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Das Festspielhaus Hellerau wird saniert

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Vorwärts zurück - Festspielhaus Hellerau wird bis Mai 2006 erneuert - Einstiges Zentrum der Avantgarde will an seine Tradition anknüpfen und zum "grünen Hügel" der Moderne avancieren

Dresden (ddp-lsc). Wenn Udo Zimmermann vom Festspielhaus Hellerau spricht, greift der Intendant des ortsansässigen Europäischen Zentrums der Künste gerne zum Bild der schlafenden Schönen, die es wach zu küssen gilt. Dass jedoch die Liebe für die einstige Anlaufstelle der internationalen Avantgarde in den vergangenen Jahren kaum loderte, ist für jedermann ersichtlich, der das von der Roten Armee als Turnhalle genutzte, verwahrloste Gebäude erblickt. Aber wenn man schon nicht vom Küssen sprechen kann, so doch zumindest vom Schmusen, denn die heruntergekommene Spielstätte wird bis spätestens Juni 2006 baulich auf Vordermann gebracht.

Bis im kommenden Jahr sollen vor allem Haus- und Bühnentechnik umfassend modernisiert und wieder uneingeschränkt für Theateraufführungen nutzbar sein, wie der Leiter des Dresdner Hochbauamtes, Michael Hofmann, erklärt. Unter anderem werden zahlreiche Trennwände herausgerissen, neue Fenster eingesetzt, Garderoben und Lagerräume in den Keller verlegt und die Decke des Zuschauerraums abgehängt, um die Akustik zu verbessern. Auch einen Orchestergraben erhält das 1911/12 von Heinrich Tessenow errichtet Gebäude sowie eine Bühnentechnik, die nahezu den gesamten Saal bespielbar macht.

Für die Arbeiten stehen rund acht Millionen Euro zur Verfügung - nicht genug, um den kompletten Bau einer Schönheitskur zu unterziehen. Die abgewirtschaftete Fassade etwa sowie die wenig einladenden Außenflächen des einst hochmodernen Kunstzentrums werden aus finanziellen Gründen vorerst nicht erneuert. Hierfür wären laut Hofmann weitere sechs bis sieben Millionen Euro nötig. Und keiner weiß, wo die herkommen sollten.

Des weiteren sucht die städtische Kultureinrichtung nach privaten Investoren für den Ausbau des Seitenflügels zu einem Gästehaus, in dem auch ein Restaurant Platz finden soll. Für den Umbau des derzeit baufälligen einstigen Kasernentrakts werden den Angaben zufolge 3,5 Millionen Euro benötigt. In Zukunft sollen die Räumlichkeiten Platz bieten für die Tanztruppe des US-Star-Choreografen William Forsythe, der mit seiner Ballett-Kompanie ab 2006 in Hellerau tätig sein wird.

Intendant Zimmermann hofft im Zuge der Sanierung darauf, dass Hellerau wieder an künstlerischer Bedeutung gewinnt. Es handle sich um einen «politischen und geistigen Ort», den es überregional bekannt zu machen gelte. Zu den Eröffnungswochen 2006 haben nach seinen Worten bereits die Komponisten Mauricio Kagel und Helmut Oehring sowie der Konzeptkünstler Jannis Kounellis ihr Kommen angekündigt. Und sie werden sich bei ihrem künstlerischen Schaffen aller Voraussicht nach nicht von der unsanierten Fassade des Festspielhauses abschrecken lassen.

Alessandro Peduto

http://www.zeitmusik.de


Das Festspielhaus Hellerau zwischen Kafka und Roter Armee
Dresden (ddp-lsc). Das Festspielhaus Hellerau ist Teil der 1909 nördlich von Dresden gegründeten Gartenstadt Hellerau. Die 1911/12 erbaute Spielstätte war kulturelles Zentrum des Ortes. Das Festspielhaus genoss bis zum Ersten Weltkrieg kulturell überregionales Ansehen als Zentrum der Avantgarde. Allein zwischen 1911 und 1914 hielten sich in Hellerau zahlreiche Größen der europäischen Kulturelite auf, darunter der Architekt Le Corbusier, die Schriftsteller Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Gerhart Hauptmann und Stefan Zweig, die Komponisten Sergej Rachmaninow und Ferruccio Busoni sowie die Maler Oskar Kokoschka und Emil Nolde.

1933 gingen das Festspielhaus und seine Nebengebäude in Staatsbesitz über, 1939 bauten die Nationalsozialisten das Areal zur Polizeischule um. Von 1945 bis 1992 nutzte die Rote Armee das Gelände, danach wurde das Festspielhaus nach und nach wieder für kulturelle Zwecke genutzt.

Seit 2004 firmiert die Einrichtung als «Europäisches Zentrum der Künste Hellerau». Intendant ist der Komponist und Theatermann Udo Zimmermann. Spätestens im Juni 2006 soll das Festspielhaus bühnentechnisch wieder funktionsfähig sein.

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