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Die Choreographin Francesca Spinazzi will in Weimar Verständnis aufbauen für den modernen Tanz jenseits des alljährlichen Weimarer Kunstfestes. Ein subventioniertes Staatstheater soll Forum für neue Wege sein.
Weimar (ddp). Ein spannendes Mosaik der zeitgenössischen Szene werden die 2. Internationalen Tanztheater-Tage Weimar zusammenfügen. Wenig Traditionelles wird sich da ab Freitag zehn Tage lang mit sperrigen Angeboten mischen, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Francesca Spinazzi reiht in Weimar nicht einfach nur Highlights aneinander. Vielmehr will die Tanztheater-Kuratorin des dortigen Deutschen Nationaltheaters (DNT) in der Stadt, die "noch nicht allzu viel Tanztheater gesehen hat", Verständnis aufbauen für den modernen Tanz jenseits der entsprechenden Events des Kunstfestes. Schließlich sei es Auftrag eines subventionierten Stadttheaters, Forum zu sein für neue Wege der Kunst und so das Publikum herauszufordern. Und dieser Auftrag lasse "keine Gefälligkeiten" zu, sagt sie.Dennoch oder gerade deshalb erwartet Insider und Otto Normalverbraucher in Sachen Tanztheater beim Weimarer Festival ein durchaus hochkarätiges Programm, dessen "Architektur" Zusammenhänge deutlich macht. Drei Gruppen und drei Solisten aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und dem afrikanische Burkina Faso werden Avantgardistisches auf die Bühnen im Großen Haus des DNT und im e-werk bringen.
Zwei Companys markieren Anfang und Ende des Festivals, denen die Arbeit mit Live-Musik gemeinsam ist. Das junge niederländische Het Hans Hof Ensemble, das als Geheimtipp der Saison gehandelt wird, steht in der Tradition einer Pina Bausch. Mit einem Augenzwinkern nimmt es in seiner "Stadt bei Nacht" menschliche Neurosen aufs Korn. Den Gegenpol dazu bildet die Truppe von Mathilde Monnier, die zu den derzeit wichtigsten modernen Choreografen Frankreichs zählt. Auch in ihren "Les lieux de la" (Die Orte von dort) geht es um Allein- und Zusammensein, doch erzählt sie diese Geschichte wesentlich abstrakter und als immer neue Improvisation aus dem Dialog von Tänzern und Musikern.
Aus der Arbeit der Monnier unter anderem mit Autisten in Burkina Faso stammen Kontakte zu den dortigen Tänzern und Choreografen Seydou Boro und Salia Sanou. Die scharten selbst eine kleine Gruppe von Tänzern und Musikern um sich. Als "Salia Ni Seydou" wollen sie mit "Figninto" (Das blinde Auge) Weimar erobern. Als Solisten stellen sich der Deutsche Thomas Lehmen sowie die Franzosen Xavier Le Roy und Mark Tompkins vor. Während Lehmen in "distanzlos" die Geschichte, die er eigentlich erzählen will, in Frage stellt, tut Le Roy in "Self-Unfinished" gleiches mit der Form. Tompkins hingegen setzt mit seinen "Hommages" den Tanz-Legenden Josephine Baker, Valeska Gert, Vaslav Nijinski und Harry Sheppard ein Denkmal.
Diese "Hommages" gaben auch den Anstoß, die tänzerischen Angebote mit filmischen rund um den Tanz abzurunden. In Kooperation mit dem kommunalen Weimarer Kino "mon ami" hat das kleine Team um Francesca Spinazzi einige Raritäten ausgegraben. Dazu gehört die einzig noch existente Kopie von Volker Schlöndorffs Porträt über Valeska Gert. Die Baker wird in einem Streifen von Marc Allegret als "Zou-Zou" zu bewundern sein. Für Nijinsky kommt gar die Choreografin und Filmemacherin Donya Feuer selbst nach Weimar. Sie wird die beiden Kurzfilme vorstellen, die sie über den legendären Tänzer gedreht hat. Ebenfalls eine Hommage, nämlich des Sohnes Mats Ek an die Mutter Birgit Cullberg, ist der Film "Woman And Door". Er zeigt die berühmte Tänzerin und Choreografin 87-jährig bei ihrem letzten Tanz kurz vor dem Tod. Hinzu kommen experimentelle Filme aus der Werkstatt von "Dance Screen", die alljährlich die interessantesten Werke in diesem Metier aufspüren.
Das Verzahnen der einzelnen Teile untereinander mache das "Gesamtkunstwerk" Internationale Tanztheater-Tage Weimar aus, betont die Kuratorin. Um diese Komplexität zu verstehen, müsse man alle Programmteile sehen. Dieses Konzept will sie auch künftig fortsetzen. Auf diese Weise sollen sich über die Jahre hinweg die einzelnen Steine zu einem Mosaik zusammenfügen, das einen Überblick gibt über die Entwicklung des zeitgenössischen Tanzes. Das qualitativ gute Weimarer Programm habe sich in der Szene schon herumgesprochen. Dafür stünden die Zusagen von Künstlern, die allgemein als "sehr schwierig" gelten, betonte Spinazzi, ohne konkreter zu werden.
Uschi Lenk