hinweis, "die allgemeine Einstellung in das Internet" würde durch § 46 nicht mehr gedeckt sein, genügt diesen Forderungen nicht. § 46 Abs. 1 S. 1 spricht nur von "öffentlicher Zugänglichmachung", umfasst also ohne Einschränkungen das gesamte Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19a.
Um der in der Begründung zum Regierungsentwurf selbst gegebenen Intention gerecht zu werden, schlägt der Deutsche Kulturrat dringend vor, in Anlehnung an den neu gefassten § 52a des Regierungsentwurfs auch in § 46 klarzustellen, dass das Werk zum privilegierten Gebrauch ausschließlich für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Nutzern - wie er sich aus der Bestimmung von § 46 ergibt - öffentlich zugänglich gemacht werden darf.
§ 53 UrhG (Vervielfältigung zum privaten Gebrauch)
In seiner Stellungnahme "Urheber- und Leistungsschutzrecht in der Informationsgesellschaft" hat der Deutsche Kulturrat 1998 festgestellt, dass es zur Vermeidung von Missbräuchen erforderlich ist, die in § 53 UrhG vorgesehenen großzügigen Regelungen in Bezug auf digitale Vervielfältigungen einzuschränken. Die neuen digitalen Techniken erlauben das problemlose und qualitativ hochwertige Kopieren ("Klonen") von Werken. Diese Kopien werden zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil eben nicht nur für den persönlichen Gebrauch genutzt, sondern auch veräußert. Es ist daher insbesondere in der Musikbranche ein zweiter grauer Markt entstanden, der zu einem beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden bei Urhebern und Leistungsschutzberechtigten führt, da diese aus Raubkopien keinen wirtschaftlichen Ertrag erzielen können. Ihre wirtschaftliche Basis verringert sich dadurch beträchtlich. Der Gesetzgeber ist daher aufgefordert, § 53 für digitale Vervielfältigungen wie folgt einzuschränken:
Ausnahmen können für Vervielfältigungen zum rein privaten Gebrauch weiterhin zulässig sein.
Nach Abwägung der Interessen der Beteiligten sollte im Hinblick auf die bestehende Rechtslage der persönliche Gebrauch eines einzelnen Wissenschaftlers auch im digitalen Umfeld privilegiert bleiben. Durch den Begriff "persönlich" muss allerdings § 53 Abs. 2 Ziff. 1 insoweit eingeschränkt werden.
Ausnahmen können demnach auch weiterhin zugelassen werden zum persönlichen, nicht gewerblichen Gebrauch eines einzelnen Wissenschaftlers, soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist.
Die vorgeschlagene Neufassung von § 53 entspricht im Wesentlichen diesen Forderungen. Zum Ausgleich für die kraft dieser gesetzlicher Lizenz gestatteten Vervielfältigungen sollte aber in §§ 54 f. UrhG klargestellt werden, dass auch digitale Vervielfältigungsgeräte, also insbes. PCs sowie elektronische Speichermedien, für Vervielfältigungen im Rahmen von § 53 "bestimmt" sind und somit der Vergütungspflicht unterliegen. Dies hat die Bundesregierung bereits in ihrem 2. Vergütungsbericht betont und in ihrer o.a. erwähnten Antwort auf die Große Anfrage jüngst erneut bestätigt (aaO Antwort auf Frage 56).
Der Deutsche Kulturrat hebt hervor, dass er sich damit deutlich von der Stellungnahme des Bundesrates zum vorliegenden Regierungsentwurf abgrenzt. Der Bundesrat weist in seiner Begründung zu dem nach seiner Ansicht erforderlichen Änderungsbedarf am Regierungsentwurf darauf hin, dass im Bereich des "Digital Right Management" noch Entwicklungsbedarf besteht. In der Praxis können die individuellen Abrechnungssysteme noch nicht überzeugen. Es ist daher nicht akzeptabel, dass Urheber und Leistungschutzberechtigte bereits jetzt auf Einnahmen aus kollektiven Vergütungen verzichten sollen in der bloßen Hoffnung, dass durch das neue Gesetz Anreize für die Wirtschaft geschaffen werden, die individuellen Abrechnungssysteme zu verbessern. Ebenso wenig wäre die Geräteindustrie damit einverstanden auf die Bezahlung ihrer Geräte zu verzichten, bis dass entsprechende Systeme zur Abrechnung der tatsächlich genutzten Stunden an den PC oder anderen Geräten entwickelt wurden. Konsequenterweise teilt der Deutsche Kulturrat den vom Bundesrat empfohlenen Vorrang der individuellen Lizensierung vor einer Pauschalvergütung nicht.
§ 56 UrhG (Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe durch Geschäftsbetriebe)
Die schon in der Stellungnahme des Deutschen Kulturrates vom September 1998 geforderte Erweiterung von § 56 UrhG auf Geräte zur digitalen Datenverarbeitung (Art. 5 Abs. 3 l der EU-Richtlinie) wird im vorgeschlagenen § 56 - wie schon im Referentenentwurf - berücksichtigt.
§ 58 UrhG (Katalogbilder)
Der Deutsche Kulturrat hatte zwar angeregt, den Wortlaut von § 58 UrhG unverändert zu belassen und lediglich seine Auslegung an Art. 5 Abs. 3 j der EU-Richtlinie zu orientieren. Die jetzt vorgesehene Neufassung im Regierungsentwurf entspricht jedoch der Interessenlage und kann von den Beteiligten akzeptiert werden.
§§ 62 und 63 UrhG (Änderungsverbot und Quellenangabe)
Der Deutsche Kulturrat hat schon 1998 betont, dass die Bestimmungen der genannten Paragraphen gerade auch für digitale Nutzungen Gültigkeit behalten müssen.
Der Deutsche Kulturrat begrüßt daher besonders die jetzt im Regierungsentwurf vorgesehene Erweiterung um S. 2 in § 63 Ab. 2., womit deutlich gemacht ist, dass die Pflicht zur Quellenangabe grundsätzlich auch in den durch die Schranken des Urheberrechts privilegierten Fällen der öffentlichen Wiedergabe besteht.
IV.
Leistungsschutzrechte ausübender Künstler
§ 85 Schutzfristbeginn
Der Deutsche Kulturrat fordert auch für die Zukunft identische Regelungen für die Berechnung des Schutzfristbeginns für die Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler, der Veranstalter und der Tonträgerhersteller. Der Regierungsentwurf verbessert in Art. 85 Abs. 3 die Schutzfristen für den Tonträgerhersteller. Statt wie bisher an die jeweils frühere Nutzung durch Erscheinen oder öffentliche Wiedergabe anzuknüpfen, ist nun das Erscheinen maßgeblich, auch wenn der Tonträger zu einem früheren Zeitpunkt bereits öffentlich wiedergegeben wurde. Diese sachgerechte Regelung soll nach § 82 auf die Rechte ausübender Künstler und Veranstalter jedoch keine Anwendung finden. Dort wird weiterhin für die Schutzfristberechnung auf das jeweils frühere Ereignis abgestellt. In der Praxis führt dies zu einer massiven Schlechterstellung der ausübenden Künstler und Veranstalter. Wird - entsprechend der ständigen Praxis - eine Aufnahme aus einem Rundfunkarchiv, die im Entstehungsjahr gesendet wurde, nach Jahrzehnten als Handelstonträger veröffentlicht, so beginnt für die Tonträgerhersteller die Schutzfrist von 50 Jahren neu, während sie - anknüpfend an die lange zurückliegende öffentliche Wiedergabe - für die ausübenden Künstler und Veranstalter bereits seit langer Zeit läuft und in Kürze endet. Diese Ungleichbehandlung, die auch in der Praxis zu erheblichen Problemen führt, beruht offensichtlich auf einem Redaktionsversehen des EU-Richtliniengebers. § 82 sollte deshalb an § 85 Abs. 3 angepasst werden.
§ 95 a (Schutz technischer Maßnahmen)
Bereits in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf hat der Deutsche Kulturrat die Bedeutung des Schutzes technischer Maßnahmen unterstrichen und vorgeschlagen, ergänzend zur vorgelegten Regelung in der Gesetzesbegründung explizit auf die Online-Zugänglichmachung einzugehen, die in der Praxis die größte Relevanz hat. Nun findet sich in der Begründung zum Regierungsentwurf folgender neuer Satz: "Technische Schutzmaßnahmen werden unabhängig von der verwendeten Technologie vor Umgehung geschützt". Es wäre zweckmäßig, dies explizit mit dem Hinweis zu verbinden, dass dies auch für die Online-Zugänglichmachung gilt.
§ 95 b (Durchsetzung von Schrankenbestimmungen)
Durch die im Regierungsentwurf neu eingefügte Ziff. 6. a in Abs. 1 genügt die Regelung für die private Reprographie jetzt den zwingenden Vorgaben der EU-Richtlinie (Art. 6 Abs. 4 1. Unterabschnitt) und den Forderungen des Deutschen Kulturrates. Nach wie vor ist zu bedauern, dass nicht schon in diesem Gesetzesentwurf die Vorgaben von Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie - auch soweit sie die fakultativen Regelungen für die Privatkopie betreffen - umgesetzt werden sollen, weil diese Fragen "weiterer Prüfung" bedürften.
§ 108 (Unerlaubte Eingriffe in verwandte Schutzrechte)
Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass entsprechend seiner Anregung die Strafbewehrung jetzt den gesamten § 78 Abs. 1 umfasst, also auch das Recht der ausübenden Künstler zur öffentlichen Zugänglichmachung.
V.
Weitere zur Umsetzung der EU-Richtlinie erforderliche Änderungen des UrhG
Selbständiger Unterlassungsanspruch
Ohne jede Begründung sieht der Regierungsentwurf keine Umsetzung von Art. 8 Abs. 3 Info-RL vor. Der dort geregelte selbständige Unterlassungsanspruch ist jedoch untrennbar mit der Ausnahme temporärer Vervielfältigungen aus dem Vervielfältigungsrecht (Art. 5 Abs. 1 Info-RL, § 44a RegE) verbunden (s. Erwägungsgrund 59 Info-RL und Reinbothe, GRUR Int. 2001, 733, 741). Er soll unabhängig davon gewährt werden, ob der Vermittler selbst eine Urheberrechtsverletzung begangen hat. Ohne Aufnahme dieses selbständigen Unterlassungsanspruchs genügt das deutsche UrhG nicht den Anforderungen der EU-Richtlinie (so auch BR-Drucks. 684/1/02, S. 2).
Wir schlagen daher die Einfügung folgender Vorschrift in das UrhG vor:
§ 97a Anspruch auf Unterlassung gegen Vermittler
"Wird das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann der Vermittler, dessen Dienste von einem Dritten bei der Verletzung genutzt werden, auch wenn ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last fällt, vom Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Weitergehende Ansprüche bleiben unberührt."
Auskunftsanspruch gegen Vermittler
Die Vorschriften der EU-Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr zur Haftung von Internet Service Providern basieren auf dem Grundgedanken, dass vorrangig derjenige haftbar gemacht werden soll, der selbst ein rechtsverletzendes Angebot im Internet durchführt. Dies begrüßt der Deutsche Kulturrat. Es setzt aber voraus, dass die bloß unterstützend tätig werdenden Provider verpflichtet werden, Auskunft über die Identität des Nutzers, also des primären Verletzers, zu erteilen. In das UrhG sollte deshalb ein selbständiger Auskunftsanspruch aufgenommen werden, der insbesondere helfen könnte, die Durchführung einer Vielzahl von Strafverfahren mit einer unnötigen Kriminalisierung der rechtsverletzenden Anbieter zu vermeiden, die derzeit Folge der Regelungen im Teledienstedatenschutzgesetz (§§ 5 und 6 TDDSG) ist.
Wir schlagen deshalb die Einfügung der folgenden Vorschrift in das UrhG vor:
§ 101b Anspruch auf Auskunft gegen Vermittler
"Vermittler gemäß § 97a können vom Verletzten auf unverzügliche Auskunft über den Dritten in Anspruch genommen werden, der den Dienst für die Verletzung eines nach diesem Gesetz geschützten Rechts genutzt hat. § 101a Absätze 2 bis 5 gelten entsprechend."
VI.
Änderungen des Wahrnehmungsgesetzes
Den Vorgaben der EU-Richtlinie folgend hat der Gesetzgeber auch Formulierungsvorschläge zur Änderung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes unterbreitet. In den bereits aufgeführten vorherigen Stellungnahmen hat der Deutsche Kulturrat zu den nach seiner Auffassung erforderlichen Änderungen des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes bereits Stellung bezogen.
§ 11 (Abschlusszwang)
Der Deutsche Kulturrat begrüßt die vorgesehenen Ergänzungen des § 11 UrhWG. Seines Erachtens sind aber darüber hinaus dringend materielle Änderungen dieses Gesetzes geboten. So beschränkt sich die Hinterlegungsregel in § 11 Abs. 2 WahrnG bisher auf ausschließliche Rechte. Um zahlungsunwilligen Schuldnern für ihre Haltung keine weiteren Anreize zu gewähren, sollte diese Regelung dringend auch auf gesetzliche Lizenzen und Vergütungsansprüche ausgedehnt werden.
VII.
Zusätzliche Anforderungen an das "Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft"
Zusätzlich zu den oben aufgeführten Ergänzungs- und Änderungsvorschlagen zum Referentenentwurf für ein "Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" erinnert der Deutsche Kulturrat daran, dass im Zuge dieser Urheberrechtsnovelle weitere dringend gebotene Änderungen im Urheberrecht auf den Weg gebracht werden müssen.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Richtlinie müssen vielmehr auch die Punkte des Urheberrechtsgesetzes revidiert werden, die längst einer Revision bedürfen. Die Bundesregierung selbst hat in den beiden sog. Vergütungsberichten von 1989 und 2000 einige Regelungen des geltenden Urheberrechtsgesetzes herausgegriffen, die einer Änderung, d.h. einer Verbesserung bedürfen.
Dabei geht es vordringlich um folgende Bereiche, die hier nur noch stichwortartig aufgezählt werden, da sie in den bereits genannten, früheren Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates ausführlich dargestellt sind:
Die vom Deutschen Kulturrat bereits 1998 angesprochene verstärkte Nutzung elektronischer Pressespiegel hat in der Praxis weiter zugenommen. Elektronische Pressespiegel bieten die Möglichkeit, sehr schnell die entsprechenden Informationen bereit zu stellen. Der Deutsche Kulturrat bekräftigt daher seine Forderung, in § 49 UrhG klarzustellen, dass auch elektronische Pressespiegel privilegiert sind, wie dies auch schon der Diskussionsentwurf für ein 5. Urheberrechtsänderungsgesetz vorsah. Art. 5 Abs. 3 c) der Richtlinie lässt ausdrücklich auch die "Zugänglichmachung" der betr. Artikel zu.
Auch der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.7.2002 (I ZR 255/00 - Elektronischer Pressespiegel) ausdrücklich bestätigt, dass elektronische Pressespiegel - bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen - der Privilegierung von § 49 UrhG unterliegen. Dieses Urteil sollte zum Anlass genommen werden, um in § 49 UrhG abschließend das Recht der elektronischen Pressespiegel zu regeln. Dabei sollten Abbildungen - auch wenn es hierfür in der Praxis befriedigende vertragliche Regelungen gibt - in die gesetzliche Regelung einbezogen werden.
Die in der Anlage zu § 54 d UrhG festgeschriebenen Vergütungssätze sind seit 1985 unverändert. In den beiden Vergütungsberichten der Bundesregierung wurde bereits darauf hingewiesen, dass diese Tarife dringend angehoben werden müssen. Zuletzt hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine große Anfrage am 27.9.2001 erneut darauf hingewiesen, dass diese Vergütungssätze seit 1985 nicht erhöht worden sind und es nicht einmal einen "Inflationsausgleich" gab (BT-Drucks. 14/6993 S. 34, Frage 54). Der Deutsche Kulturrat fordert daher die Bundesregierung auf, die Konsequenzen hieraus bereit beim jetzt anstehenden Gesetzesvorhaben zu ziehen.
Bei Urheberrechtsverletzungen hat der Verletzer nach derzeit geltender Regelung in Deutschland nur die übliche Lizenzgebühr zu bezahlen, die er auch bei entsprechend ordnungsgemäßem Erwerb der Rechte zu bezahlen gehabt hätte. Das deutsche Urheberechtsgesetz sollte - ausländischen Beispielen folgend - jedenfalls bei vorsätzlichen Urheberrechtsrechtsverletzungen mindestens die doppelte Lizenzgebühr als Schadensersatz zum Regelfall machen. Dies legt auch Erwägungsgrund 58 der EU-Richtlinie nahe, der "wirksame Sanktionen" bei Rechtsverletzungen fordert.
Diese und die weiteren geforderten dringenden Änderungen müssen jetzt durchgeführt werden. Den Urhebern, Leistungsschutzberechtigten und sonstigen Rechteinhabern ist ein weiteres Zuwarten etwa auf eine nächste Urheberrechtsnovelle nicht mehr zuzumuten.