Hauptrubrik
Banner Full-Size

20 Jahre Frankfurter Opernball - Von der Provokation zur Tradition

Publikationsdatum
Body

Der erste Frankfurter Opernball war eine Provokation. "Es war zwar keine Provokation um der Provokation willen, aber viele haben es so empfunden", sagt Ulrich Schwab, der Mann, der im Frühjahr 1982 "ganz bewusst" das "auf den ersten Blick Unvorstellbare" wagte.

Frankfurt/Main (ddp). Während vor der Stadt der Kampf um die Startbahn West tobte, plante Schwab als erster Generalmanager der Alten Oper Frankfurt für den 11. Februar einen Ball nach Wiener Vorbild samt königlicher Hoheiten. "Das war eine heiße Kiste damals", sagt Schwab 20 Jahre später. "Draußen vor der Tür standen die Gegendemonstranten und haben die Gäste des ersten Balls mit allem Möglichen beworfen."

Heute ist Schwab Generalintendant des Nationaltheaters Mannheim und bereut nichts. "Es war wunderbar", sagt er, ein "rauschendes Fest" und ein programmatischer "konservativer Pflock", der einfach eingeschlagen werden musste. "Jeder wollte das Haus für sich", erinnert sich Schwab. Die Linken, die sich gegen den Wiederaufbau der zerbombten Oper gewehrt, die Konservativen, die dafür gestritten hatten. Doch das damals frisch eröffnete Haus sollte für alle da sein und diesen Reiz des Widerspruchs habe man damals bewusst aufgegriffen, sagt Schwab. Für die Linken verpflichtete er Künstler wie Franz Josef Degenhardt und Udo Lindenberg, für die Bourgeoisie Gräfin Schönfeld, Organisatorin des Wiener Opernballs.

"Und es sah aus wie in Wien", sagt Jeanette Kaufmann, die zwei Tage lang mitgeholfen hatte, den großen Saal zu schmücken. "An der Decke hing girlandenförmig weißer Tüll, dazwischen Hunderte weiße Lampions", erzählt Kaufmann. Darunter probten schon mittags völlig aufgeregte Debütanten in weißem Ballkleid und Frack den Einzug. In Ermangelung von Tradition und Adelsgeschlechtern borgten sich Frankfurter Ballorganisatoren die 100 Debütanten von den Frankfurter Tanzschulen aus. Und obwohl die sauer reagierten, war drei Jahre später Schluss mit Wien in der Frankfurter Alten Oper und der Abschlussball wieder anderswo.

"Wien nach Frankfurt zu transplantieren, wo die Tradition einfach fehlt, das konnte nicht gehen", sagt Manfred Pasenau, der dem "hilflosen Konzept" 1985 als neuer Ball-Organisator ein Ende setzte und mit Thomas Gottschalk als Moderator und dessen "erfrischender Freche" das neue Debüt ohne Debütanten wagte. Stars wie Harry Belafonte, Shirley Bassey, Tom Jones, Joe Cocker und "Cool and The Gang" hat er seither engagiert, für den 20. Ball am 23. Februar steht Frank Sinatra junior auf dem Programm. Nur Klassik ist tabu.

"Never!", ruft Pasenau und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. "Das wär\' viel zu schade für die Künstler und die Klassik." Angemessen zuhören, sagt Pasenau, könne da nach dem vierten Bier sowieso keiner mehr, und ums Zuhören geht\'s nur in zweiter Linie. In erster Linie geht\'s ums "Flirten, Quatschen, Tanzen, Tellerklappern", sagt Pasenau. "Sehen und gesehen werden, Leute kennen lernen, Stars berühren, tratschen und vor allem: genießen." Und das auf allen Etagen, in allen Räumen, zwischen 2300 anderen Gästen und 150 Künstlern.

Zwanglosigkeit ist das Motto des je nach Karte zwischen 130 und 600 Euro teuren Abends zwischen Gästen wie Bo Derek, Jennifer Rush, Dieter Thomas Heck, Michael Holm, Hans-Dietrich Genscher oder Bianca Jagger. Wie zu Hause sollen sich die Gäste fühlen, sagt Pasenau, nur mit dem Unterschied, dass sie beim Ball "nichts müssen, nicht mal ein Pflichtmenue essen". "Richtig Freude vermitteln" ist Pasenaus erklärtes Ziel, von der Vorfreude bis zum wochenlangen Anekdoten erzählen hinterher á la "stell Dir vor, ich bin dem Delon auf den Fuß getreten!" Und niemandem sonst: Das Wiener Vorbild ist aus den Köpfen, der Kampf um die Startbahn Geschichte und der Frankfurter Opernball längst Tradition statt Provokation.

Wolfgang Frey

Musikgenre