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Effektvoller Totentanz - Gabriel García Márquez\' «Der Herbst des Patriarchen» als Oper am Bremer Theater uraufgeführt
Das Auftragswerk basiert auf dem gleichnamigen, 1975 erschienenen Roman über die Einsamkeit diktatorischer Macht von Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez. In sechs szenisch-musikalischen Stationen rund um die Perversion der Macht lassen Komponist Giorgio Battistelli und Regisseurin Rosamund Gilmore einen effektvollen Totentanz aufleben. Aus den einzelnen Puzzleteilen ergibt sich ein Bild aus abgehalfterter Macht, Sadismus, Gewalt und Zerstörung.
Der Patriarch (Karsten Küsters) ist zum personifizierten Tod geworden. In seinem Palast pflastern Tote und Blut den Weg. Alles erinnert eher an eine Friedhofszenerie denn an ein prunkvolles Gemäuer im kolumbianischen Dschungel (Bühnenbild: Carl Friedrich Oberle). Seit mehr als 200 Jahren befiehlt der Patriarch und ist trotz aschfahlem Gesicht und heruntergekommener Uniform des Mordens und Regierens nicht müde.
«El Presidente» lässt sich feiern, wo immer es geht. Das Volk schaut ihm bei Sex zu und jubelt «Der General vögelt». Menschlicher machen diese Machtmaschine die menschlichen Züge nicht. Selbst dann nicht, wenn er sich weinend an den Rockzipfel seiner Mama hängt und lamentiert, dass er eine Pechsträhne habe. Statt Mitleid kommt Humor ins Spiel. Nicht auf einem Thron nimmt der Herrscher Platz, sondern auf einer Toilette: «Mama, ich bin ein Hosenscheißer.»
Zwischen Wahn und Todesangst verliert sich der General im Walzertaumel. Die Konkubine (Birgit Eger) tänzelt vor ihm auf und ab, um dann nur das festzustellen, was jeder sehen kann: «Mein Gott, was für ein trauriger Mann.» Der General kämpft um sein Ansehen. Er lässt Häuser verrücken, Türme bauen und Kinder ermorden, um die eigene Macht zu zementieren und dem Tod zu entfliehen. Er heiratet und bekommt per Blitzgeburt einen ebenso despotischen Sohn geschenkt, den er alsbald mit skrupelloser Brutalität erschießen lässt.
Karsten Küsters hat mit dem Tyrannen seine Rolle gefunden. Souverän singt und spielt er den von der Macht zerfressenen Diktator. Herzlos und kalt heißt es aus seinem Mund: «Sie sollen die Müllwagen holen, um die Toten wegzubringen.»
Battistelli serviert dem Publikum in seiner Oper Versatzstücke aus einer Vielzahl von Musikstücken. Mit viel Percussion, Bläser- und Streichereinsätzen sowie dem Vibraphon lässt er die Bremer Philharmoniker eine klangliche Gänsehautkulisse erzeugen. Die eindringliche Klang- und Bilderwelt erfüllt den Anspruch des 51-Jährigen, eine vielschichtige Oper zu zeigen, die Ansatzpunkte zum Nachdenken über Leben, Tod und Einsamkeit bietet.
Corinna Laubach
http://www.bremertheater.com