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Dudelsack und Satellitenschüssel - Uraufführung des multimedialen Musiktheaters «Credo»
Karlsruhe (ddp-bwb). Geradezu euphorisch hat das Publikum im Badischen Staatstheater Karlsruhe auf die Uraufführung von «Credo» oder «Die Unschuld Gottes» reagiert. Das «multimediale Musiktheater» thematisiert ethnische und religiöse Konflikte und fand am Freitag im Rahmen der 17. Europäischen Kulturtage «Istanbul» statt. Komponist und Dirigent des Werkes ist Andrea Molino. Das Libretto beziehungsweise Konzept hat er gemeinsam mit dem Karlsruher Generalintendanten Achim Thorwald entwickelt.Wegen des technischen Aufwandes wurde das Projekt im Vorfeld als «Himmelfahrtskommando» verspottet, doch der Ablauf mit Satellitenübertragungen verlief reibungslos. Eine Fülle von Material wurde zu einer Art Collage verarbeitet: Schauspieler rezitierten gewaltverherrlichende Predigerworte aus dem Alten Testament und dem Koran oder aber die Ringparabel aus Lessings «Nathan der Weise», wo drei identische Ringe für die Religionen stehen, die Gott gleichermaßen liebt.
Dazu kamen Videospots aus Interviews - zum Beispiel mit der Mutter eines israelischen Opfers und der Mutter des palästinensischen Attentäters. Auf der Bühne waren ein grobmaschiges Drahtgitter, dahinter die Badische Staatskapelle in großer Besetzung und darüber drei Videoleinwände für die Spots und Live-Zuspielungen aus Istanbul, Belfast und Jerusalem.
Wenn sich die «Fenster» in die drei Städte öffneten, waren von Molino ausgewählte Musiker zu sehen, die landesspezifische Musik spielten: Najflöte aus Istanbul oder eine seichte Popballade aus Belfast begleitet von keltischer Harfe und irischer Dudelsackpfeife. Für Freunde der Perkussionsinstrumente, von Conga bis Ölfass, war es ein Fest.
Selbst das Orchester wurde überwiegend perkussiv eingesetzt mit abgehackten Bläserklängen und Streicherpizzikati - dies allerdings mit äußerster Präzision. Vorwiegend die Celli dienten zudem als sanfter Streicherteppich für die Musiker aus den zugeschalteten Städten, auch hier gelang das Timing. Für Melodie sorgten allein die Vokalisten allen voran David Moss, der exzentrische Avantgardesänger.
Moss lieferte beeindruckende Kehlkopfakrobatik mit Kopfstimme, Quietschen, Gurren, Schnattern und Hechelarien und zog so die ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich - trotz des Spektakels um ihn herum. Andrea Molinos Komposition setzt in erster Linie auf Rhythmus. Melodie liefern die verschiedenen Sprachen in den Interviews. Molino ließ sie vom gezupften Solocello (Hugo Smit) imitieren. Die Idee ist nicht neu - sie stammt von Leos Janácek - aber effektvoll.
Silke Blume