Body
Eine humpelnde Diva holt die Sterne vom Himmel - Jubel für «Cosi fan tutte» zur Eröffnung der Salzburger Osterfestspiele mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle
Salzburg (ddp). Cecilia Bartoli ist die «Primadonna assoluta» der diesjährigen Salzburger Osterfestspiele. Trotz eines während der Proben gebrochenen Fußes sang sie in der Neuinszenierung von Mozarts Oper «Cosi fan tutte» die Fiordiligi und riss ihre Zuhörer zu Begeisterungsstürmen hin. Mit bandagiertem Fuß humpelte die italienische Starsopranistin am Samstagabend mehr als drei Stunden lang über die Riesenbühne des Großen Festspielhauses, was ihrer Stimme keinen Abbruch tat. Ihre zart hingetupften Koloraturen und dramatischen Ausbrüche, sensibel begleitet von den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle, ließen das Publikum den Atem anhalten.Auch die überragende Leistung von Magdalena Kozena als Dorabella setzte der umjubelten Premiere ein Glanzlicht auf. Dritte im Bunde des Powerfrauen-Trios war Barbara Bonney, die aus der Partie der Despina zuweilen eine urkomische Slapsticknummer machte. Auch die Leistungen der Männer - Kurt Streit als Ferrando, Gerald Finley als Guglielmo und Thomas Allen als Don Alfonso - ließen kein Wünsche offen.
Die textgetreue, minimalistische Regie von Ursel und Karl-Ernst Herrmann rollte den Sängern den roten Teppich aus. Auf der riesigen Bühne nahmen sich die wenigen Requisiten, ein weißes Riesen-(Oster)-Ei sowie ein Paravent und, im zweiten Akt, allerlei labyrinthisches Gestänge, beinahe verloren aus. Die Herrmanns setzten ganz auf zarte Lichteffekte und eine sorgfältige Personenregie.
Dramaturgisch bildet Don Alfonso als diabolischer «Spielmacher» das Zentrum. Wie Mephistopheles tritt er zu Beginn der Handlung aus dem Dunklen des Bühnenhintergrunds, um dem Orchester den ersten Einsatz zu geben. Der zynische Lebemann verleitet die beiden Edelleute Ferrando und Guglielmo zu einer Wette, in deren Verlauf sie, als exotische «Albanier» maskiert, die Tugendfestigkeit ihrer Verlobten, der Schwestern Fiordiligi und Dorabella auf die Probe stellen sollen. Die Schwestern erliegen dem Charme der «Fremden» - freilich nur zum Schein, denn sie haben den despektierlichen Handel Don Alfonsos mit angehört und beschlossen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Don Alfonso kann schließlich triumphieren: Cosi fan tutte «So machen sie es alle». Doch um welchen Preis? Am Ende sind alle im Labyrinth ihrer (falschen) Gefühlen gefangen. Am bitteren Ende fährt aus dem Boden ein Labyrinth nach oben und umschließt die Schwestern und ihre einstigen Verlobten, mit denen sie nun nichts mehr verbindet. Ursel und Karl-Ernst Herrmann bebildern die von Mozarts Meisterlibrettisten Lorenzo Da Ponte ersonnene Rokoko-Maskerade routiniert und geschmackssicher, lassen das Publikum aber im Unklaren darüber, was die triste Botschaft für die heutige Zeit der Gefühlsverwirrung zu bedeuten hat.
Ganz im Gegensatz zu Sir Simon Rattle, der die Abgründe und die heitere Melancholie der Mozartschen Komposition schonungslos offenlegt, dabei aber nicht auf schwelgerischen, fast symphonischen Glanz verzichtet. Schade, dass ein solches Weltklasseorchester wie der Berliner Philharmoniker nur selten eine Opernbühne bespielt. Und Dank an Herbert von Karajan, der «seinen» Berlinern die Plattform der Salzburger Osterfestspiele erst verschafft hatte.
Georg Etscheit