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Was hindert und wie fördert man Bürgerschaftliches Engagements

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von Olaf Zimmermann

(Artikel ist erschienen in: Kulturpolitik in der Bürgergesellschaft – Jahrbuch für Kulturpolitik 1 (2000). Hg. vom Institut für Kulturpolitik)


1. Einleitung

Kaum ein Thema hat in den letzten Jahren einen solchen Aufschwung erlebt wie die Frage des Bürgerschaftlichen Engagements. War noch vor fünf Jahren von der angestaubten Vereinsmeierei die Rede, so wird heute allenthalben beschworen, wie wichtig und wertvoll das Bürgerschaftliche Engagement ist und welcher Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft damit geleistet wird.

Unter betriebswirtschaftlichem Blickwinkel könnte also von einem äußerst erfolgreichen „Relaunch“ des abgetakelten Produktes „Ehrenamt“ nun im neuen Gewand des Bürgerschaftlichen Engagements gesprochen werden. Denn mit dem Aufschwung der Debatte um Bürgerschaftliches Engagements fand auch eine Veränderung der Betrachtungsweise statt. Das alte, traditionsreiche auf Kontinuität basierende Ehrenamt wurde ad adcta gelegt und das neue, kurzfristige und lustbetonte Freiwillige Engagements wurde entdeckt.

Bei einer Gegenüberstellung beider Engagementformen in dieser Form wird jedoch verkannt, dass beide Formen des Engagements so weit nicht auseinanderliegen und es in der Vergangenheit, Gegenwart und sicherlich auch in der Zukunft zahlreiche Überschneidungen gibt.

Vielfach wird ebenso nicht gesehen, welche herausragende Bedeutung Vereine und Verbände für die Entstehung und die weitere Entwicklung des Bürgerschaftlichen Engagements einnehmen. Vereine und Verbände sind eine der Kernformen der Demokratie. In ihnen wurden lange vor der Entstehung demokratischer Staaten demokratische Spielregeln praktiziert und damit eingeübt. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass in den ehemaligen Ostblock-Staaten heute die Gründung von Vereinen und Verbänden ein wichtiger Schritt zum Aufbau der Demokratie sind.

Für die verspätete Nation Deutschland ist das Bürgerschaftliche Engagement in Kulturvereinen über das allgemeine Bürgerschaftliche Engagement in Vereinen und Verbänden von spezifischer Bedeutung. Kulturvereine hatten im 19. Jahrhundert stets auch die Kulturnation Deutschland im Blick.

1.1 Definition von Bürgerschaftlichem Engagements

Im Zuge der politischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Debatte zum Bürgerschaftlichen Engagement ist eine Begriffsvielfalt entstanden, die kaum mehr zu überschauen ist. Da wird das freiwillige Engagement vom Ehrenamt abgegrenzt, da gilt es zwischen altem und neuem Ehrenamt zu unterscheiden, da sind scharfe Trennungen zwischen Bürgerschaftlichem Engagements als Zeit- oder als Geldspende auszumachen. Diese Begriffsvielfalt führt zu einer mitunter babylonisch anmutenden Begriffsverwirrung.

Ich verstehe in diesem Beitrag unter

Bürgerschaftlichem Engagements grundsätzlich die Spende von Zeit und/oder von Geld. Dabei ist sekundär, in welchen institutionellen Rahmen dieses Engagements eingebettet ist. D.h. es kann sowohl in Form einer aktiven Vereinsmitgliedschaft erfolgen als auch als punktuelles, zeitlich begrenztes Engagements in einem Verein oder einer Initiative. Ebenso fasse ich unter dieses Engagements auch die Aktivitäten von Stifterinnen und Stiftern, die entweder selbst eine eigenständige Stiftung gründen oder aber sich an einer Bürgerstiftung beteiligen.

Das Bürgerschaftliche Engagements findet im Dritten Sektor statt. D.h. es ist weder dem Markt zuzuordnen, noch dem Staat. Abgrenzen möchte ich das Bürgerschaftliche Engagement ebenfalls von den Aktivitäten der Privaten Haushalte. Nachbarschaftshilfe oder auch die Hilfe in der Familie gehört meines Erachtens nicht zum Bürgerschaftlichen Engagements.

1.2 Organisationsformen des Bürgerschaftlichen Engagements

Die am weitesten verbreitete und traditionellste Organisationsform für Bürgerschaftliches Engagements ist der Eingetragene Verein. Die Bildung von Vereinen und Gesellschaften ist nach Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz verbrieftes Recht aller Deutschen. Mit dieser Festschreibung wird deutlich, dass den Vereinen in der Bundesrepublik ein wichtiger Stellenwert eingeräumt wird.

Zur Gründung eines Vereins müssen sich mindestens sieben gleichgesinnte natürliche oder juristische Personen zusammenfinden, die ein gemeinschaftliches Ziel verfolgen wollen. Mit der Gründung des Vereins treten die Einzelpersonen in Form des Vereines als eine Einheit auf. Die Vertretung des Vereines erfolgt durch den Vorstand. Ein Verein kann rechtsfähig sein oder auch darauf verzichten. Das Bürgerliche Gesetzbuch legt in den wesentlichen Grundzügen fest, welche Voraussetzungen ein Verein erfüllen muss. Bedeutsam für Vereine ist, dass sie prinzipiell jedem, der sich den Vereinszielen anschließen kann und will, offen stehen müssen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch sind auch die Stiftungen in den Grundzügen beschrieben. Die Verfahren zur Gründung einer Stiftung und die Genehmigung von Stiftungen werden durch die jeweiligen Stiftungsgesetze der Länder geregelt.

Ein Verein und auch eine Stiftung können die Gemeinnützigkeit anstreben. Die entsprechenden Regelungen hierfür sind in der Abgabenordnung zu finden. Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit ist, dass die Tätigkeit des Vereins darauf abzielt, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Für diese (All-) Gemeinnützigkeit werden dem Verein vom Staat Vergünstigungen bei der Körperschaftssteuer, bei der Grund- und Erbschafts-/Schenkungssteuer sowie der Kapitalverkehrssteuer gewährt. Außerdem können Aufwandsentschädigungen bei bestimmten nebenberuflichen Tätigkeiten für gemeinnützige Vereine bis zu einer Höhe von DM 3.600,-- im Jahr steuer- und sozialversicherungsfrei sein und sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, können gemeinnützige Vereine empfangene Spenden bestätigt, so dass der Spender die Spende steuerlich geltend machen kann. Die Regelungen gelten für gemeinnützige Stiftungen gleichermaßen. Für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit sind die jeweiligen Finanzbehörden vor Ort zuständig.

Die Errichtung von Stiftungen oder die Zustiftung zu bereits bestehenden Stiftungen kann darüber hinaus von den Stifterinnen und Stiftern steuerlich geltend gemacht werden. So kann seit dem 01.01.2000, dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen“ die Ausstattung einer Stiftung mit Vermögen oder einer Spende steuerlich als Sonderausgabe bis zu 5% des steuerpflichtigen Einkommens immer geltend gemacht werden. Werden wissenschaftliche, mildtätige oder als besonders förderungswürdig anerkannte kulturelle Zwecke gefördert, so erhöht sich dieser Satz auf 10%. Darüber hinaus können Zuwendungen von bis DM 40.000,-- an Stiftungen privaten oder öffentlichen Rechts zusätzlich steuerfrei zugewendet werden. Wer ein großes Vermögen in eine Stiftung einbringt, kann dieses zusätzlich bis zu einer Höhe von DM 600.000,-- über eine Zeitraum von 10 Jahren steuerlich in Abzug bringen.

D.h. das Bürgerschaftliche Engagements in und für gemeinnützige Vereine und Stiftungen wird vom Staat begünstigt. Vereine und Stiftungen nehmen also eine herausgehobene Position ein. Diese herausgehobene Position wird mit dem Wirken der gemeinnützigen Organisationen für die Gemeinschaft begründet.

Neben dem Engagement in den genannten festgefügten Organisationsformen findet Bürgerschaftliches Engagements auch in lockeren Zusammenschlüssen, in Arbeitsgemeinschaften oder in Initiativen statt. Ferner ist das Bürgerschaftliche Engagements nicht zwingend von der Mitgliedschaft in einem Verein abhängig. So erfolgt gerade die Geldspende vielfach organisationsunabhängig.

1.3 Traditionslinien des Bürgerschaftlichen Engagements im Kulturbereich

Die Tradition des Bürgerschaftlichen Engagement im Kulturbereich reicht bis in das 18. Jahrhundert zurück. Bereits in dieser Zeit mit der Gründung der Lesegesellschaften schlossen sich Bürger zusammen, um eine emanzipative Gegenkultur zum Feudalismus zu begründen. In den Lesegesellschaften, die zugleich Debattierclubs waren, versammelte sich das entstehende Bildungsbürgertum. Im 19. Jahrhundert wurden diese Traditionen fortgesetzt und sie fanden nun auch in anderen Bereichen Verbreitung. Zu erinnern sei in diesem Zusammenhang aus dem Kulturbereich an die Kunstvereine, die sich zum einen zum Ziel setzten, zur Geschmacksbildung im aufstrebenden Bürgertum beizutragen und zum anderen Künstler fördern wollten. Weitere wichtige Institutionen aus dem 19. Jahrhundert sind die Musikvereine der Instrumental- und der Vokalmusik sowie die Theatervereine, sei es als Theaterbesucherorganisationen oder als Laienspielgruppen.

Vereine waren darüber hinaus die Antriebskraft zur Gründung zahlreicher Museen und Theater. In den Kulturvereinen organisierte sich u.a. die gehobene Beamtenschaft. Es entstand hieraus eine enge Verbindung zwischen Kommunalpolitik und Vereinen, die ein kulturelles Leben der Bürger in der Stadt erst entstehen ließen. Viele Kultureinrichtungen, die für uns heute ein nicht fortzudenkender Teil der kommunalen Kulturpolitik und Kulturversorgung einer Stadt sind, gehen auf Initiativen von Vereinen zurück. Sie gingen erst später in die Trägerschaft der öffentlichen Hand über.

Kulturvereine hatten bei ihren Aktivitäten die Nation als Kulturnation mit im Blick. Deutschland definierte sich bis zur Reichsgründung 1871 vornehmlich über die gemeinsame Kultur. Als logischer Schlussfolgerung wurde nach der Reichsgründung der nationalen Kultur als identitätsstiftendem Moment eine herausragende Bedeutung beigemessen. Museen, die Denkmalkultur und anderes mehr hatten u.a. die Funktion, die Nation zu festigen. Verschiedene Kulturvereine hatten sich daher zum Ziel gesetzt, zur Errichtung von Denkmälern ihren Beitrag zu leisten und auf diese Weise zur Festigung der Kulturnation und der deutschen Nationalkultur beizutragen. Vereine und staatliche Kulturpolitik waren also im 19. Jahrhundert aufeinander bezogen. Dieses Wechselverhältnis zwischen Vereinskultur und Staat setzt sich bis heute fort.

Die Vereinskultur im 19. Jahrhundert war durch konfessionelle und durch Standesunterschiede geprägt. So gab es das Engagement des Bürgertums und der Arbeiterklasse. So gab es evangelische, katholische und nicht-konfessionelle Organisationen. Diese Klassen- und konfessionellen Unterschiede durchziehen die unterschiedlichsten Bereiche der Vereinskultur. Sie sind im Kulturbereich ebenso zu finden wie im Sport, in der Wohlfahrtspflege oder auch in den Jugendorganisationen.

Bis heute wirken die Traditionslinien der Vereine und Verbände fort, auch wenn konfessionelle Bindungen inzwischen eine geringere Rolle spielen und von einer Arbeiterschaft oder einem Bürgertum im Sinne des 19. Jahrhunderts nicht mehr die Rede sein kann. Dennoch sind die Wurzeln in vielen Organisationen noch zu verspüren und sind ein wesentlicher Teil der Identität der jeweiligen Organisationen.

Bürgerschaftliches Engagements gründet also auf einem emanzipativen Moment und ist gesellschaftsbezogen. Bürgerschaftliches Engagements ist verknüpft mit der Entstehung eines selbstbewussten Bürgertums oder auch der selbstbewussten Arbeiterschaft. Bürgerschaftliches Engagements beinhaltet dabei immer auch den Anspruch an Bildung. Bürgerschaftliches Engagements grenzt sich von seinem Grundsatz her ebenso vom Staat und wie vom Markt ab.

Neben dem angeführten Bürgerschaftlichen Engagements in Kulturvereinen und -verbänden haben sich ebenfalls bereits im 19. Jahrhundert so genannte Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Kulturbereich in Vereinen und Verbänden zusammengeschlossen. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind der Deutsche Bühnenverein und die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger. Beide Organisationen haben bereits im 19. Jahrhundert für ihre jeweiligen Mitglieder die gebündelten Interessen vertreten. Ihr Ziel war durch Regelungen, dem Bühnenleben einen Rahmen zu geben und verlässliche Grundlagen für die Arbeit zu schaffen.

Sie stehen damit stellvertretend für das emanzipative Moment der Interessenvertretung in berufsständischen Vertretungen, Gewerkschaften oder Arbeitgeberorganisationen.

Das emanzipative, nicht-staatliche Moment des Bürgerschaftlichen Engagements gilt neben dem oben aufgeführten Engagement in Vereinen gleichermaßen für das Stiftungswesen. Gerade im 19. Jahrhundert nahm das Stiftungswesen einen beträchtliche Aufschwung. Insbesondere in den Freien Reichsstädten also Städten wie Frankfurt/Main, Hamburg und anderen gab es eine Kultur des wohlhabenden Bürgertums, für mildtätige, kulturelle oder wissenschaftliche Zwecke Stiftungen zu errichten. Einige Hochschulen gehen auf solche Stiftungsgründungen zurück.

Ein Bruch in der Tradition des Bürgerschaftlichen Engagements ist das Dritte Reich. Viele Verbände wurden aufgelöst, andere gingen in nationalsozialistischen Organisationen auf. Stiftungen, die von Juden begründet waren, wurden zerstört.

Die Wunden, die durch den Nationalsozialismus im Bürgerschaftlichen Engagements geschlagen wurden, waren sehr tiefreichend. Das schneller Wiederaufleben des Vereinslebens in der bundesdeutschen Nachkriegszeit hat diese Zäsur nur überdecken können. Es konnte eben nicht nahtlos an ein Engagement für die Gesellschaft angeknüpft werden.

Viel Energie wurde in den Wiederaufbau der Wirtschaft investiert. Das Vereinsleben war zwar ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens, seine emanzipative Bedeutung nahm aber ab.

In den darauffolgenden Jahrzehnten bis zum Ende der 70er Jahre wurde gesellschafts- und kulturpolitisch dem Staat eine wachsende Bedeutung beigemessen. Kultur für alle – wie eines der wichtigen Schlagworte jener Zeit lautete – hieß den Ausbau der staatlichen Kulturförderung. Es hieß auch, über die Einrichtungen der Hochkultur hinaus neue Räume für kulturelle Betätigung und Rezeption zu eröffnen. Mit dem Beginn der Soziokultur und hier insbesondere den soziokulturellen Zentren, die den neuen sozialen Bewegungen entstammen, erhielt das Bürgerschaftliche Engagements in der Kultur eine neue Ausdrucksform. Aus Initiativen wurden Vereine und ein Prozess der Etablierung begann. Die Stadtpolitik, die kommunale Kulturpolitik reagierte darauf und heute gehört die Soziokultur längst zum festen Bestandteil der kommunalen Kulturpolitik. Aus Bürgerschaftlichem Engagements heraus erwuchs, der erste Mal im Nachkriegsdeutschland, wieder ein neues Teil des kulturellen Lebens.

2. Kulturvereine und Kulturverbände

2.1 Vereine und Verbände des Kulturbereiches – wer sind sie?

Das Spektrum der Kulturvereine und –verbände ist außerordentlich vielgestaltig und differenziert. Zumeist werden unter den Kulturvereinen und –verbänden nur die Laienorganisationen verstanden. Dass diese aber nur einen kleinen Ausschnitt aus dem gesamten Spektrum der Kulturverbände repräsentieren, zeigen Zimmermann und Schulz (Zimmermann, Schulz 2000b) im Verbändealmanach Kultur auf.

Im Verbändealmanach Kultur sind insgesamt über 265 Bundesverbände aller Sparten des kulturellen Lebens verzeichnet. Der weitaus überwiegende Teil dieser Organisationen sind Vereine oder Stiftungen. Von diesen Organisationen sind lediglich 9% den Laienorganisationen zuzurechnen. Mit Blick auf die Mitgliederzahl an natürlichen Personen gehören sie jedoch wiederum zu stärksten Organisationen des Kulturbereiches. Die Hauptgruppe der im Verbändealmanach Kultur verzeichneten Bundeskulturverbände sind Fachorganisationen, die sich Fragen der kulturellen Bildung, kultureller Sparten und Ausdrucksformen, kulturwissenschaftlichen Themen oder anderem widmen. Die Berufsorganisationen machen 36% der im Verbändealmanach Kultur verzeichneten Verbände aus. Sie stellen damit mehr als ein Drittel der Einträge. Unter den Berufsorganisationen stellen die Tarifpartner mit 5% die kleinste Gruppe, Künstlerverbände mit 17% die größte. Die Berufsverbände der Kulturwirtschaft haben einen Anteil von 14% an den im Verbändealmanach Kultur aufgeführten Bundeskulturverbänden.




Diese Zusammenstellung macht deutlich, dass es bereits auf der Bundesebene ein breites Spektrum an Kulturvereinen und –verbänden gibt. Dieses Spektrum verbreitert und potenziert sich, werden zusätzlich die Landes- oder die kommunale Ebene betrachtet.

In Hinblick auf die Differenzierung nach künstlerischen Sparten ist nach wie vor der Musikbereich am stärksten organisiert. Im Deutschen Musikrat, dem Zusammenschluss des Musiklebens sind 92 Bundesverbände aller Bereiche des Musiklebens zusammengeschlossen. Auch im bereits erwähnten Verbändealmanach Kultur stellen die Bundesmusikverbände mit 36% die meisten Einträge unter dem spartenspezifischen Blickwinkel. Erst mit weitem Abstand folgen die Sparten Literatur, darstellende Kunst und Film/Medien mit jeweils 13% an eingetragenen Bundesverbänden. Die Sparte Soziokultur/übergreifende Einrichtungen bieten 9% der Einträge. Die Sparte Bildende Kunst 6%. Die wenigsten Einträge werden mit jeweils 4% von den Sparten Design und Baukultur gestellt. In den letztgenannten künstlerischen Sparten sind auf der Bundesebene fast ausschließlich Berufsverbände zu finden. Fachorganisationen sind in der Minderheiten. Zusammenschlüsse von Laien gibt es in diesen Sparten nicht.





Um ihre Interessen zu bündeln und mit mehr Nachdruck der Politik gegenüber zu vertreten, haben sich rd. 200 Bundeskulturverbände dem Deutschen Kulturrat e.V., dem Spitzenverband der Bundeskulturverbände, angeschlossen. Dem Deutschen Kulturrat e.V. gehören Bundesverbände aller künstlerischen Sparten von der Musik, der darstellenden Kunst, der Literatur, der bildenden Kunst, der Baukultur, des Design, von Film und Medien sowie der Soziokultur und kulturellen Bildung an. Der Deutsche Kulturrat repräsentiert darüber hinaus die unterschiedlichen Bereiche des kulturellen Lebens über die Verbände der Künstler, der Kulturwirtschaft, der Kultureinrichtungen und der Laien.

Von den im Verbändealmanach Kultur insgesamt 325 eingetragenen Verbänden gehören mit 57% der überwiegende Teil dem Deutschen Kulturrat an. Der Deutsche Kulturrat repräsentiert damit die Mehrheit des auf der Bundesebene organisierten Kulturlebens.






Mit seiner sparten- und kulturbereichsübergreifenden Arbeitsweise nimmt der Deutsche Kulturrat eine Sonderrolle im Kulturverbandsbereich ein. Sein Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu verbessern und damit zur Entfaltung des kulturellen Lebens einen Beitrag zu leisten. Hauptansprechpartner für den Deutschen Kulturrat sind die Bundesministerien, die mit Kulturfragen befasst sind, sowie der Deutsche Bundestag und seine Ausschüsse. Im Zuge des Europäischen Einigungsprozesses gewinnt die Europäische Kommission und das Europäische Parlament als Ansprechpartner an Bedeutung. Der Bundesrat ist ebenso wie die Kultusministerkonferenz ein weiterer wichtiger Ansprechpartner des Deutschen Kulturrates.

Ebenso pflegt der Deutsche Kulturrat Kontakte mit allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien sowie mit Bundesverbänden anderer Bereiche.

In seinen Stellungnahmen zu Gesetzgebungsvorhaben oder anderen kulturpolitisch relevanten Themen versucht der Deutsche Kulturrat, einen Konsens zwischen den unterschiedlichen Verbänden des kulturellen Lebens zu erzielen. Seine Positionen, Resolutionen und Stellungnahmen sind das Ergebnis der Meinungsbildungsprozesse in den verschiedenen Bundesverbänden des kulturellen Lebens. Die unterschiedlichen Interessen werden im Deutschen Kulturrat gebündelt und ein Kompromiss zwischen den teilweise widerstreitenden Interessenlagen gesucht. Die Stellungnahmen, Positionspapiere und Resolutionen bilden damit den sparten- und bereichsübergreifenden Konsens im Kulturbereich ab.

2.2 Gesellschaftspolitische Bedeutung von Vereinen und Verbänden

Unter dem Bürgerschaftlichen Engagements in Kulturvereinen wird zumeist das direkte Engagement vor Ort verstanden. Hier schließen sich Bürgerinnen und Bürger zusammen, um gemeinsam zu musizieren, um ein Museum zu gründen, um in einem Kunstverein junge Künstlerinnen und Künstler zu fördern, um gemeinsam Theater zu spielen, um das Theater oder das Museum zu unterstützen, um eine Bibliothek aufrecht zu erhalten, um ein soziokulturelles Zentrum zu unterhalten, um den literarischen Austausch zu fördern und vieles andere mehr. Es ließen sich aus jeder künstlerischen Sparte zahlreiche Beispiele finden, mit Hilfe derer das breit gefächerte Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Kulturvereinen umschrieben werden kann.

Alle diese Mitglieder von Kulturvereinen tun etwas für sich selbst, in dem sie sich im Verein engagieren. Sie leisten zugleich einen Beitrag für die Gesellschaft, in dem sie zum Erhalt und zum Ausbau des kulturellen Lebens beitragen. Unser Gemeinwesen baut nach dem Subsidiaritätsprinzip darauf auf, dass zunächst die kleineren Einheiten die gesellschaftlichen Aufgaben wahrnehmen und erst wenn diese sie nicht erfüllen kann, der Staat einspringt. Die Verantwortung von Kulturvereinen für einen Teil des kulturellen Lebens vor Ort folgt diesem Subsidiaritätsprinzip. Ebenso folgerichtig ist es nach dem Subsidiaritätsprinzip, dass die Vereine, die ihre Aufgaben aus eigener finanzieller Kraft nicht erfüllen können, eine staatliche Unterstützung erhalten.

Wird von der Ebene des direkten Engagements in Vereinen vor Ort abstrahiert, ist für die gesellschaftspolitische Dimension des Bürgerschaftlichen Engagements die Aktivität von Verbänden relevant. In Hinblick auf die Rechtsform sind die meisten Verbände eingetragene Vereine, d.h. die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Rechtsfähigkeit und der Gemeinnützigkeit gelten für Vereine wie Verbände gleichermaßen. Doch zeichnet sich der Verein zumeist auch durch ein geselliges Vereinsleben aus, demgegenüber richtet der Verband in der Regel seine Tätigkeit auf die politische Einflussnahme im gesetzgeberischen Bereich.

In seiner Mitgliederstruktur baut der Verband häufig auf juristischen Personen, zumeist Vereinen auf. D.h. der Chor oder das Laienorchester vor Ort ist Mitglied im Regionalverband, die Regionalverbände eines Landes gehören wiederum dem Landesverband an und die Landesverbände vereinen sich ihrerseits zum Bundesverband.

Die Landes- und Bundesverbände dienen dazu, die Interessen der Mitgliedsverbände zu erschließen, in Diskussionen zu Positionen zu bündeln und diese Positionen wiederum in die Politik einzubringen. Sie übernehmen damit in der Demokratie eine wesentliche Funktion der Meinungsbildung und
-vertretung.

Vor politischen Entscheidungen wird vielfach in Anhörungen von Fraktionen, Ausschüssen oder Ministerien die Position der von der jeweiligen Gesetzesänderung betroffenen Verbände angehört. In der Regel haben die Verbände darüber hinaus die Gelegenheit zuvor oder auch hinterher in schriftlichen Stellungnahmen ihre Position darzulegen.

In ihren Stellungnahmen und Positionspapieren sind Verbände an die Entscheidungen ihrer Gremien gebunden. D.h. die Vertreterin oder der Vertreter eines Verbandes stellt bei einer Anhörung nicht seine persönliche oder eine fachwissenschaftliche Meinung vor, sondern bezieht sich auf den Diskussionsprozess in seinem Verband. Dies bedeutet zuweilen eine Einschränkung, wenn innerhalb der Gremien keine Einigung zu einer bestimmten Frage erzielt werden konnte. In Hinblick auf die Demokratie ist der Meinungsbildungsprozess in Verbänden aber von unschätzbarem Wert. Es wird damit gewährleistet, dass Politik nicht abseits der Bevölkerung gemacht wird. Vielmehr wird über die Verbände das Angebot unterbreitet, dass die Bürgerinnen und Bürger auch über die Wahl hinaus am Gesetzgebungsprozess beteiligt sind.

Diese Einbindung von Verbänden in den Gesetzgebungsprozess soll gewährleisten, dass der Sachverstand und das Fachwissen aus den Verbänden in die Gesetzesentwürfe einbezogen wird. Ferner können so im Vorhinein Widerstände gegen gesetzliche Neuerungen ausgelotet und Konfrontationen vermieden werden.

Verbände sind mit ihrer Arbeit eine wichtige Säule im demokratischen Gemeinwesen. Sie garantieren für demokratische Legitimität und für Kontinuität.

Verbände leben ebenso wie Vereine davon, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in ihnen engagieren. Ohne die Aktivitäten vieler Menschen, die ihre Zeit und ihr Geld in die Verbandsarbeit geben, wäre der Fortbestand von Verbänden nicht möglich.

2.3 Kulturvereine und –verbände – wo stehen sie heute?

Die Kulturverbandsforschung gehört im Vergleich zu anderen Themenfeldern zu den Stiefkindern der Verbandsforschung. Gibt des zu den anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens wie z.B. den Sportverbänden, den Wohlfahrtsverbände oder auch den Jugendverbänden, eine ausdifferenzierte Forschungslandschaft, kann auf ähnliche Strukturen im Kulturbereich nicht zurückgegriffen werden.

Durch Befragungen seiner Mitglieder hat der Deutsche Kulturrat einen Datenbestand zur Entwicklung der Bundeskulturverbände zusammengestellt. Von besonderem Interesse waren bei den Erhebungen fragen zur Vorstandszusammensetzung, zur Verfügung über haupt- oder ehrenamtliche Geschäftsstellen zur Finanzierung der Verbandsarbeit (vgl. hierzu die regelmäßigen Verbandsbefragungen, die in Zimmermann/Schulz 2000a zusammengefasst erschienen sind sowie zum Thema Ehrenamt Deutscher Kulturrat 1996).

Ein wichtiges Untersuchungsergebnis ist, dass sich nach wie vor Personen oder auch Verbände auf der Bundesebene zu Bundesverbänden zusammenschließen. Sie beabsichtigen, ihre Anliegen gegenüber der Politik deutlich zu machen und übernehmen damit Verantwortung für den von ihnen vertretenen Bereiche. Dieses ist insbesondere deshalb hervorzuheben, weil vielfach die Rede davon ist, dass das langfristige Engagement in Vereinen und Verbänden auf wenig Resonanz bei den Bürgerinnen und Bürgern stößt und demgegenüber das kurzfristige Engagement an Bedeutung gewinnt. In Hinblick auf die Bundeskulturverbandslandschaft kann dem widersprochen werden, nach wie vor sind Menschen bereit, sich längerfristig in einem Verband zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Daneben gab es immer schon und wird es auch in der Zukunft Aufgabenfelder für das kurzfristige Engagement geben.

3. Verbände und Staat

Wie bereits ausgeführt, zählen Verbände ebenso wie Stiftungen zu den Organisationen des Dritten Sektors. Sie gehören damit einem eigenständigen Bereich an.

Zwischen Verbänden, Vereinen und dem Staat gibt es eine wechselvolle Geschichte. Mit Blick auf die Tradition der Vereine und Verbände im Kulturbereich wurde bereits ausgeführt, dass gerade die kommunale Kulturpolitik in einem engen zeitlichen und personellen Zusammenhang mit den Aktivitäten der Kulturvereine standen.

Von Seiten der Politikforschung wurde die Einbeziehung von Verbänden bei Anhörungen lange Zeit unter der Überschrift einer zu großen Einflussnahme von Verbänden auf politische Entscheidungen abgelehnt. Das Schlagwort des Verbändestaates machte die Runde. Heute wird die Anhörung von Verbänden pragmatischer gesehen und gehört zum normalen parlamentarischen Geschehen.

Mit Blick auf die Debatte um bürgerschaftliches Engagements ist aber festzustellen, dass hier von Seiten der Verwaltung Verbände vielfach misstrauisch betrachtet werden. Sehr schnell wurden von der Verwaltung die vermeintlich neuen Formen des bürgerschaftlichen Engagements aufgegriffen und die Verbände bei den verstaubten Ewiggestrigen eingeordnet.

Dies ist vor allem in Hinblick auf die zahlreichen Aktivitäten einzelner Landes- oder auch Bundesministerien von Bedeutung, die sich zum Ziel gesetzt haben, das bürgerschaftliche Engagement zu fördern.

3.1 Das neue Interesse am Bürger

Lässt man die Debatten zur Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements Revue passieren, so fällt insbesondere das staatliche Interesse am Bürgerschaftlichen Engagement auf. Obwohl das Bürgerschaftliche Engagement gerade nicht dem Staat zu zurechnen ist, entdeckt der Staat derzeit die Bürgerinnen und Bürger.

Als der Kulturausschuss des Deutschen Städtetags seine Stellungnahme zum Bürgerschaftlichen Engagement in den Kommunen vorlegte (Kulturpolitik und Bürgerengagement) und hier v.a. auf die Bedeutung dieses Engagements für die künftige Finanzierung von Kultureinrichtungen verwies, wurde die Forderung vielfach zurückgewiesen. Die öffentliche Kulturfinanzierung war noch die „heilige Kuh“, die nicht angetastet werden durfte. Mit Bürgerschaftlichem Engagements wurde oft die Einmischung von Dilettanten in die Autonomie der Kultureinrichtungen gesehen. Heute hingegen wird von der Stärkung des Engagements in der Kommune gesprochen. Bürgerschaftliches Engagements in der Kultur wird gewünscht. Gelungene Beispiele werden zur Nachahmung empfohlen.

Auf der Landesebene hat sich zwischenzeitlich die Mehrzahl der Landesregierungen der Fragestellung des Bürgerschaftlichen Engagements angenommen. So wurden Untersuchungen zur Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements angestellt, Tagungen und Konferenzen durchgeführt und einige Länder haben in den für Jugend, Soziales etc. zuständigen Ministerien oder auch in den Staatskanzleien Referate eingerichtet, die sich mit der Stärkung des ehrenamtlichen Engagements befassen sollen.

Die Aktivitäten verschiedener Landesministerien gehen dabei über die Setzung von Rahmenbedingungen hinaus. Sie entwickeln sich zu Ministerien für bürgerschaftliches Engagements und teilweise entsteht der Eindruck, als wollten diese Häuser die Organisation des bürgerschaftlichen Engagements am liebsten gleich mit übernehmen. Dabei ist bei den Landesministerien die bereits angeführte Distanz zu Verbänden ebenfalls zu verspüren, Verbände werden eher dem Staat zugehörig angesehen ihnen gegenüber wird das freie nicht an Organisationen gebundene bürgerschaftliche Engagement gestellt.

Auf der Bundesebene bestehen bereits seit mehreren Jahren sowohl in der CDU/CSU-Fraktion als auch in der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag Arbeitsgruppen, die das Thema ehrenamtliches Engagements diskutieren. Die Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an die Bundesregierung im Jahr 1997 war der Startschuss für eine intensivere Befassung des Parlamentes mit der Frage. Mit der Einrichtung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ zeigen die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, dass es ihnen ernst ist mit der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und dass sie die Rahmenbedingungen für dieses Engagements verbessern wollen. Das Internationale Jahr der Freiwilligen im Jahr 2001 stellt zusätzliche Anforderungen an die Bundesregierung. Das federführende Ressort, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hat mit der Einrichtung einer Geschäftsstelle und der Bildung eines Beirates aus Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen den institutionellen Rahmen zur Vorbereitung bundesweiter Aktivitäten zum freiwilligen Engagements geschaffen.

3.2 Verbände, Staat und das Subsidiaritätsprinzip

Nach dem Subsidiaritätsprinzip darf staatliches Handeln erst dann ansetzen, wenn kleinere Einheiten Aufgaben aus eigener Kraft nicht erfüllen können. Das heißt zuerst, dass sich der Bundesstaat gegenüber kleineren und untergeordneten Gliederungen, also Ländern, Kreisen, Kommunen und Selbstverwaltungseinrichtungen zurücknehmen muss. Wenn sie ihre Aufgaben aus eigener Kraft nicht erfüllen können, kann der Bundesstaat diese nicht sogleich an sich ziehen, sondern muss Hilfen zur Erfüllung dieser Aufgaben leisten.

Aus diesem Subsidiaritätsprinzip ist auch die staatliche Unterstützung von Organisationen des Dritten Sektors abzuleiten. Besonders augenfällig ist dies im Wohlfahrtsbereich. Neben den Leistungsentgelten, die die Wohlfahrtsverbände für ihre Dienstleistungen erhalten, den Mitgliedsbeiträgen sowie Entgelten für den Verkauf von Waren wie Publikationen werden die Wohlfahrtsverbände staatlich unterstützt. Mit dieser Unterstützung bezahlt der Staat sozusagen seine eigenen Kritiker, da die Wohlfahrtsverbände als Anwälte für die Menschen auftreten, die sich ansonsten nicht artikulieren können. So äußern sich die Wohlfahrtsverbände zu Fragen wie Armut, sozialer Sicherung und anderem mehr.

Diese staatliche Unterstützung bedeutet aber nicht per se, dass damit die Organisationen sich dem Staat angleichen oder staatlich handeln müssen. Die Prinzipien staatlicher Unterstützung haben aber vielfach zur Folge, dass Organisationen Formen staatlichen Handelns, im Sinne von bürokratischem Handeln, annehmen. Im Sozialbereich ist die Gründung von Selbsthilfeorganisationen auch ein Reflex auf das bürokratische Handeln von Wohlfahrtsverbänden.

Im Kulturbereich lassen sich vergleichbare Beispiele finden. Auch hier ist es so, dass zunächst die kleineren Einheiten wie Vereine Aufgaben übernehmen. Da diese Organisationen vielfach nicht die Finanzkraft haben, um ihre selbstgestellten Aufgaben aus eigenen Mitteln erfüllen zu können, werden sie durch Förderungen der öffentlichen Hand unterstützt. Dabei unterstützen die Kommunen Organisationen vor Ort, die Länder landesweite Organisationen und der Bund Organisationen von gesamtstaatlicher Bedeutung. Auch diese Organisationen sind in ihren Entscheidungen ausschließlich der demokratischen Willensbildung ihrer Gremien verpflichtet. Sie sind Teil des Dritten Sektors und eben nicht dem Staat zu zurechnen.

Konflikte entstehen vielfach aus der vereinsrechtlichen Autonomie von Vereinen und Verbänden und den zuwendungsrechtlichen Bestimmungen nach der Bundeshaushaltsordnung. So ist die Zuwendung eine freiwillige, im Ermessen der Verwaltung stehende Leistung. Die Bewilligung einer Zuwendung erfordert eine gründliche Prüfung der Antragsunterlagen, vor allem hinsichtlich der Notwendigkeit und Angemessenheit der Zuwendung. In dem die Gewährung von Zuwendungen eine allein im Ermessen der Verwaltung stehende Leistung ist, können politische Entscheidungen beispielsweise von Haushaltsausschüssen der Parlamente oder Stadträte theoretisch außer Kraft gesetzt werden. Dass dies in der Mehrzahl der Fälle nicht geschieht, liegt an der immer noch vorhandenen, aber schwindenden, Durchsetzungskraft der Politik gegenüber der Verwaltung.

Das Subsidiaritätsprinzip, dass unser Gemeinwesen auszeichnet, wird von der Verwaltung immer öfter nicht als Argument für eine Förderung von Vereinen und Verbänden benutzt, sondern als ein Knebelinstrument. Das Subsidiaritätsprinzip wird als Grund angegeben, wenn die Verwaltung entscheidet, dass eine öffentliche Förderung immer nur ergänzenden Charakter haben darf. D.h. ein öffentlich geförderter Verein muss zuerst alle Eigenmittel einsetzen. Nach Verbrauch der Eigenmittel – oder wenn diese offensichtlich nicht reichen, um ein Vorhaben zu erfüllen – kann die öffentliche Hand eintreten.

Diese Anwendung des Subsidiaritätsprinzips bedeutet, dass Vereine und Verbände, die sich in erster Linie aus Zuwendungen finanzieren, ihre Haushaltsautonomie aufgeben müssen. Alle ihre Einnahmen müssen sie in den Haushalt einstellen, der durch öffentliche Mittel ergänzt wird. Die Verwendung der öffentlichen wie auch der eigenerwirtschafteten Mittel werden von der Behörde kontrolliert. D.h. im Klartext eine Behörde bestimmt, ob aus Mitgliedsbeiträgen ein Büro in Stadt X oder doch lieber in Stadt Y unterhalten wird. Eine Behörde befindet darüber, ob mit Verbandsvertreter X oder Y ein Essen bezahlt werden darf oder nicht. Eine Behörde urteilt darüber, ob die Reise nach A oder B für den Verband sinnvoll und notwendig war. Eine Behörde prüft, welches Gehalt die Angestellten erhalten und ob dieses angemessen oder zuviel ist. Diese Aufzählung ließe sich noch weiter fortsetzen.

Vereinsrechtlich bedeuten diese ausschließlichen Haushaltsentscheidungen von Behörden, dass die Vereinsautonomie bei öffentlich geförderten Vereinen außer Kraft gesetzt wird und die satzungsgemäßen Gremien zwar noch Haushaltsbeschlüsse fassen dürfen, diese aber ohne Bedeutung für den Verein oder Verband sein können. Da Haushaltsentscheidungen zumeist den Mitgliederversammlungen obliegen und damit die Mitglieder einen sehr wichtigen Teil der Verbandssteuerung leisten, heißt dies nichts anderes als dass die Haushaltssteuerung durch die Mitgliederversammlungen von den Zuwendungsbehörden in nicht wenigen Fällen aufgehoben wird.

Dass die Verwaltung Vereine mitunter als Teil der Verwaltung betrachten und in Hinblick auf die Diskussion um das bürgerschaftliche Engagements Vereine und Verbände außen vor lassen, mag teilweise in der haushaltstechnischen Einverleibung öffentlich geförderter Vereine und Verbände liegen. Denn von Behörden gesteuerte Haushalte lassen in der Regel Vereinen keine Spielräume mehr. Behördenähnliches Verhalten in Vereinen und Verbänden resultiert häufig aus dieser Annäherung.

Eine weitere Folge einer solchen Auslegung des Subsidiaritätsprinzips ist, dass für öffentlich geförderte Vereine und Verbände überhaupt kein Anreiz besteht, mehr eigene Mittel zu erwirtschaften. Zusätzliche Mittel müssen an die öffentliche Hand abgeführt werden und im schlimmsten Fall wird für das Folgejahr als „Belohnung“ die Förderung gekürzt. Das Beharren auf dem Status Quo wird belohnt, Aktivitäten werden abgetötet, da ein Verein niemals die Abhängigkeit aufbrechen kann.

Diese Deutung des Subsidiaritätsprinzips hat eine Lähmung des bürgerschaftlichen Engagements zur Folge. Das finanzielle Engagement der Bürgerinnen und Bürger für einen Verein wird nicht belohnt, sondern der Verein bleibt bei seinem vorherigen Haushaltsniveau. Wie sollen bei diesen Voraussetzungen Bürgerinnen und Bürger dazu gewonnen werden, private Mittel für Kulturvereine zur Verfügung zu stellen?

Zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements wird es daher dringend erforderlich sein, das Haushaltsrecht zu reformieren. Die Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestags wird sich hinsichtlich der Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagements dieser essentiellen Frage unbedingt annehmen müssen.

Dass auf der politischen Ebene ein Bewusstsein für die Probleme öffentlich geförderter Verbände besteht, belegen die Äußerungen des früheren Staatsministers beim Bundeskanzler Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für die Angelegenheiten der Kultur und der Medien. Er sprach vielfach von den Knoten des Haushaltsrechts, die durchschlagen werden müssen. Als Ausweg führte Staatsminister Naumann die Gründung von Stiftungen oder die Überführung von öffentlich geförderten Einrichtungen in andere Rechtsformen wie gemeinnützigen GmbHs an. Solche Lösungsmodelle verkennen, dass auch bei Rechtsformen wie Stiftungen oder gemeinnützigen GmbHs das Haushaltsrecht greift, sobald öffentliche Mittel fließen. Für GmbH-Geschäftsführer solcher Einrichtung stellt sich oft das zusätzlich Probleme, dass sie in jedem Haushaltsjahr, in dem öffentliche Mittel verspätet ausgezahlt werden, was die Regel und nicht die Ausnahme ist, rechtlich betrachtet Konkursverschleppung begehen, wenn sie die GmbH nicht in einem ordentlichen Konkursverfahren liquidieren. Die fehlende Zahlungsfähigkeit rührt daher, dass öffentliche geförderte Institutionen theoretisch jeweils am 31.12. eines jeden Jahres alle Mittel aus dem jeweiligen Haushaltsjahr aufgebraucht haben und das neue Jahre mit dem Kassenbestand DM 0,-- beginnen müssen. Da aus öffentlichen Zuwendungen auch keine Zinsen für Kredite gezahlt werden dürfen, heißt dies, dass Vereine entweder gegen das Haushaltsrecht verstoßen müssen oder aber bis zum Erhalt von Zuwendungen keine Ausgaben tätigen dürfen. Wie dieses beim Unterhalt einer Einrichtung mit Personal möglich sein soll, bleibt ein Rätsel der Bundeshaushaltsordnung und der Beamten, die das Recht anwenden.

Der Hebel muss also nicht an der Änderung der Rechtsform, sondern an den Bestimmungen des Haushaltsrechts angesetzt werden.

3.3 Unterstützung öffentlicher Kultureinrichtungen durch die Bürgerinnen und Bürger

Der umgekehrte Weg der Förderung des kulturellen Lebens ist, dass Organisationen des Dritten Sektors staatliche Institutionen unterstützen. Beispiele aus dem Kulturbereich sind hierfür die Fördervereine von Museen, Theatern oder auch Bibliotheken. Ohne das Engagement dieser Vereine würde so manche Inszenierung nicht stattfinden, glichen noch mehr öffentliche Bibliotheken modernen Antiquariaten und wäre so manche Ausstellung nicht realisiert worden. Die Bürgerinnen und Bürger, die sich in den Fördervereinen engagieren, wollen, dass das kulturelle Leben ihrer Stadt reicher wird. Sie engagieren sich mit ihrem Geld und mit ihrer Zeit für ihr Museum, ihr Theater, ihre Bibliothek.

Die bereits ausgeführten haushaltsrechtlichen Beschränkungen gelten zwar nicht für diese Vereine, da sie ausschließlich private Mittel sammeln, sie müssen aber in den Kultureinrichtungen, denen die Mittel zur Verfügung gestellt werden, angewandt werden. Daraus folgt, dass das zusätzliche finanzielle Engagement von Bürgerinnen und Bürgern dazu führen kann, dass damit entweder große schwarze Löcher im Kulturetat gestopft werden oder gar die öffentliche Förderung gekürzt wird.

Bürgerschaftliches Engagements wird damit zunichte gemacht und nicht ermutigt. Denn warum sollte eine Bürgerin oder ein Bürger privates Geld zur Verfügung freiwillig stellen, wenn es nicht dem Zweck zugeführt werden darf, für den es von ihnen gedacht ist.

Sollen Bürgerinnen und Bürger also in der Zukunft motiviert werden, sich durch Spenden finanziell stärker an der Finanzierung von Kultureinrichtungen zu beteiligen, müssen die entsprechenden haushaltsrechtlichen Regelungen getroffen werden, damit diese zusätzlichen Mittel auch tatsächlich für zusätzliche Aufgaben verwandt werden dürfen. Auch hier ist das Haushaltsrecht die Stellschraube mit Hilfe derer bürgerschaftliches Engagements ermutigt oder verhindert werden kann.

Neben diesem tradierten Engagement in Fördervereinen hat in den letzten Jahren das direkte ehrenamtliche Engagement in bestimmten Kultureinrichtungen zugenommen. Bürgerinnen und Bürger arbeiten unentgeltlich in Bibliotheken oder auch in Museen mit. Handlungsleitend ist dabei zumeist der Wunsch, einen Beitrag zum Leben dieser Einrichtungen zu leisten.

4. Vereine und Markt

Das Bürgerschaftliche Engagement ist ebenso wie das staatliche Handeln zwar teilweise marktbezogen, verfolgt aber keine Gewinnabsicht. Es ist vielmehr so, dass gemeinnützigen Organisationen ein enger Rahmen zur Erwirtschaftung von Mitteln gesetzt wird. Wirtschaftliches Handeln widerspricht diesem Rahmen nicht prinzipiell. Doch sind die Grenzen der Abgabenordnung einzuhalten. Begründet wird diese Eingrenzung mit den steuerlichen Vorteilen, die gemeinnützige Organisationen vor Unternehmen haben. Diese steuerlichen Vorteile sind nur zu rechtfertigen, wenn keine Konkurrenz der gemeinnützigen Organisationen zu Unternehmen entsteht und wenn erwirtschaftete Mittel wiederum dem gemeinnützigen Sektor zu Gute kommen.

Es ist aber nicht nur so, dass Organisationen des Dritten Sektors auch wirtschaftlich handeln können; ebenso kann in Unternehmen Bürgerschaftliches Engagements stattfinden. Im Kulturbereich heißt das, dass in einem Museumsshop, der unter privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird, es selbstverständlich möglich und durchaus auch anzutreffen ist, dass Bürgerinnen und Bürger sich ehrenamtlich engagieren. D.h. unentgeltlich dort tätig sind.

Ebenfalls können Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bürgerschaftlichem Engagements ermutigen. Gerade dieser Aspekt hat in der gesellschaftspolitischen Diskussion an Bedeutung gewonnen. Dabei sind zwei gegenläufige Tendenzen zu beobachten. Grundlage beider ist die prinzipielle Bejahung des Bürgerschaftlichen Engagement. Dennoch wird von einigen Unternehmen gefürchtet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich engagieren, häufigere Fehlzeiten aufweisen und daher in das Betriebsgeschehen nicht so eingebunden werden können wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Engagement. Streitpunkt in dieser Debatte sind Freistellungsregelungen für Engagierte. Auf der anderen Seite gibt es in verschiedenen Unternehmen gezielte Initiativen, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesellschaftlich relevante Aufgaben übernehmen und sich engagieren. Teilweise werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Durchführung zeitlich begrenzter Aufgaben freigestellt. Diese Unternehmen erhoffen sich von dem Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen für das Unternehmen nützlichen Motivationsschub bei den Freigestellten, und nicht zuletzt ein positives Image. Angeführt wird ferner, dass durch Bürgerschaftliches Engagements die soziale Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessert wird.

5. Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagement

Bei den Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagement müssen die Rahmenbedingungen in den Organisationen selbst, die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die Verwaltungsvorschriften unterschieden werden. Alle drei bilden ein Gerüst, in das das Bürgerschaftliche Engagement eingepasst ist.

Dieses Gerüst bedarf der steten und kontinuierlichen Überprüfung. Denn nur wenn die Rahmenbedingungen stimmig sind, werden sich die Bürgerinnen und Bürger engagieren.

5.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Im Bürgerlichen Gesetzbuch und in der Abgabenordnung wird abgesteckt, was ein Verein ist, wie er zu gründen ist und welche Vorzüge die Anerkennung der Gemeinnützigkeit zur Folge haben kann. In der Einkommenssteuergesetzgebung wird der Rahmen der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen gestaltet.

In Hinblick auf die Debatte um die Reform des Stiftungsrechts werden über die bereits umgesetzte Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen hinaus Veränderungen im Zivilrecht gefordert. Kerngedanke ist dabei, das zivilgesellschaftliche Engagements zu stärken und die staatliche Reglementierung einzuschränken. Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist die Forderung nach einem Recht auf Stiftungen und der Eintragung in ein Stiftungsregister anstelle der Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde.

Eine wirkliche Reform des Stiftungsrecht kommt ohne eine eindeutige Definition, was eine Stiftungen eigentlich ist, nicht aus.. Stiftungen genießen zu Recht steuerliche Privilegien, sofern sie gemeinnützig sind. Stifterinnen und Stifter können mit gutem Grund ihre Zuwendungen an Stiftungen steuerlich geltend machen. Schließlich stellen sie ihr ganzes oder zumindest einen Teil ihres Vermögens unwiderruflich und ewiglich der Allgemeinheit zur Verfügung. Daraus folgt, dass das Institut der Stiftung klar umrissen sein muss. Stiftungen sollten als mitgliederlose Organisationen definiert werden, die aus den Erträgen ihres Vermögens gemeinnützige Zwecke fördern. Stiftungen dürfen kein „Verfallsdatum“ haben, sie sind immer auf Dauerhaftigkeit angelegt. Die Stiftung wäre damit klar von anderen Rechtsformen abgegrenzt und auf den gemeinnützigen Bereich festgelegt. Stiftungen ohne Kapitalausstattung, die gerade im Kulturbereich zur Mode geworden sind, dürfte es dann nicht mehr geben. Bestehende Stiftungen, die dieser strengen Definition nicht standhalten, würden selbstverständlich Bestandsschutz genießen.

Noch weitgehender als die Definition von Stiftungen wäre eine Überprüfung der gemeinnützigen Zwecke. Hier sollte eine Begrenzung der gemeinnützigen Zwecke erfolgen. Zwar gibt es bereits heute in der Abgabenordnung gemeinnützige Zwecke erster und zweiter Klasse, doch sind die Unterteilungen teilweise nicht nachvollziehbar. Die neuesten Bestimmungen zur Spendenabzugfähigkeit im Einkommenssteuergesetz haben gerade im kulturellen Bereich zu einer Klassifizierung der Organisationen geführt. Hier ist festzustellen, dass auf staatliches Handeln bezogene Organisationen gegenüber anderen bevorzugt werden. So bedeutsam dieses Engagements ist, so ist doch wenig einzusehen, wieso die Förderung des Freien Theater weniger gemeinnützig sein soll als die Förderung des Stadt- oder Staatstheaters.

Mit Blick auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagements wird häufig die Forderung erhoben, dass diese Tätigkeit bei Rentenanwartschaften berücksichtigt werden sollten. Dies wird mit dem gesellschaftlichen Nutzen der Tätigkeit begründet und angeführt, das Engagierte - und dies gilt insbesondere für Frauen – keine oder nur geringere Rentenanwartschaften außerhalb des Bürgerschaftlichen Engagements erwerben.

Eine solche Gesetzesänderung im Bereich der Sozialgesetzgebung kollidiert aber mit dem Prinzip der Unentgeltlichkeit von Bürgerschaftlichem Engagement. Ferner wird mit Blick auf Aufwandsentschädigungen gerade gefordert, dass diese nicht in die Sozialversicherungspflicht und damit auch die Rentenversicherung einbezogen werden. Der Erwerb von Rentenanwartschaften würde dieser Forderung entgegen stehen. Weiter sollte bedacht werden, dass auch auf Vereine ein nicht unbeträchtlicher Aufwand zukäme, denn sie müssten in geeigneter Form das Engagement ihrer Aktiven für die Anrechnung bei der Rentenversicherung bestätigen. X Rentenpunkt im Jahr für den ehrenamtlichen Notenwart, Y Rentenpunkte im Jahr für die ehrenamtliche Vereinsvorsitzende und Z Rentenpunkte im Jahr für den ehrenamtlichen Schatzmeister. Wer wird entscheiden welche ehrenamtlichen Tätigkeit wie viel Rentenpunkte bringt und wer wird das kontrollieren? Der Staat würde Einfluss gewinnen.

Die Gründe für eine deutliche Distanz gegenüber einer rentenrechtlichen Anerkennung Bürgerschaftlichen Engagements schließen nicht aus, dass bei einer prinzipiellen Diskussion zur Zukunft des Rentensystems die Anrechnung Bürgerschaftlichen Engagements mit bedacht wird. Dies würde aber eine grundsätzliche Debatte um die Verbindung von Erwerbseinkommen und Rentenanwartschaften erfordern.

Dringend änderungsbedürftig ist das Sozialgesetzbuch. Hier wird festgelegt, dass Arbeitssuchende dem Arbeitsamt zur Verfügung stehen müssen. Bürgerschaftliches Engagements, das einen bestimmten zeitlichen Rahmen überschreitet, wird vielfach als Mangel an Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt ausgelegt und kann zum Verlust der Arbeitslosenunterstützung führen.

Es ist geradezu widersinnig, dass das bürgerschaftliche Engagement von Erwerbslosen bestraft wird, gegenüber denjenigen, die sich nicht für die Allgemeinheit engagieren. Zu berücksichtigen ist ferner, dass gerade das Bürgerschaftliche Engagements oftmals eine wichtige Brücke zu sozialen Kontakten für Erwerbslose darstellt. Auch kann Bürgerschaftliches Engagements den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben fördern.

5.2 Verwaltungstechnische Rahmenbedingungen

Ein großes Hemmnis für das Bürgerschaftliche Engagement sind Verwaltungsvorschriften. Von großer Bedeutung sind hier Vorschriften, die den Umgang mit öffentlichen Mitteln regeln, also das Bundeshaushaltsrecht und die Verwaltungsvorschriften.

Wie bereits ausgeführt, können Organisationen des Dritten Sektors ihre Aufgaben oftmals nicht aus eigener finanzieller Kraft erfüllen. Eine Förderung aus öffentlichen Mitteln im Wege der Projektförderung oder in Ausnahmefällen auch der Institutionellen Förderung kann den Fehlbedarf decken. Diese Förderung legt der Organisation wiederum enge Fesseln an. So ist sie an das strenge Jährlichkeitsprinzip der öffentlichen Hand gebunden. D.h. Mittel, die in einem Jahr nicht verbraucht wurden, müssen an den Zuwendungsgeber, also die öffentliche Hand zurückgezahlt werden. Sie können also nicht für ein neues unter Umständen größer dimensioniertes Vorhaben im Folgejahr verwandt werden. Mitunter ist es sogar so, dass nicht verbrauchte Mittel in einem Jahr, dazu führen, dass die Förderung im nächsten Jahr gekürzt. Erwirtschaftet eine Organisation zusätzliche Mittel, so kann sie in der Regel diese nicht etwa für weitere Vorhaben ausgeben, sondern ihr Fehlbedarf verringert sich und damit kann die Förderung gekürzt werden.

Das bedeutet, dass Organisationen, die öffentliche Mittel erhalten, immer in der Gefahr sind, zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel Mittel zu haben.

Zwar wurden mit der Einführung von Selbstbewirtschaftungsmitteln Instrumentarien geschaffen, um die gegenseitige Deckungsfähigkeit von Haushaltsmitteln und die Übertragung von verbleibenden Mitteln in das Folgejahr zu ermöglichen. Doch werden diese Instrumentarien gerade vom Bund sehr rigide angewandt.

Sofern hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Organisationen beschäftigt sind, die öffentliche Mittel erhalten, müssen diese in Anlehnung an den Bundesangestelltentarif entlohnt werden. Das hat zur Folge, dass die bei und von Beamten zu Recht kritisierten fehlenden Anreize einer leistungsadäquaten Entlohnung auf Organisationen des Dritten Sektors übertragen werden, die eigentlich flexibel und unbürokratisch reagieren können sollten. Eine notwendige leistungsgerechte und flexible Bezahlung des Personals wird dadurch erschwert.

Also auch hier ist zur Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements eine Entrümpelung der Vorschriften dringend von Nöten. Denn dass das Engagement der Bürgerinnen und Bürger gerade im Kulturbereich erforderlich ist, zeigt ein Blick in die Kassen der Gemeinden, Kreise, Länder und dem Bund.

5.3 Rahmenbedingungen in den Organisationen

Bedeutsam in der Debatte um das Bürgerschaftliche Engagement ist die Fragestellung des neuen und des alte Ehrenamtes. Wichtiger als die Frage, ob das neue Ehrenamt tatsächlich so neu ist und das alte so alt, ist, dass damit ein Finger auf die Wunde teilweise verkrusteter Strukturen gelegt wurde.

Denn natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich in vielen Organisationen, Verhaltensweisen eingefahren haben. Dass neben die Klage über zu wenig neue Engagierte auch die selbstkritische Frage gehört, werden Neuankömmlinge wirklich mit offenen Armen empfangen oder nicht viel mehr misstrauisch beäugt? Dass der sich über Jahrzehnte aufopfernde Vereinsvorsitzende es auch perfekt verstanden hat, mögliche Nachfolger zu entmutigen und sich damit unliebsame Konkurrenz vom Leib zu schaffen?

Diese Phänomene sind weit verbreitet und oftmals menschlich allzumenschlich. Sie weisen zugleich daraufhin, dass eine lebendige Organisation, die vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger leben will, sich ständig weiterentwickeln muss. Dass sie sich öffnen muss gegenüber neuen Engagementformen, neuen Zielgruppen, neuen Menschen. Das Kontinuum sind die satzungsgemäßen Ziele und ist die Geschichte jeder Organisation. Das die Organisation nicht zum Fossil wird, ist Aufgabe der Mitglieder.

6. Ausblick

Das Bürgerschaftliche Engagement baut auf festen Fundamenten auf. Diese Traditionen bieten die Gewähr, dass der institutionellen Rahmen unseres demokratischen Gemeinwesens erhalten und seine Legitimation erhält.

Die Diskussion um die Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagement begann zunächst mit einer Kritik an Verkrustungen von Organisationen des Dritten Sektors. Sie setzte sich dann fort in der Forderung nach besseren Rahmenbedingungen in verschiedenen Rechtsgebieten. Beide Themen sind nach wie vor von Bedeutung und werden sicherlich dauerhaft der Aufmerksamkeit bedürfen.

Die entscheidende Frage dürfte aber die nach dem künftigen Verhältnis von Staat und Drittem Sektor oder Staat und Bürgerschaftlichen Engagement sein. Eine Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements, die Übertragung von mehr Verantwortung an die Bürgerinnen und Bürger muss eine Rücknahme des Staates bedeuten. Der Staat ist weder eine Agentur für Bürgerschaftliches Engagements, noch weiß der Staat am besten, wie Bürgerschaftliches Engagements organisiert wird.

Aufgabe des Staates ist es, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich das Bürgerschaftliche Engagements entfalten kann. Wird diese Aufgabe optimal erledigt, kann und wird sich der Staat zurücknehmen.


7. Literatur

Beher, Karin: Das Ehrenamt in empirischen Studien – ein sekundäranalytischer Vergleich. Hg. v. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 1. Auflage. Stuttgart, Berlin, Köln 1998.

Deutscher Bundestag (Hg.): Enquete-Kommission Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements. Handbuch. Veränderte 2. Auflage. Berlin 2000.

Deutscher Kulturrat (Hg.): Ehrenamt in der Kultur. Bonn 1996.

Deutscher Städtetag: Kulturpolitik und Bürgerengagement. Hanauer Erklärung des Kulturausschusses des Deutschen Städtetages. 23.10.1997.

Igl, Gerhard: Rechtsfragen des freiwilligen sozialen Engagements. Hg. v. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 2. Auflage 1996. Stuttgart, Berlin, Köln.

Kistler, Ernst; Noll, Heinz-Herbert; Priller, Eckhard (Hg.): Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts. Empirische Befunde, Praxiserfahrungen, Messkonzepte. Berlin 1999.

Wagner, Bernd (Hg.): Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftliches Engagements in der Kultur, Dokumentation eines Forschungsprojektes. Bonn 2000.

Zimmermann, Olaf: Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements als politisch praktische Aufgabe – Stellungnahme zur Einführung in eine Podiumsdiskussion. In: Ermert, Karl (Hg.): Ehrenamt in Kultur und Arbeitsgesellschaft. Wolfenbüttel 2000. S. 112 – 117.

Zimmermann, Olaf: Bürgerschaftliches Engagement in der Zivilgesellschaft und kulturelles Leben. Einführung zum Tagungsthema. In: Ermert, Karl (Hg.): Ehrenamt in Kultur und Arbeitsgesellschaft. Wolfenbüttel 2000. S. 10-16.

Zimmermann, Olaf; Schulz, Gabriele (Hg.): Positionen und Diskussionen zur Kulturpolitik. Nachdruck „Deutscher Kulturrat aktuell“ 1997 –2000. Bonn, Berlin 2000 a.

Zimmermann, Olaf; Schulz, Gabriele (Hg.): Verbändealmanach Kultur. Bonn, Berlin 2000b.

Zimmermann, Olaf; Schulz, Gabriele: Bürgerschaftliches Engagements als Gesellschaftspolitik – Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagements. Erscheint in: Im Osten was Neues. Hg. v. Holger Backhaus-Maul, Olaf Ebert, Thomas Olk. Opladen. Im Erscheinen.


Zum Autor:

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

geb. 21.02.1961 in Limburg a.d.Lahn; verh., zwei Kinder,

Kunsthändler, Geschäftsführer verschiedener Galerien; 1987 Gründung einer Galerie für zeitgenössische Kunst in Köln und Mönchengladbach, seit 1991 zusätzlich Journalisten- und Beratungsbüro in Mönchengladbach; Beratung von Verbänden und Institutionen, Veröffentlichungen zum Thema Kulturpolitik, Kulturmarkt, Bürgerschaftliches Engagement in der Kultur, Organisationsformen der privaten Kulturförderung (Vereine, Stiftungen); Lehrtätigkeit zu Fragen der Professionalisierung von Künstlerinnen und Künstlern, Marketing, private Kulturfinanzierung, Lobby in der Kultur.

Leiter der Arbeitsgruppe "Kunst und Kultur" des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eingerichteten "Forum Informationsgesellschaft" außerdem Mitglied der Enquete-Kommissionen "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" des Deutschen Bundestages (14 Wahlperiode).

Seit März 1997 Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates e.V.