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22.2.: Die Rezension: Dörrie und Wagner scheitern in München

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«Waffenschmied» durchgefallen - Wagner-Urenkelin für Münchner Lortzing-Inszenierung ausgebuht - Beifall für das Orchester +++ Affentheater - Doris Dörrie inszeniert Verdis «Rigoletto» in München - Publikum empört

«Waffenschmied» durchgefallen - Wagner-Urenkelin für Münchner Lortzing-Inszenierung ausgebuht - Beifall für das Orchester
München (ddp-bay). Die Neuinszenierung von Albert Lortzings biedermeierlicher Spieloper «Der Waffenschmied» von Wagner-Urenkelin Katharina Wagner ist am Sonntagabend im Münchner Gärtnerplatztheater beim Publikum durchgefallen. Die 26-jährige hatte große Teile der Originalpartitur weggelassen und eine völlig neue Rahmenhandlung konstruiert. Die harten Regieeingriffe quittierte das Publikum im ausverkauften Haus am Gärtnerplatz mehrheitlich mit Buhrufen.

Viel Beifall wurde dem Orchester unter Leitung von David Stahl, Chefdirigent des Staatstheaters am Gärtnerplatz, zuteil. Auch die Sänger wurden vom Publikum mit viel Applaus bedacht. Allen voran Holger Ohlmann als «Waffenschmied» Hans Stadinger, Olivia Popp als Marie und Torsten Frisch als Graf von Liebenau.

Regisseurin Katharina Wagner und Bühnenbildner Alexander Dodge verlegten die eigentlich im Spätmittelalter spielende Handlung in die Entstehungszeit der Oper im deutschen Vormärz, der von der repressiven Metternich-Politik bestimmten Epoche vor der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848. Die erste Hälfte des eher betulichen Werkes - es handelt von den Bemühungen des Grafen Liebenau die Bürgertochter Marie, Tochter des Waffenschmiedes Hans Stadinger, zu ehelichen - deutete sie kurzerhand zum Revolutionsstück um, das in Barrikadenkämpfen gipfelt.

In Katharina Wagners Lortzing-Version ist der Waffenschmied Stadinger ein Anführer der bürgerlichen Revolution, der schließlich von Truppen der Reaktion standrechtlich erschossen wird. Dazu lässt die Regisseurin das Orchester Johann Strauß\' «Radetzkymarsch» spielen. Der österreichische Feldherr Graf Radetzky war an der gewaltsamen Niederschlagung italienischer Unabhängigkeitsbestrebungen beteiligt.

Als Zwischenmusik präsentierte Katharina Wagner dann den «Kaisermarsch» ihres Urgroßvaters. Damit wollte sie offenbar an die Geschichte Richard Wagners erinnern, der in seinen frühen Jahren an den revolutionären Aufständen aktiv beteiligt war, sich aber später auf die Seite der Machthaber schlug und zur Reichgründung im Jahre 1871 dem neuen Kaiser Wilhelm I. mit einer eigenen Komposition huldigte.

Nach der Pause spann die Regisseurin den Faden weiter bis zum Ersten Weltkrieg und dem Ende des deutschen Kaiserreiches. Stadinger taucht wieder auf und verwandelt sich, in Anlehnung an die Geschichte der Krupp-Dynastie, zum Stahlbaron und Waffenhersteller, der seine Tochter Marie schließlich mit dem Adeligen Liebenau zwangsverheiratet. Aus dem einstigen Revolutionär, so Katharina Wagners gesellschaftskritisches Resümee, wird ein Ausbeuter und Kriegsgewinnler, der sich dem einst verhassten Adel anbiedert.

Katharina Wagner wurde in Bayreuth geboren und lebt in Berlin. Neben einem Studium der Theaterwissenschaft absolvierte sie zahlreiche Regieassistenzen unter anderem bei Harry Kupfer und Keith Warner. Sie wird als mögliche Nachfolgerin ihres Vaters Wolfgang Wagner als Chefin in Bayreuth gehandelt.

Ihr Regiedebüt gab die heute 26-Jährige 2002 in Würzburg, wo sie eine viel beachtete Inszenierung von Richard Wagners «Der fliegende Holländer» herausbrachte. Im vergangenen Jahr inszenierte sie in Budapest den «Lohengrin», ein weiteres bekanntes Werk ihres Urgroßvaters. Im Jahre 2007 soll sie bei den Bayreuther Festspielen die «Meistersinger» neu in Szene setzen.

Georg Etscheit



Affentheater - Doris Dörrie inszeniert Verdis «Rigoletto» in München - Publikum empört
München (ddp-bay). Manche der Premierengäste im Münchner Nationaltheater dachten wohl, sie säßen im falschen Film. Denn als sich am Montagabend der Vorhang hob zu Doris Dörries Neuinszenierung von Verdis «Rigoletto», bevölkerte statt der Hofgesellschaft des Herzogs von Mantua eine Affenhorde die Szenerie. Die behaarten Primaten in Fantasiekostümen stapften vor dem Hintergrund vorbeiziehender Planeten durch eine endzeitliche Bühnenlandschaft, in der die Ruine der Bayerischen Staatsoper und des Sydney Opera House zu erkennen waren. Manche entblößten ihre roten Pavianhinterteile oder kopulierten miteinander.

Inmitten des Getümmels wurde der bucklige Hofnarr Rigoletto erkennbar. Er steckte in einem steifen Astronautenanzug. Sein Herr und Gegenspieler, der Herzog von Mantua, war der bunt kostümierte Anführer der Affenhorde. Nur Gilda, die Tochter des Hofnarren, durfte ihren Bühnendienst in einem schlichten weißen Kleid versehen.

Mit der Filmemacherin Doris Dörrie war Verdis Erfolgsoper in der Welt des Science-Fiction angekommen. Dörrie griff bei ihrer nunmehr dritten Opernregie vor allem auf Franklin J. Schaffners Science-Fiction-Klassiker «Planet der Affen» von 1968 zurück. Der Film beschreibt, wie ein Astronaut, der mit Lichtgeschwindigkeit auf der Suche nach einer besseren Welt ins Universum gestartet war, nach langer Zeit einen fremden, von Affen beherrschten Planeten erreicht. Irgendwann entdeckt er am Strand die Reste der New Yorker Freiheitsstatue und erkennt, dass es sich um die Erde handelt, deren menschliche Zivilisation im Atomkrieg ausgelöscht wurde.

Dörrie macht Anleihen aber auch bei anderen Zukunftsstreifen wie «King Kong», «Star Wars» oder Kubricks «2001 - Odyssee im Weltraum». Die ungeschlachte Affengesellschaft soll das Ebenbild der gefühlskalten, zynischen Hofgesellschaft des Herzogs von Mantua sein, eines rücksichtslosen Frauenverbrauchers, der auch Rigolettos geliebte Tochter Gilda verführen will. Als ihm dies mit Hilfe der auf Rache an Rigoletto sinnenden Hofgesellschaft gelingt, schwört der bucklige Außenseiter seinerseits Vergeltung.

Er beauftragt den Auftragsmörder Sparafucile - der als schwarzer Ritter Darth Vader daherkommt - den Herzog zu töten. Doch Gilda, die den Herzog liebt, kommt der Tat zuvor und opfert sich für ihren Geliebten. Die unheilvolle Nachtszene in Sparafuciles «Affenbordell» gehört zu den stärksten Momenten der Inszenierung.

In Dörries populärer Bilderflut kommt die Feinzeichnung der Charaktere mitunter zu kurz. Das mag aber auch an den wenig überzeugenden schauspielerischen Leistungen des Rigoletto-Darstellers, des US-Baritons Mark Delavan, gelegen haben, der das Publikum auch stimmlich nicht überzeugen konnte. Der für den angeblich erkrankten mexikanischen Tenor Ramón Vargas eingesprungene Chilene Tito Beltrán, sang sich dagegen rasch in die Herzen des Publikums. Hinter den Kulissen war zu hören, dass Vargas aus Ärger über die provokante Inszenierung das Handtuch geschmissen hatte.

Unumstrittener Star des Abends war die Sopranistin Diana Damrau. Die großen Gassenhauer des «Rigoletto», Inkarnation des italienischen Belcanto, interpretierte sie mit höchster Genauigkeit und betörender Leichtigkeit. Viel Applaus auch für das bayerische Staatsorchester und den Staatsopernchor unter Zubin Mehta, bevor sich dann ein Orkan an Buhrufen und Schmähungen über das Regieteam ergoss. Demonstrativ schritt in diesem Sturm Mehta auf die Regisseurin zu und umarmte sie.

In einem Interview hatte Dörrie ihre drastische Popularisierungsstrategie mit der Bemerkung begründet, anders als mit modernen Medienbildern könne man junge Leute nicht mehr für die Oper interessieren. Das sei jedoch dringend nötig. «Denn sonst sieht es vielleicht bald so aus wie in unserem ersten Bild, wo die Opernhäuser alle fast versunken sind, weil die Kulturlosen die Überhand gewonnen haben.» Das eher etwas betagte Premierenpublikum gab sich mit solchen Erklärungen offenbar nicht zufrieden.

Georg Etscheit
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