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Konwitschny: Oper hat Botschaft für die Gesellschaft zu übermitteln +++ Nürnberg: Opernhaus feierte 100-jähriges Bestehen +++ Trier: Deutsche Erstaufführung der Tango-Oper «Azrael» +++ Berlin: Lehrerchor gibt Konzert im Lazarus Wohn- und Pflegeverbund +++ Berlin: Viel Beifall für Barenboim und Pape bei «Godunow»-Premiere
Konwitschny: Oper hat Botschaft für die Gesellschaft zu übermitteln
Berlin (ddp). Das Theater ist nach Ansicht von Opernregisseur Peter Konwitschny bei der Darstellung von Aktualität auf der Bühne sehr viel mutiger als die Oper. «Wie das Theater hat aber auch die Oper, wie bei Bertolt Brecht, zwei Funktionen: Unterhaltung und Belehrung», sagte Konwitschny der Nachrichtenagentur ddp in Berlin.
Auch die Oper habe immer eine wichtige Botschaft für die Gesellschaft zu übermitteln. «Es gibt kein Stück, das ich inszeniert habe, das nur Unterhaltung war. Das ist bei Händel nicht anders als bei Puccini - und bei Wagner und Verdi sowieso», sagte Konwitschny.
Das gelte im Übrigen auch für die Operette. «Auch diese Geschichten sind menschlich existenziell», betonte der vielfach als «Regisseur des Jahres» geehrte Konwitschny. Es sei sehr bedauerlich, dass Oper heute immer mehr als Event wahrgenommen werde.
Die Diskussion um mehr Werktreue im Theater und in der Oper sieht Konwitschny kritisch. «Man kann nur bewahren, indem man auch verändert. Sonst wird das ein Gegenstand fürs Museum», sagte er. Ein Stück heute so zu präsentieren wie zur Uraufführungszeit, das sei Nonsens. «Lebendiges Theater entsteht nur, wenn wir unser Leben den Figuren oder dem Stück ausleihen. Dadurch kommt Leben in ein Stück, das eigentlich tot ist.»
Trotz rund 70 Inszenierungen, die der 60-Jährige auf vielen Bühnen in ganz Europa bislang gemacht hat, gibt es nur wenige Wiederholungen. «Tschaikowskys \'Eugen Onegin\' habe ich ein zweites Mal gemacht, ebenso wie Wagners \'Lohengrin\'», sagte Konwitschny. Aber die Konzeptionen seien immer die gleichen geblieben. «Für mich ist das ein existenzieller Prozess mit einem Stück und ich verstehe gar nicht, wie man das nach ein paar Jahren ganz anders machen kann», sagte er. Sein Verhältnis zu einem Stück ändere sich nicht so gravierend, dass er es völlig neu interpretieren könne.
Nürnberg: Opernhaus feierte 100-jähriges Bestehen
Nürnberg (ddp). Mit einem Festakt hat das Nürnberger Opernhaus am Sonntag sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) würdigte das Staatstheater als «Wahrzeichen Nürnbergs und glänzenden Botschafter Bayerns über die Grenzen des Freistaates hinaus». Die Staatsregierung habe mit der Umwandlung dieses Hauses in ein Staatstheater «ein klares Signal für die Metropolregion Nürnberg und den Kulturstaat Bayern gegeben». Stoiber betonte: «Kultur prägt unser Land, unseren bayerischen Charakter und die Identität unserer Heimat.» Auch in finanziell schwierigen Zeiten investiere Bayern deshalb in die Kultur.
Das Opernhaus in Nürnberg wurde zum 1. Januar 2005 in ein Staatstheater umgewandelt und wird seither in der Rechtsform einer Stiftung gemeinsam vom Freistaat und der Stadt Nürnberg betrieben.
Laut Stoiber fördert der Freistaat in ganz Bayern den Betrieb der staatlichen und nicht staatlichen Bühnen jährlich mit rund 150 Millionen Euro. Über 15 000 Vorstellungen pro Jahr werden in Bayern gegeben und von rund fünf Millionen Zuschauern besucht. Über eine halbe Milliarde Euro gibt der Freistaat den Angaben zufolge jährlich für die Kulturförderung insgesamt aus.
Trier: Deutsche Erstaufführung der Tango-Oper «Azrael»
Trier (dpa) - Die deutsche Erstaufführung der Tango-Oper «Azrael» ist am Sonntagabend in Trier gefeiert worden. Das Stück des belgischen Komponisten Dirk D\'Ase beeindruckte mit seiner Geschichte um den Betrüger und Gauner Pino, der nach seinem Tod die Chance bekommt, noch einmal auf die Erde zurückzukehren. Trotz aller guten Vorsätze endet er aber wie in seinem ersten Leben: Er verletzt seine schwangere Freundin und stirbt im Kampf mit einem Spieler durch sein eigenes Messer. Die Oper, im Trierer Szeneclub «Forum» von Bruno Berger-Gorski inszeniert, wurde 1999 in Wien uraufgeführt.
Nach der Begegnung mit dem Todesengel Azrael will Pino sich bessern und den Tod seines ungeborenen Kindes verhindern, den er mit seinen Schlägen verursacht hat. «Es liegt alles in deiner Hand» gibt Azrael ihm mit auf den Weg. Doch seine Spielsucht zerstört sein Leben zum zweiten Mal. Das Publikum belohnte die Aufführung und den Komponisten mit minutenlangen Beifall.
«Das Stück macht deutlich, dass man sein Leben neu gestalten kann, wenn man die Kraft hat, sich von allem zu lösen, mit dem man verkettet ist», sagte Regisseur Berger-Gorski. Das Psychodrama um Pino und seine Freundin Maria spiegele wider, was vielen Paaren passiere: «Sie sind in ihrer Beziehung in einer Schleife, aus der sie nicht herauskommen und verfallen immer wieder in die selben Rituale und Verbalismen», sagte er. Die Oper «Azrael» erinnert an Jean-Paul Sartres existenzialistisches Werk «Das Spiel ist aus».
Das Tango-Ensemble begleitet Pino auf seinem Weg vom Diesseits ins Jenseits und zurück in die Gegenwart. Der Tango eigne sich gerade für dieses psychodramatische Stück. «Der Tango ist dem Tod verbunden und voller Emotionalität», sagte der Regisseur.
D\'Ases künstlerisches Credo «Alles, was ich mache, suche ich im und aus dem Leben» ist in «Azrael» umgesetzt. Der Komponist, der gerade an einer Don-Juan-Oper im Auftrag des Wiener Mozartjahres 2006 arbeitet, stellt überwiegend menschliche Konflikte in den Mittelpunkt, mit all dem Dramatischen, das sie umgibt. Mit seiner Musik setzt er auf die direkte, unmittelbare Kommunikation. Er selbst formuliert das, was er erreichen will: «Den Bauch zu treffen und im Bauch getroffen zu werden.»
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Berlin: Lehrerchor gibt Konzert im Lazarus Wohn- und Pflegeverbund
Berlin (ddp-bln). Der Berliner Lehrerchor gibt am Montag ein Weihnachtskonzert im Festsaal des Lazarus Wohn- und Pflegeverbundes in Wedding. Auf dem Programm stehen Lieder, Gedichte und eine Advents-Kurzgeschichte, wie ein Sprecher der Einrichtung sagte. Mit dem Konzert wollen die rund 50 Sänger vor allem den Bewohnern der Altenpflegeeinrichtung des diakonischen Trägers EJF-Lazarus Freude bereiten, die das Haus nicht mehr verlassen können.
Das Konzert ist öffentlich und beginnt um 18.00 Uhr in der Bernauer Straße 115-118. Der Eintritt ist frei. Der 1887 gegründete Lehrer-Chor ist den Angaben zufolge einer der traditionsreichsten Chöre in Berlin. Regelmäßig tritt der Chor in Konzertsälen und Kirchen auf.
Berlin: Viel Beifall für Barenboim und Pape bei «Godunow»-Premiere
Berlin (dpa) - Russland im Jahr 2012. Ein neuer Herrscher kommt an die Macht, das Volk nimmt davon kaum Notiz. Die Menschen eilen geschäftig mit Plastiktüten und Handys umher, von Politik wollen sie nichts wissen. Jede Ähnlichkeit mit der Realität - das wird bei der Berliner Neuproduktion von «Boris Godunow» am Sonntagabend deutlich - ist ausdrücklich gewollt.
Der russische Regisseur Dmitri Tcherniakov hat Modest Mussorgskis Zarendrama eine Erfrischungskur verpasst und an der Staatsoper Unter den Linden dafür auch kräftige Buhrufe kassiert. Ungeteilt dagegen war der Applaus für die Musiker - allen voran der eindrucksvolle Bass René Pape in der Titelrolle sowie Dirigent Daniel Barenboim und seine Staatskapelle Berlin.
Für die erste Inszenierung in Deutschland hatte sich Tcherniakov, in seinem Land als aufstrebender Star der Opern- und Theaterszene groß gefeiert, einen schweren Brocken ausgesucht. Das Drama um den Zaren Boris Godunow, der seinen Sohn ermorden lässt, darüber den Verstand verliert und schließlich zu Grunde geht, wird immer wieder mit viel Pathos und «russsicher Seele» auf die Bühne gebracht.
Mussorgski (1839-1881), der sich auf ein Werk seines Zeitgenossen Alexander Puschkin stützte, hatte die Oper mehrmals umgeschrieben. Sein Freund Nikolai Rimski-Korsakow und später auch Dmitri Schostakowitsch instrumentierten das Stück neu. An der Staatsoper wird die erste, kürzere Fassung von 1872 gegeben.
In knapp zweieinhalb Stunden packt Tcherniakov, der auch das Bühnenbild entworfen hat, allerlei Andeutungen auf neue russische Herrscher. Auf Großplakaten und im Fernsehen ist Godunow stets medial präsent, seine Agenten erinnern an Tschetschenien-Kämpfer und auch Anschläge bleiben seinem Polizeistaat nicht erspart. Das Drama spielt sich in einer russischen Innenstadt ab. Zwischen Kaufhaus und Café mischen sich Stalinismus und Kapitalismus. Ein Digitalkalender zeigt stets den Fortgang der Zeit an.
Bei so vielen Botschaften verblasst Godunows Gestalt und auch die seiner ebenfalls gefeierten Gegenspieler Grigorij (Burkhard Fritz) und Fürst Schuiskij (Stephan Rugamer). Zwar kann sich René Pape, mittlerweile an internationalen Bühnen groß gefeiert, mit seinem eindringlichen Bass problemlos durchsetzen. Stimme und Gestalt lassen ahnen, dass sich hinter dem unerbittlichen Diktator ein gebrochener Mensch verbirgt. Und auch der Chor (Leitung: Eberhard Friedrich) wird ständig über die Bühne bis in die Zuschauerränge getrieben. Barenboim peitscht sein Orchester zu immer neuen Höhen - Zeit zum Luftholen bleibt da kaum übrig.