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Das Jüngste Gericht als Ganzes

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Erstmals in deutscher Sprache: Sofia Gubaidulinas »Passion und Auferstehung Jesu Christi nach Johannes« / Aufführungen unter Leitung von Helmuth Rilling in Dresden und Stuttgart.

DRESDEN UND STUTTGART. »Passion und Auferstehung Jesu Christi nach Johannes« (bestehend aus »Johannes-Passion« und »Johannes-Ostern«), zwei Kompositionen von Sofia Gubaidulina, werden am 9. und 10. Februar in der Dresdner Frauenkirche aufgeführt. Unter Leitung von Helmuth Rilling musizieren namhafte Solisten, die Gächinger Kantorei und das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR.
Die »Johannes-Passion« entstand als Teil des Projekts »Passion 2000«. Im 250. Todesjahr Johann Sebastian Bachs hatten Helmuth Rilling und die Internationale Bachakademie Stuttgart vier Komponisten aus verschiedenen Kulturkreisen gebeten, die Leidensgeschichte Christi aus den vier Evangelien neu zu vertonen.

Neben Sofia Gubaidulina komponierten Wolfgang Rihm (Lukas), Osvaldo Golijov (Markus) und Tan Dun (Matthäus) je eine Passion. Die von Hörfunk und Fernsehen direkt übertragenen Uraufführungen beim Europäischen Musikfest Stuttgart 2000 fanden weltweit große Resonanz.

Für die 1931 in Russland geborene Komponistin war das Werk damit aber nicht zu Ende. »Die Passion, das Leiden Christi, ist ohne Auferstehung nicht denkbar«, sagte sie. So entstand die Fortsetzung: »Johannes-Ostern«. Dieses Stück wurde im Jahre 2002 uraufgeführt. Sofia Gubaidulina ist fest im russisch-orthodoxen Glauben und in der Welt der orthodoxen Kirchenmusik verwurzelt. Sie schrieb daher beide Stücke in russischer Sprache. Für die bevorstehenden Aufführungen in Dresden, der zwei weitere am 16. und 18. Februar 2007 in Stuttgart folgen werden, genehmigte sie Neufassungen in deutscher Sprache. Diese werden in Dresden und Stuttgart erstmals musiziert.

Die Komposition verbindet die Leidens- und Auferstehungsgeschichte des Johannes-Evangeliums mit Worten aus der »Apokalypse«, der Offenbarung des Heiligen Johannes, hier insbesondere der Vision vom Jüngsten Gericht. Beide biblischen Bücher werden demselben Autor zugeschrieben. Die Verbindung der beiden Texte hat Vorbilder in anderen Künsten. »Mir blieb nur«, sagt Sofia Gubaidulina mit Blick auf die Ausmalung der Sixtinischen Kapelle in Rom, »in der Musik das zu tun, was mehrfach und lange Zeit vor mir mit den Mitteln der Architektur und Freskenmalerei gemacht wurde«.

»In meiner Musik«, fährt sie fort, »entsteht eine Art ›Responsorium‹«, also ein musikalischer Wechsel von Frage und Antwort. »In ihm spielen die Episoden der ›Johannes-Passion‹ die Rolle der Fragen, während die Rolle der Reaktionen auf die Fragen von den entsprechenden Abschnitten aus der ›Apokalypse‹ übernommen wird. Die Antwort ist nur eine: das gesamte Jüngste Gericht als Ganzes«.

Sofia Gubaidulina schrieb ihr Werk für vier Solisten, zwei Chöre, großes Orchester und Orgel. Damit geht sie über die in ihrer eigenen Liturgie übliche Musik hinaus, denn im orthodoxen Gottesdienst sind Instrumente nicht zugelassen. Die seit 1993 in der Nähe von Hamburg lebende Komponistin erweitert das Ausdrucksspektrum dadurch erheblich, wobei Klang und Atmosphäre der eigentümlich mystischen Kirchenmusik Russlands spürbar bleiben.

Sofia Gubaidulina wurde 1931 in der Tatarischen Autonomen Sowjetrepublik geboren. Sie studierte Klavier und Komposition in Kasan, ab 1954 in Moskau. Zu ihren Förderern gehörten Dmitri Schostakowitsch und Gidon Kremer. Der Geiger brachte 1981 ihr Violinkonzert »Offertorium« heraus und machte Gubaidulina damit über die Grenzen Russlands hinaus bekannt. Zusammen mit den inzwischen verstorbenen Alfred Schnittke und Edison Denisov gehört sie zu den stilprägenden russischen Komponisten ihrer Generation. Sie schrieb mehrere Sinfonien, Konzerte und Kammermusik. Gubaidulinas Musik wurzelt in der russischen Musiktradition und bezieht immer wieder Elemente der russischen Volksmusik ein, wie etwa das Instrument Bajan oder kirchenmusikalische Assoziationen. »Johannes-Passion« und »Johannes-Ostern« sind ihre umfangreichsten und, nach eigenem Bekunden, wichtigsten
Werke. Sofia Gubaidulina ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin, der Freien Akademie der Künste Hamburg sowie der Königlich Schwedischen Musikakademie Stockholm
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Sofia Gubaidulina erhielt am 22. Januar 2007 in Moskau den russischen Kulturpreis »Triumph«. Am 6. Februar 2007 wird sie in Hamburg nach einem Konzert mit Gidon Kremer und der Kremerata Baltica mit dem Bach-Preis der Stadt Hamburg ausgezeichnet. Die Jury hob in ihrer Begründung hervor, Sofia Gubaidulina habe »eine Brücke zwischen östlichen und westlichen Musiksystemen geschaffen«.

Die Aufführungen in der Dresdner Frauenkirche finden statt am Freitag, 9. Februar 2007, 20 Uhr (Johannes-Passion) | Samstag, 10. Februar 2007, 17 Uhr (Johannes-Ostern)
Die Aufführung in der Stuttgarter Liederhalle folgen am Freitag, 16. Februar | Sonntag, 18. Februar, jeweils 19 Uhr (Erstaufführung des Gesamtwerks in Stuttgart, in deutscher Sprache)

Julia Sukmanova, Sopran
Corby Welch, Tenor
Bernd Valentin, Bariton
Nicholas Isherwood., Bass
Kammerchor der Musikhochschule Trossingen | Gächinger Kantorei Stuttgart
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR

Leitung: Helmuth Rilling

Kartentelefon Dresden: 0351.656 067 01
http://www.frauenkirche-dresden.de

Kartentelefon Stuttgart: 0711.619 21 32
http://www.bachakademie.de

Wir danken der DaimlerChrysler AG und der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung für ihre großzügige Unterstützung.

Stuttgart, 24. Januar 2007
Internationale Bachakademie Stuttgart


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