Politisch-institutionelle Rahmenbedingungen und Ansätze zur Stärkung Bürgerschaftlichen Engagements, Teilbereich Kommunale Verwaltungsreform
Anfang der 90er Jahre begeisterte ein Zauberwort Entscheidungsträger der öffentlichen Verwaltung und Entscheidungsträger in Organisationen des Dritten Sektors. Das Zauberwort hieß: „Neues Steuerungsmodell“. Das „Neue Steuerungsmodell“ versprach einen effizienteren Einsatz der vorhandenen Ressourcen, eine stärkere Fachverantwortlichkeit und eine verbesserte Kundenorientierung. Es schien das Lösungsmodell zur Umsetzung der Kommunalen Verwaltungsreform zu sein.
Entwickelt wurde das Neue Steuerungsmodell von der „Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung“ (KGSt). Die KGSt wird von den kommunalen Spitzenverbänden getragen. Sie ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Köln. Bereits seit 1949 setzt sich die KGSt für Verwaltungsvereinfachung ein und bemüht sich um den interkommunalen Austausch. Doch kaum zuvor hatte die KGSt eine solche Aufmerksamkeit erlangt.
Dass die Neuen Steuerungsmodelle zu Beginn der 90er Jahre entwickelt und in den Kommunen erprobt wurden, ist kein Zufall. Zu Beginn der 90er Jahre wurde spätestens klar, dass die Zeiten des Wachstum der Staatsaufgaben und damit einer expandierenden Verwaltung zu Ende sind. Immer mehr Kommunen gerieten an finanzielle Grenzen. Es wurden daher Wege nach einem effizienteren Einsatz der vorhandenen Ressourcen gesucht.
Zugleich erwies sich, dass der Öffentliche Dienst zwar gewachsen in seiner inneren Struktur aber unverändert geblieben ist. Bei Entscheidungsträgern in der Kommunalverwaltung erwuchs eine Unzufriedenheit mit den bestehenden tradierten Funktionsweisen des öffentlichen Dienstes und der Erbringung öffentlicher Leistungen.
Aus dem Zusammenwirken beider Faktoren, d.h. dem Erfordernis der Kostenbeschränkung und verbesserter Haushaltskontrolle sowie dem Bedarf nach einer veränderten Funktionsweise von Verwaltungshandeln erwuchs das „Neue Steuerungsmodell“ bzw. die Kommunale Verwaltungsreform.
Als erster Zwischenschritt kann an dieser Stelle festgehalten werden: die Kommunale Verwaltungsreform zielt in ihrem Kern nicht auf eine vermehrte Bürgerbeteiligung oder auf Bürgerengagements sondern auf verbesserte verwaltungsinterne Abläufe.
Als Defizite in der Kommunalverwaltung wurden von der KGSt ausgemacht:
„Effizienzlücke: fehlende Anreize zur ständigen, effizienten Mittelverwendung,
Strategielücke: fehlende Orientierung an klaren, mittelfristigen Entwicklungszielen und Prioritäten,
Managementlücke: fehlender Zwang und fehlende Instrumente zur Leistungsverbesserung, zur Strukturanpassung, zu Ressourcenumschichtung, zur Anpassung von Nachfrageveränderungen,
Attraktivitätslücke: sinkende Attraktivität des öffentlichen Sektors für engagierte Mitarbeiter, unzureichende Nutzung der vorhandenen Bereitschaft zu Engagement und Kreativität,
Legitimitätslücke; Unfähigkeit nachzuweisen, dass Verwaltungsleistungen durchaus ihr Geld wert sind, fehlende kontinuierliche Rechenschaftslegung über Effizienz, Zielgenauigkeit und Qualität öffentlicher Leistungen und daher schwindende Akzeptanz in der Öffentlichkeit.“ (Jann, 2001, 83)
Diese Defizite sollten durch das Neue Steuerungsmodell behoben werden. Dabei muss das Neue Steuerungsmodell eher als neues Leitbild von kommunalem Verwaltungshandeln verstanden werden als eine genaue Handlungsanweisung wie dieses Leitbild umzusetzen ist.
Umgesetzt wurde das Neue Steuerungsmodell vor allem in Hinblick auf:
Kontraktmanagement, d.h. das Treffen von verbindlichen Absprachen zwischen der Leitung einer Organisationseinheit und den unteren hierarchischen Ebenen, diese Absprachen betreffen die zu erbringende Leistung, die zur Verfügung gestellten Mittel, Art der Berichterstattung über das Ergebnis,
dezentrale Ressourcenverantwortung, d.h. die jeweiligen Organisationseinheiten erhalten die Verantwortung für den Einsatz der ihnen zur Verfügung gestellten Mittel (Sach- und Personalmittel),
Einführung eines zentralen Steuerungs- und Controllingbereiches, in dem die Ergebnisse der einzelnen Organisationseinheiten wieder zusammengeführt werden.
Sehr häufig machten die Kulturämter und die ihnen nachgeordneten Bereiche den Anfang in der Einführung des Neuen Steuerungsmodells. Als ein Befreiungsschlag wurde von vielen die Budgetierung begriffen. Sie erlaubt die Übertragung von Haushaltsresten auf das Folgejahr und die gegenseitige Deckung von Personal- und Dachmitteln. Die Bertelsmann-Stiftung hat mit zahlreichen Projekten in ausgewählten Kommunalverwaltungen den Prozess begleitet und unterstützt. Wichtige Projekte waren und sind die interkommunalen Vergleiche sowie der Bereich „Innovationen im Bibliothekswesen“.
Als zweiter Zwischenschritt ist also zu konstatieren, dass die Kommunale Verwaltungsreform in den Kommunen tatsächlich angegangen wurde.
Heute fast zehn Jahre nach Einführung der Kommunalen Verwaltungsreform ist jedoch vielfach eine Ernüchterung eingetreten. Deutlicher als vorher tritt ein Manko hervor, nämlich die unzureichende Einbindung der Politik und die fehlende Bürgerbeteiligung.
Die Kommunale Verwaltungsreform als Binnenreform der Verwaltung findet weitgehend abgekoppelt von der Politik statt. So verwundert nicht, dass unabhängig von der jeweiligen parteipolitischen Konstellation in den Kommunen die Verwaltungsreform angegangen wird. Ausgangspunkt der Abkopplung von der Politik war das Verständnis, dass die Politik ausschließlich dafür zuständig ist zu entscheiden ist, was gemacht wird. Wie dieser politischer Wille umgesetzt wird, ist allein Angelegenheit der Verwaltung. Diese Zuspitzung zeigt, dass die Verwaltung damit einen deutlichen Machtzuwachs erhalten hat.
Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Reform der Kommunalen Verwaltungsreform ist daher die Wiedereinbeziehung der Politik in Entscheidungen.
Der zweite Ansatzpunkt der „Reform der Reform“ betrifft die Bürgerinnen und Bürger. Ein wichtiges Ziel der Kommunalen Verwaltungsreform war kundenfreundlicher zu werden. Verschiedene Behörden wurden zu Bürgerämtern umgewandelt. Beamte wurde geschult freundlich und dienstleistungsbezogen den Bürgerinnen und Bürgern zu begegnen. Den Bürgerinnen und Bürgern sollten Produkte der Öffentlichen Verwaltung angeboten werden.
Das Angebot von Produkten an Bürgerinnen und Bürger ist schon deshalb eine falsche Begrifflichkeit, weil die Bürgerinnen und Bürger vielfach gar nicht die Auswahl haben zwischen dem Angebot der öffentlichen Verwaltung und einem anderen Anbieter, weil die öffentliche Verwaltung der einzige Anbieter ist. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an das Ausstellen von Personalausweisen oder anderen Dokumenten. Es schließt zugleich auch eine Definition der abgefragten Produkte durch die Bürgerinnen und Bürger aus.
D.h. die Kommunale Verwaltungsreform ist immer noch von einem paternalistischen Staatsverständnis getragen. Oder anders und pointiert formuliert: Der Staat weiß, was für seine Bürgerinnen und Bürger gut ist und sie sollen sich freuen, dass er ihnen kundenfreundlich Angebote unterbreitet.
Die gegen Ende der 90er Jahre aufgekommene Diskussion um den aktivierenden Staat geht über die Kommunale Verwaltungsreform hinaus. Hier geht es nicht mehr darum, wie die Verwaltung besser arbeiten kann (Kommunale Verwaltungsreform), auch nicht mehr darum, den Bürgerinnen und Bürgern Chancen zur Teilhabe zu eröffnen (ermöglichender Staat), sondern es geht darum, dass der Staat sich in seiner Definitionsmacht zurücknimmt und die Aktivitäten der Bürgerinnen und Bürger unterstützt und ermöglicht (aktivierender Staat). Das bedeutet unter anderem, dass die staatlichen Akteure sich in einem ersten Schritt damit abfinden, dass Bürgerschaftliches Engagements unter Umständen ganz anders sich ausdrückt als sich das vorgestellt haben. Und das in einem zweiten Schritt diese Vorhaben auch tatsächlich unterstützt bürokratische Hemmnisse abgebaut werden.
Die Umsetzung des aktivierenden Staates bedeutet in erster Linie eine Investition in die Personalentwicklung. Es muss einer neuer Stil und eine neue Verwaltungskultur entwickelt werden, die die Bürgerinnen und Bürger als beste Anwälte in eigener Sache und für das Bürgerschaftliche Engagement begreift. Die veränderte Verwaltungskultur bedeutet auch eine Veränderung des Sprachstils.
Problematisch an der Diskussion um den aktivierenden Staat ist aber auch hier die Begrifflichkeit. Der Begriff „Aktivierender Staat“ legt die Bedeutung nahe, dass der Staat die Bürgerinnen und Bürger aktiviert etwas zu tun. D.h., dass der Impuls für Bürgerschaftliches Engagement vom Staat ausgeht. Dieses wäre ein falsches Verständnis von Bürgerschaftlichem Engagement. Nicht die Bürgerinnen und Bürger müssen aktiviert werden etwas zu tun, sondern die Behörden müssen in den Stand versetzt werden, adäquat auf Bürgerengagement zu reagieren. Also, Bürgerinnen und Bürger in ihren Aktivitäten zu unterstützen und die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich das Bürgerengagement möglichst optimal entfalten kann.
Ingesamt kann festgehalten werden, dass die Entwicklungsperspektiven des aktivierenden Staats dort ansetzen, wo die Kommunale Verwaltungsreform nicht weitergekommen ist: an der Personalentwicklung, an der Entwicklung eines veränderten Verständnisses öffentlicher Verwaltung und daraus resultierend an dem Entstehen einer neuen Verwaltungskultur- und eines neuen Verwaltungsstils.
Olaf Zimmermann
Sep. 2001