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Pop-Rezensionen: «Iron Maiden» in München +++ «Roxy Music» in Bonn
«Iron Maiden» in MünchenMünchen (ddp-bay). Es ist bereits weit nach 21.00 Uhr, als es am Freitag dunkel wird in der Münchner Olympiahalle. Wo vor kurzem noch die sympathischen Krachmacher der Hamburger Vorgruppe «Gammaray» fröhlich ihre Gitarren quälten, soll nun eine düstere Burgkulisse für Gruselgefühle sorgen. Doch das Publikum atmet stattdessen auf: Endlich sind sie da, die Helden von «Iron Maiden». Die Heavy-Metal-Party zum Auftakt der Deutschlandreise der Kultband kann beginnen.
Das Schöne an den Liedern der Briten ist, dass sie - im Gegensatz zu etlichen anderen Werken des Genres - zumeist einen eingängigen Refrain zum Mitsingen haben. So kennt denn auch in München das Gejohle keine Grenzen, selbst wenn die Texte eher düster sind. Dafür leuchten die Scheinwerfer umso bunter. Außerdem jagt Sänger Bruce Dickinson unermüdlich auf der gesamten Bühne herum und heizt die Stimmung in der gut gefüllten Halle an.
Besonders beliebt sind natürlich die alten Hits wie «Can I Play With Madness» oder «The Number Of The Beast». Aber auch bei Liedern von der neuen CD «Dance of Death» können die Fans schon mitsingen, während immer wieder halbvolle Bierbecher in die Menge fliegen. So müsste denn Bruce Dickinson eigentlich gar nicht fragen: «Wie geht\'s, München?» Er tut es trotzdem und bedankt sich zugleich dafür, dass so viele Deutsche die neue CD gekauft haben.
Tatsächlich hat die vor fast zweieinhalb Jahrzehnten gegründete Gruppe nach wie vor erstaunlichen Erfolg. Mittlerweile konnten die «Eisernen Jungfrauen» mehr als 150 Gold- und Platin-Auszeichnungen sammeln. Seit dem Start im Jahr 1980 setzte «Iron Maiden» zwar auf eher geschmacklose Monster-Plattenhüllen, aber musikalisch auf melodische Rock-Hymnen. Der erste wirklich große Hit kam zwei Jahre später mit dem mitreißenden Fetzer «Run To The Hills».
Das Alter des Münchner Publikums lässt darauf schließen, dass die meisten Schwermetaller in der Halle die Karriere von «Iron Maiden» zeitgleich mitverfolgt haben. Sie haben sogar akzeptiert, dass Bruce Dickinson - der zwecks Solo-Karriere die Band zeitweise verlassen hatte - nun mit Kurzhaar-Frisur auftritt.
Der Band immer treu geblieben ist das Monster «Eddi». Es taucht diesmal als Riesenpuppe in der Kluft des Sensenmanns zum Abschluss des Konzerts auf, erinnert aber eher an eine Geisterbahn-Figur für kleine Kinder als an einen Albtraum für Erwachsene. Doch der reale Horror für die Fans könnte umso größer sein: Die «Dance of Death»-Tournee soll nach Angaben der Veranstalter die «letzte große Arena-Tour» von «Iron Maiden» sein.
(Die weiteren Stationen in Deutschland sind Frankfurt/Main (4.11.), Hannover (17.11.), Berlin (18.11.), Dortmund (24.11.), Hamburg (26.11.) und Leipzig (27.11.).
Jörg Säuberlich
http://www.iron-maiden.de
«Roxy Music» in Bonn
Bonn (ddp). Auch der leichte Nieselregen hat den zahlreichen brennenden Wunderkerzen auf dem Bonner Museumsplatz nichts anhaben können. Die Pop-Legende «Roxy Music» hielt am Samstagabend Hof in der Bundesstadt, und 2000 begeisterte Fans feierten die Briten bei ihrem einzigen Deutschland-Gastspiel in diesem Jahr. Die Bundeskunsthalle als Veranstalter hatte wohl mit mehr Interesse an der musikalischen Zeitreise mit den einstigen Glam-Pop-Helden gerechnet. Immerhin hat die Band um Sänger Bryan Ferry mit Stücken wie «Avalon», «Out of the blue» oder «Do the Strand» Musikgeschichte geschrieben. Doch die Idee, ausgerechnet Ende Oktober ein Open-Air-Konzert zu veranstalten, war doch sehr gewöhnungsbedürftig.
Gegründet 1970 galt «Roxy Music» zunächst als schräges Aushängeschild des glamourösen und dekadenten «Swinging London». Ferry und Co. ließen gerade in der ersten Hälfte des Bonner Konzerts erahnen, welche Sprengkraft in den frühen Stücken steckte. Manch einer im Publikum traute den Augen und Ohren kaum: Da standen keine Pop-Veteranen auf der Bühne, die noch kurz vor dem Ruhestand schnell verdientes Geld mitnehmen wollen. Vielmehr wirkten «Roxy Music» bei aller Routine hochmotiviert und spielfreudig, wohl auch, weil Bryan Ferry die Stammbesetzung der Band gezielt mit jüngeren Musikern aufgefrischt hat. So geriet das umjubelte Frühwerk «Virginia Plain» angemessen tuntig. «Jealous Guy», die Cover-Version des John-Lennon-Klassikers, wirkte live keineswegs so überzuckert wie in der umstrittenen Studio-Fassung.
Neben Ferry bestimmten Andrew Mackay und Gitarrist Phil Manzanera damals wie heute die Geschicke der Band. Andrew Mackay - im bunten und auffällig unmodernen Sakko - ließ in Bonn keinen Zweifel daran, warum er zu den einflussreichsten Saxophonisten der Pop-Geschichte gerechnet wird. Auch Manzanera konnte an der Gitarre zeigen, was die Band berühmt gemacht hat - wobei ein erkennbar gutmütiger Ferry seinen Mitspielern viel Raum zu Soli gab. Er zog sich in den Hintergrund zurück, wog sanft die Hüften und wandte dem Publikum den Rücken zu - ein viel zitierter Manierismus.
Überhaupt war es der Abend des Bryan Ferry. Die Stimme des mittlerweile 58-Jährigen hat sich erstaunlich gut gehalten, das oft kopierte Tremolo funktionierte auch unter den schwierigen Live-Bedingungen. Spätestens als Ferry mit brüchiger Stimme die große Liebe beschwor, erhöhte sich zuverlässig der Kuschelfaktor im Publikum, das eine hohe Pärchen-Dichte aufwies. Die Furchen im Gesicht sind tiefer geworden, doch Bryan Ferry hat sich in der Rolle des etwas zerzausten, aber doch in Würde gealterten Dandys gefunden. Dazu die wohl dosierten Gesten, der träge, etwas hüftsteife Tanzstil - der frühere Kunsterzieher wusste genau, was gerade der weibliche Teil des Publikums von ihm erwartete.
Die Zuhörer waren im Schnitt deutlich älter als Mitte 30. Eine Generation, für die «Roxy Music» untrennbar mit den Erinnerungen an die ersten Engtanz-Klassenfeten verbunden bleibt - eine Zeit, in der Ferrys unwiderstehlich pathetische Balladen noch nicht mit dem Begriff «Kuschelrock» versehen waren. So sang das zunächst fröstelnde Bonner Publikum beim Romantikhit «Oh yeah» lauthals den Refrain mit. Zu diesem Zeitpunkt fragte sich auf dem Museumsplatz niemand mehr, ob Ende Oktober wirklich ein günstiger Zeitpunkt für ein Open-Air-Konzert ist.
Markus Peters