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Der lange Weg zur Ausstellung - Flick Collection spaltet die Geister

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Berlin (ddp-bln). Wenn die Kunst da sei, werde man eine andere Diskussion haben, hofft der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Peter-Klaus Schuster. Bislang sind die rund 2000 Werke des 20. und 21. Jahrhunderts nämlich meist Nebensache, wenn es um die Präsentation der «Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof» in Berlin geht. Da ist von Zwangsarbeit, Familiengeschichte, Rüstungslieferungen im Zweiten Weltkrieg, verantwortungsbewusstem Umgang mit der Geschichte, Entschädigungsverpflichtungen die Rede.


Es melden sich Politiker zu Wort, die Familie Flick, Feuilletonisten und Künstler. Salomon Korn, Vize-Vorsitzender des Zentralrats der Juden, kritisierte beispielsweise, Industriellen-Erbe Flick, dessen Großvater Friedrich Flick zu den größten Rüstungslieferanten des NS-Regimes gehört hatte, wolle mit der Ausstellung die Geschichte seiner Familie «reinwaschen».
Auch Parteifreunde sind in der Flick-Frage gespalten. Der Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding, forderte die Bundesregierung auf, ihr Engagement bei der geplanten Dauerausstellung zu beenden. Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, Monika Griefahn (SPD), unterstüzt hingegen das Projekt. Griefahn betonte, Friedrich Christian Flick habe sich «sehr früh aus dem Unternehmen seines Großvaters zurückgezogen». Deshalb habe sie «Schwierigkeiten» damit, «den Enkel in der Gesamtheit zu belasten».
Die, denen es vorrangig um die Kunst geht, versuchen bei all dem zu beschwichtigen. Kurator Eugen Blume warnte davor, Kunst in «Haft» zu nehmen. Es sei doch klar, dass man als Kunsthistoriker keinen Beitrag zur NS-Wirtschaftsgeschichte leisten könne. Kunst sei nicht dafür gemacht worden, «im Tiefkühlfach» weggesperrt zu werden.
Schuster sieht in der Kunstsammlung «ein Porträt unserer Zeit», und auch der Sammler sei «ein Porträt unserer Zeit». «Das ganze Flick-Imperium und sein Wiedererstehen war ein Teil unseres Wirtschaftswunders und ist ein Faktum der Wirtschaftsgeschichte dieser Bundesrepublik», sagte Schuster dem »Tagesspiegel«.
Flick selbst hatte bei der Vertragsunterzeichnung im Januar 2003 erklärt, ihm gehe es beim Sammeln um Fragen, »die die Künstler sich und uns stellen«. Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) sagte damals, sie verstehe nicht, »wie sich eine Konvergenz zwischen der Zeit des nationalsozialistischen Terrorregimes und einer Sammlung zeitgenössischer, frei entwickelter Kunst herstellen lässt«. Diese Geiselnahme hätten weder die Künstler noch ihre Arbeiten verdient.
Auch aus Künstlerkreisen kam jedoch Kritik an dem Projekt. Aktionskünstler Hans Haacke kritisierte in einer Umfrage der Wochenzeitung «Die Zeit», «es ist Sklavenarbeit, die seine Sammlung mitfinanziert hat» und fügte hinzu, «die mit Steuergeldern unterhaltenen Institutionen in Berlin bieten sich nun - anscheinend ohne Hemmungen - als Geldwaschanlage an». Fotograf Wolfgang Tillmans betonte hingegen, er finde die Art, wie Friedrich Christian Flick zum Sündenbock gemacht werde, «übertrieben und scheinheilig».
Die Ausstellung soll jetzt von einer vom Sammler finanzierten Studie des Instituts für Zeitgeschichte in München über die Geschichte der Unternehmerfamilie Flick begleitet werden. Zudem wird die Schau von einem Rahmenprogramm mit Podiumsdiskussion sowie Veranstaltungen der Bundeszentrale für politische Bildung flankiert.
Außerdem soll die lange als Flick Collection gehandelte Exposition jetzt stets »Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof" genannt werden. Das schafft Distanz zur Familie Flick als Ganzes. Die Schwester des Sammlers, Dagmar Ottmann, hatte ein Moratorium gefordert und erklärt, die Sammlung ihres Bruders sei «glänzend genug, dass sie nicht die Voranstellung des symbolbelasteten Familiennamens» brauche.
Die Kollektion von Friedrich Christian Flick zählt zu den hochkarätigsten Privatsammlungen der zeitgenössischen Kunst. Ab Mittwoch wird sie in Teilen im Hamburger Bahnhof Berlin und in den angeschlossenen Rieckhallen präsentiert - dann spricht die Kunst.
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