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Berlin (ddp-bln). Wenn Artur Brauner zu seinem 90. Geburtstag am 1. August auf sein Lebenswerk zurückblickt, kann er die stattliche Zahl von weit über 300 Kinoproduktionen bilanzieren. Über zwei Jahrzehnte versorgte der Berliner Produzent die deutsche Filmlandschaft mit Kassenknüllern.
Ob Abenteuerstreifen wie «Das indische Grabmal» und «Der Tiger von Eschnapur», die Thriller um die legendäre «Dr. Mabuse»-Figur, Karl-May-Verfilmungen wie «Old Shatterhand» und «Der Schut» oder Schlagerfilme wie «Melodie und Rhythmus» - Arthur Brauner hatte in den 50er und 60er Jahren ein Gespür dafür entwickelt, was beim Publikum ankommt.Seinen runden Geburtstag wird der rüstige Unternehmer im kleinen Kreis und fern seiner Wahlheimat Berlin feiern, wie sein Büro mitteilte. Zuletzt hatte es immer wieder Schlagzeilen über finanzielle Schwierigkeiten des Produzenten und Immobilienbesitzers Brauner gegeben. Im April vergangenen Jahres hatte Brauner in einer als offenen Brief gestalteten Anzeige im Berliner «Tagesspiegel» unlautere Spekulationen von Immobilienbanken für die Schulden mitverantwortlich gemacht.
1946 gründete Brauner mit Unterstützung von Freunden und Verwandten in Spandau-Haselhorst die Central Cinema Company (CCC).
Mit ihr produzierte er sein Kino für die Massen. Das ehemalige Fabrikgelände in Spandau-Haselhorst wurde so zu einem der wichtigsten Produktionsstandorte der Nachkriegszeit und Brauner zu einem der einflussreichsten Geschäftsleute der Stadt. Seinen volkstümlichen Spitznamen «Atze» verdankt er dem Schauspieler Curd Jürgens, der zu ihm gesagt haben soll: «Du bist jetzt so ein eingefleischter Berliner, da nenn\' ich dich auch Atze.«
Zum Film war der als Abraham Brauner im polnischen Lódz geborene Sohn eines Holzgroßhändlers durch eine Gruppe junger Zionisten gekommen. Mit ihnen war er 1936 durch den Nahen Osten gereist, um dort zwei Dokumentarfilme zu drehen. Eigentlich aber hatte Brauner den Wunsch gehabt, Schauspieler zu werden, wie er in einem Interview mit der »Tageszeitung« berichtete. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verschlug es Brauners Familie in die Sowjetunion, wo sie untertauchen und so dem Holocaust entgegen konnte. Nach eigenen Angaben hat Brauner 49 Verwandte durch die Nazis verloren. Während seine Eltern nach dem Krieg nach Israel auswanderten, ging Artur Brauner nach Berlin.
Als Filmproduzent sah er die Möglichkeit, die deutsche Vergangenheit und das Schicksal des jüdischen Volkes filmisch aufzuarbeiten. Doch derlei wollten die deutschen Kinobesucher kaum sehen. Diese Erfahrung musste Brauner bereits bei dem 1948 mit Unterstützung der sowjetischen Militärbehörden entstandenen Drama «Morituri» machen. »Ich wollte mit allen Filmen dieser Art erreichen, dass die Leute zur Besinnung kommen, dass sie sehen, was es bedeutet, wenn eine Diktatur, wenn Unmenschlichkeit regiert«, erklärte Brauner in einem Zeitungsinterview und fügte hinzu: »Aber ich bin enttäuscht, es hat sich nichts geändert.«
Mit leichter Unterhaltung, mit Operettenfilmen, Krimis und Western, war hingegen Kasse zu machen. Als sich in den 70er Jahren mit dem Neuen Deutschen Film eine Kehrtwendung im Filmgeschäft abzeichnete, konnte Brauner endlich auch seine langgehegten anspruchsvolleren Projekte umsetzen. Für «Der Garten der Finzi Contini» erhielt er 1970 den Goldenen Bären der Berlinale und zwei Jahre später den Oscar für den besten nichtenglischen Film.
Auch andere Filme, die sich mit der NS-Zeit auseinandersetzen - «Die weiße Rose», «Hitlerjunge Salomon» und «Eine Liebe in Deutschland» wurden unter anderem mit dem Golden Globe und dem Deutschen Filmpreis bedacht. Ähnlich anspruchsvoll - aber sowohl bei Kritik wie Publikum auf weniger Gegenliebe stoßend - waren hingegen jüngere Projekte wie «Der letzte Zug» und sein Spielfilm über das Massaker in «Babij Jar».
In den Ruhestand wird Brauner auch mit 90 nicht gehen. Nach Auskunft seines Büros hat der Produzent mit dem Film »Der Chinese« über das Getto von Lodz und »Ein Frühling, der nie kam" zwei neue Projekte in Arbeit.