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Nur leere Hülle? - Berliner Opernstiftung besteht seit 100 Tagen - Mitarbeiter wollen Landesbedienstete bleiben
Berlin (ddp-bln). Karl Valentin hatte recht: «Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.» Jahrelang bemühten sich Kultursenatoren der großen Koalition vergeblich, die teure Berliner Opernlandschaft mit ihren drei großen Bühnen zu reformieren. Mit Beharrungsvermögen ist das Kultursenator Thomas Flierl (PDS) gelungen - gegen den Widerstand des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit und seines Finanzsenators Thilo Sarrazin (beide SPD). Die Sozialdemokraten glaubten nicht an einen Verhandlungserfolg mit dem Bund und wollten aus Kostengründen lieber gleich eine der landeseigenen Bühnen schließen.Doch seit 1. Januar existieren die Staatsoper Unter den Linden, Deutsche Oper und Komische Oper gemeinsam unter dem Dach einer öffentlich-rechtlichen Stiftung. Hinzu kommen ein gemeinsames Ballett und ein Bühnenservice. Durch diese Kooperation sollen die Ausgaben von 113 auf 96,8 Millionen Euro gesenkt und die Existenz der Häuser langfristig gesichert werden.
Doch nach 100 Tagen handelt es sich bei der Stiftung eher um eine leere Hülle. Der Sessel des Generaldirektors der Stiftung ist ebenso verwaist wie der des Intendanten der Deutschen Oper. Für die Ballett und die Bühnenservice GmbH sucht Flierl noch immer kaufmännische Geschäftsführer. Im Stiftungsvorstand sind damit noch zwei Drittel der Plätze vakant.
Auch ein Gebäude als zentrale Werkstatt ist noch nicht gefunden. Auf alle Fälle soll die GmbH ihren Sitz im Ostteil der Stadt nehmen, weil die Beschäftigten dann nach dem preiswerteren Osttarif bezahlt werden können. Dafür verfügt die Tanztruppe immerhin schon über Briefpapier mit dem Aufdruck «Staatsballett Berlin».
Zudem gibt es mit den insgesamt knapp 2000 Mitarbeitern richtigen Zoff. Rund 90 Prozent haben einem Wechsel vom Landesdienst in die Stiftung widersprochen. Mit Unterstützung der Gewerkschaft ver.di und der Deutschen Orchestervereinigung sollen in dieser Woche 16 Musterklagen eingereicht werden. «Vertreten sind alle Häuser, fast alle Bereiche, West- und Ost-Beschäftigte», sagt die ver.di-Fachsekretärin für Kultur, Sabine Schöneburg. Ausgenommen seien die Solisten und Chöre, die den Weg über das Bühnen-Schiedsgericht gingen.
Die Gewerkschaften wollen prüfen lassen, ob der Übergang in eine andere Rechtsform ohne Widerspruchsmöglichkeit der Mitarbeiter korrekt ist. Den Philharmonikern sei dieses Recht zugestanden worden, betont Schöneburg. Am liebsten würden die Beschäftigten im Landesdienst verbleiben und per Gestellungsvertrag für die Stiftung arbeiten. Eine solche Lösung sei nach sechsjährigen Auseinandersetzungen für die Bühnenmitarbeiter in Frankfurt am Main gefunden worden, sagt die ver.di-Fachsekretärin.
Zudem verlangen die Gewerkschaften, die bislang nur individuell angebotene Beschäftigungssicherung bis 2009 kollektiv festzuschreiben. Außerdem sollen ein Rückkehrrecht in den Landesdienst bei einem Scheitern der Stiftung sowie Regelungen für Abfindungen vereinbart werden.
Flierl lässt sich von den Musterklagen nicht beeindrucken. «Das schafft Rechtssicherheit», betont er. Nach seiner Auffassung handelt es sich um keinen Betriebsübergang nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, und damit gebe es keine Widerspruchsmöglichkeit. Zudem ändere sich durch den Wechsel in die Stiftung per Gesetz «nichts an der tarifrechtlichen Situation» der Beschäftigten. Im Fall, dass der rot-rote Senat vor Gericht unterliegt, will Flierl eine Revision prüfen lassen, «weil es sich um eine Grundsatzentscheidung handelt».
Zugleich hofft der Senator, «bis zum Sommer» die Posten des Generaldirektors und des Intendanten der Deutschen Oper besetzen zu können. Derzeit liefen «intensive Personalgespräche». Beide Ämter seien «außerordentlich begehrt», betont Flierl. Nach Darstellung von dessen Sprecher Torsten Wöhlert behindern die ungeklärten Personalien die Arbeit der Stiftung nicht. Der Stiftungsrat, zu dem neben Flierl auch der Finanzsenator und Sachverständige gehören, komme regelmäßig zusammen.
Kultur-Staatsministerin Christina Weiss (parteilos), die mit einer Anschubfinanzierung von drei Millionen Euro die Stiftung erst ermöglichte, wollte sich zu den Querelen nicht äußern. Das sei eine Berliner Angelegenheit, hieß es aus ihrem Büro. Da wolle man sich «nicht einmischen».
Holger Lunau
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Berliner Opernstiftung
Berlin (ddp-bln). Die öffentlich-rechtliche Berliner Opernstiftung wurde zum 1. Januar 2004 ins Leben gerufen. Unter ihrem Dach vereint sie die Staatsoper unter den Linden, Deutsche Oper und Komische Oper sowie eine Ballett GmbH und Bühnenservice GmbH. Die drei Bühnen sollen kooperieren, um Kosten zu senken, aber wirtschaftlich und künstlerisch eigenständig bleiben. Damit soll die Existenz aller drei Häuser langfristig gesichert werden. An der Spitze des Stiftungsvorstandes soll ein Generaldirektor stehen.
Die Stiftung ist für 2004 mit einem Etat von 113,6 Millionen Euro ausgestattet. Bis 2009 sinkt der Landeszuschuss - Mittel des Bundes gegengerechnet - auf 96,8 Millionen Euro. Im Zuge der Reform sollen rund 220 von insgesamt knapp 2000 Arbeitsplätzen abgebaut werden. Davon betroffen sind allein 30 Tänzer. Der Bund gewährt der Stiftung eine Anschubfinanzierung von drei Millionen Euro.