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Die Rezension: «Die Sache Makropulos» in Stuttgart

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Schönheit und Schärfe - Dirigent Cambreling macht Janaceks Oper «Die Sache Makropulos» in Stuttgart zu einem großen Abend

Stuttgart (ddp-bwb). Gut 30 Jahre ist es her, da inszenierte Hans Neuenfels erstmals eine Oper - und entfachte damals in Nürnberg einen wilden Skandal. Seine Stuttgarter «Meistersinger» veranlassen noch nach rund einem Jahrzehnt nicht wenige Alt-Wagnerianer zu aggressiven Zwischenrufen. Bei der Premiere von Leos Janáceks rätselhaft faszinierender Oper «Die Sache Makropulos» am Samstag hingegen schloss das Publikum im Stuttgarter Opernhaus den Regisseur wohlwollend in den allgemeinen Jubel ein.

Vielleicht liegt das daran, dass das 1926 in Brünn uraufgeführte Werk über ewiges Leben und einmalige Liebe ein Sonderling im Opernrepertoire geblieben ist. Gerade Stuttgart kann allerdings auf eine hoch bedeutende Inszenierung unter Günther Rennert und Vaclav Neumann zurückblicken, die vor gut drei Jahrzehnten als Emilia Marty erstmals die sensationelle Anja Silja präsentierte. In deren Fußstapfen musste nun Eva-Maria Westbroek treten, eine Sängerin mit starker Bühnenwirkung, die ihren üppigen Sopran jedoch zu sehr ins Ungefähre gleiten lässt und ihre stimmliche Präsenz nicht recht zuzuspitzen vermag.

Jürgen Müller hingegen, der erstmals an der Stuttgarter Oper gastiert, beeindruckte als Emilias Gegenspieler und Bewunderer Albert Gregor durch seinen hell gefärbten und sicher geführten Tenor. Darüber hinaus ist er der einzige im soliden Gesangsensemble, der das ungewohnte Tschechisch zu sinnlicher Klangschönheit aufblühen lässt. Auf der Originalsprache hatte der Dirigent Sylvain Cambreling bestanden, und tatsächlich ist die gebräuchliche deutsche Fassung von Max Brod eher Nachdichtung als Übersetzung und wird Janáceks sprachnaher Komposition kaum gerecht.

Allerdings hatte man im Stuttgarter Opernhaus die angekündigten Übertitel fallen lassen - zu Gunsten von im Bühnenbild eingeblendeten Texten von Hans Neuenfels, die wiederum zur Erläuterung einer weiteren Zutat des Regisseurs dienten. Denn hier tritt der Komponist höchstpersönlich auf, befehligt fünf ebenfalls hinzu erfundene, sportlich gewandete Schauspieler und greift mit Hilfe dieser hektischen Heinzelmännchen und der ins Allgemeine abschweifenden Texte ins Bühnengeschehen ein. Unschwer ist diese theatralisch durchaus virtuos geführte Figur als Alter Ego des Regisseurs zu deuten, der mit intellektuellen Verweisen und wohlfeilen Witzchen auf die Bereitschaft der Zuschauer vertraut, die aufdringliche Irreführung als Erklärung misszuverstehen.

Dass «Die Sache Makropulos» im Stuttgarter Opernhaus zu einem großen Abend wird, ist Sylvain Cambreling zu verdanken. Vom ersten Ton an erforscht der Dirigent die vielen bewusst widersprüchlichen Schichten von Janáceks Musik, vermittelt mit dem in Hochform spielenden Staatsorchester die Schärfen der Komposition ebenso wie ihre herbe Schönheit. Das mechanische Vorwärtsdrängen, die krassen Schnitte, die wechselnden Perspektiven - all das legt Cambreling, der erstmals an diesem Pult steht, Takt für Takt sorgfältig frei, ohne den musikalische Fluss jemals stocken zu lassen. Er war der eigentliche Star des Abends - das Premierenpublikum überschüttete ihn zu Recht mit Bravos.

Jürgen Hartmann

(Weitere Vorstellungen am 27. Januar, 1./11./14./18./22. Februar sowie 7. März. Kartenbestellungen: 0711/20 20 90 Internet:
http://www.staatstheater.stuttgart.de
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